Als vor gut 20 Jahren eine meiner frommen katholischen
Cousinen aus den USA zu Besuch war, landete sie erschöpft an einem Samstagabend
in Hamburg-Fuhlsbüttel und fragte und so ziemlich als Erstes, wann und wo wir
denn morgen in die Messe gingen.
Den schockierten Blick werde ich nie vergessen, als ich erst
sagte „we don’t do that“ und dann auch noch meine Mutter ob des verwirrten
„WHY?“ nachschob „because we don’t believe in god!“
Das arme Mädchen; in was für einem Sündenbabel war die hier
bloß gelandet!
Noch mehr hätte sie allerdings schockiert, was anschließend
geschah, nachdem ich sie bei dem Onkel abgeliefert hatte, der sie zuerst
beherbergte.
Sie tat mir nämlich leid, also fing ich an
herumzutelefonieren, wo und wann denn katholische Gottesdienste stattfinden.
(Es war ja noch die Zeit vor dem Internet).
Es war wie verhext; nicht nur ich ging nicht in die Kirche,
sondern ich kannte noch nicht mal einen, der das tat. Alle Nachbarn, Freunde,
Bekannte, die ich fragte, winkten irritiert ab. Sonntagmorgen in den
Gottesdienst? Genauso gut hätte ich fragen können, ob sie auch allabendlich von
Marsmenschen zu urogenitalen Untersuchungen auf eine Untertasse beim Saturn
gebeamt würden.
Das war meine Offline-Filterblase, lange bevor es den Begriff
gab.
Kurioserweise interessierte ich mich viel mehr für
Katholizismus als meine so gläubige katholische Cousine und erzählte ihr in den
nächsten Wochen kontinuierlich kirchenhistorische Geschichten, berichtete ihr
von Kabalen in der Kurie, mächtigen Kardinälen, dem Kirchenschisma und der
Organisationsstruktur der Weltkirche.
Das war alles Neuland. Sie wußte gerade mal, daß der Papst
in Rom ein Pole ist und kannte darüber hinaus nur den Priester in ihrer
Gemeinde.
Themen wie Inquisition oder Kreuzzüge konnte ich ohnehin
nicht ansprechen; niemals hätte sie mir geglaubt, daß die Kirche ihres
geliebten Lords, zu dem sie ständig betete, irgendetwas Schlechtes tun könnte.
So erlebte ich Glauben vor 20 oder 30 Jahren:
Es gab erstens viele generell Desinteressierte, zweitens
engagierte Atheisten, die alle zu Hause die Bücher von Küng, Drewermann und
Ranke-Heinemann stehen hatten und drittens noch die ernsthaft Gläubigen, die
auch regelmäßig Gottesdienste besuchten.
Aber mit dieser letzten Kategorie hatte man nie Kontakt.
Man las nur in den Zeitungen über solche Exoten und wunderte
sich über die 100% wohlwollende Perspektive der Kirchenjournalisten, die immer
so schrieben, als ob diese Beterei ganz normal sei und jeder das täte.
Reporter, für die wir alle Christen waren und fest von der
positiven Wirkung Gottes überzeugt waren.
Journalisten, in deren Welt Ungläubige gar nicht
existierten.
In den Zeitungen wurde ein real existierendes Kirchentum
dargestellt, mit dem ich nicht nur keine Berührungspunkte hatte, sondern das
ich niemals in Hamburg bemerkt hatte.
Üblicherweise sind bei den großen Periodika die Frommen für Frommes zuständig.
Das ist einer der von mir immer
wieder beklagten Presse-Missstände.
Alle Kirchenthemen werden von
frommen Gläubigen behandelt.
Dafür hat Springer Badde und
Englisch, der Tagesspiegel die unvermeidliche Claudia Keller,
die Zeit Frau Finger und
die SZ eben Matthias Drobinski.
(……) Man stelle sich vor über die
CDU würden nur noch CDU-Mitglieder schreiben. Oder nur noch Soldaten über die
Bundeswehr.
Geht es um die Grundfrage des
Christentums in Deutschland – was geht da eigentlich so sagenhaft schief, daß
jedes Jahr Hunderttausende aus der Religionsgemeinschaft flüchten, während aus
anderen Kontinenten ein reger Zulauf herrscht – wird es bei den großen Zeitungen
ganz gediegen.
Als Abonnent von Printzeitungen kennt man die strammen
Religioten-Blätter „Himmel und Elbe“, sowieso das überregionale „Chrismon“.
Kostenlose Beilagen, die mit ungeheurem finanziellen Aufwand
der Kirchen betrieben werden, um all den norddeutschen Ungläubigen gegen ihren
Willen christliche Inhalte aufzuzwingen.
(Ja ich weiß, „gegen den Willen aufzwingen“ ist eine
tautologische Formulierung, aber diese frömmelnden Blättchen, die sich bei mir
in vielfacher Version stapeln ärgern
mich auch mehrfach!)
Ich vermute, die meisten Käufer von Hamburger Abendblatt,
ZEIT, Süddeutsche Zeitung werden diese Kirchenbeilagen ungelesen in den Müll
werfen.
Unglücklicherweise gucke ich aber gelegentlich da rein und
lese dann Kolumnen von Pröbstin Astrid Kleist oder Sabine Tesche.
Anschließend braucht man eine große Dosis
Acetylsalicylsäure, um die Hirnchemie wieder zu beruhigen.
In die Kategorie der erstaunlich frommen Kleists und
Tesches, die man nur aus Zeitungen kennt und im echten Leben nie trifft, gehört
auch Christiane Florin.
Auch Florin, Jahrgang 1968, ist in der Blase der
Kirchenschreiberlinge großer deutscher Periodika omnipräsent. Sie verantwortete
das erbärmliche „Christ und Welt“, die
persönliche Missionierungsbeilage des ZEIT-Chefredakteurs di Lorenzo, die es
nach vielen Dekaden vermochte mich dazu zu bringen mein ZEIT-Abo zu kündigen.
Sie ist Redakteurin des Ressorts „Religion und Gesellschaft“
beim Deutschlandfunk, tritt in Presseclub und abendlichen Plappertalkshows auf.
Eine vorherige Station war das Feuilleton des
radikal-christlichen Rheinischer Merkurs.
Ich kann mit Fug und Recht sagen seit Dekaden unter dieser
Frau zu leiden.
Und nun das.
Christiane Florin ärgert sich über das Kinderficken in ihrer RKK und beklagt lautstark in Form eines zweiseitigen
Meinungsartikels in der „Hamburger Morgenpost“ das Nichthandeln dieses Papstes,
der es auch noch wagte Kirchenkritiker als „Freunde und Cousins des Teufels“
zu bezeichnen, während nach Kardinal McCarrick ein weiterer Top-Kardinal und Papst-Vertrauter, nämlich George Kardinal
Pell überführt wurde mehrere kleine Jungs sexuell missbraucht
zu haben. Wochenlang durfte nicht darüber berichtet werden, aber
Pells pädosexuelle Vergangenheit war schon lange bekannt, bevor Franziskus ihn
förderte und beförderte.
Das weiß „man“, aber insbesondere wissen professionelle
Kirchenjournalisten selbstverständlich von der kontinuierlichen
Kindersexförderung durch Wegsehen, Vertuschen und Abstreiten des Vatikans.
Frau Florin geht aber nun einen winzigen Schritt weiter als
ihre Glaubenskollegin Nahles, die sich mit den Langsamkeit des Vatikans
abfindet und damit gelassen hinnimmt, daß immer weiter Kinder vergewaltigt,
psychosexuell missbraucht, gequält und geprügelt werden.
Nahles findet es sogar irgendwie lustig und gibt lockere
Sprüche von sich. Die SPD-Vorsitzende ruft den
vergewaltigten Kindern zu sich mit ihrer Situation abzufinden. Da gäbe es
keinen Handlungsbedarf, das dauere eben.
[….] Die katholische Kirche sei unter Papst Franziskus liberaler geworden.
Protestanten dürften sich nicht in der Vorstellung ausruhen, sie seien die
fortschrittlichere Konfession: "Ich habe schon unheimlich viele
konservative Evangelikale getroffen, und kenne so viel 'Pietcong' bei Euch."
Auch in der katholischen Kirche werde es irgendwann einmal Priesterinnen geben,
versicherte sie und warb für Verständnis, dass eine Weltkirche nicht schnell zu
reformieren sei. "Erst vor einigen Jahren hat der Papst offiziell
festgestellt, dass es keine Lindwürmer gibt. Manchmal braucht das etwas."
[….]
Ganz so gelassen flutschen Florin die Worte nicht mehr aus
der Feder.
[….] Dreimal habe ich die Rede des Papstes gelesen und mich geärgert. Über
den Papst, aber vor allem über mich. [….] Gründlich zu lesen ist also Journalistinnenpflicht. Aber um dieses
blamable Dokument zu verstehen, hätte auch ein einziger Lektüredurchgang
gereicht.
Das erste Drittel verbringt Franziskus dort, wo auch missbraucht wird:
in Familien und Sportvereinen, im Internet und an Sex-Tourismus-Destinationen.
Also im großen Anderswo. Dann kommt kurz der Machtmissbrauch in der Kirche zur
Sprache, wobei es missbrauchte Macht auch in anderen Formen gebe. Er nennt
Kindersoldaten und minderjährige Prostituierte. [….] In der Mitte der Rede sieht Franziskus die „Hand des Bösen“ am Werk.
Das muss das Gegenstück zur Hand Gottes sein, mit der Argentinien 1986
Fußball-Weltmeister wurde. Wobei diese Bemerkung schon in die Kategorie der
„ideologischen Polemiken und journalistischen Kalküle“ fällt, vor denen der
Papst zwischendurch schnell warnt.
Danach folgt ein Katalog katholischer Sensationen, die aber anderswo
Selbstverständlichkeiten genannt werden dürften: keine Vertuschung mehr,
weltliche Justiz, Prävention. Und nicht vergessen: Die Kirche selbst sei „mit
ihren treuen Töchtern und Söhnen“ auch Opfer. [….]
Nach 50 Jahren fällt Florin auf wie der Hase läuft. Schuld
haben immer die anderen und/oder der Teufel
[….] Ich bin auch Laiin und habe die
Anfang-Wichtiger-Schritt-Wendepunkt-Rhetorik satt. Ich habe es satt, dass
Betroffene wie Bittsteller behandelt werden, die auch noch dafür dankbar sein
sollen, dass sich wenigstens ein Kardinal in Rom ihrer erbarmt hat. Dass sie
draußen vor der Tür bleiben mussten. Wie seit Jahrzehnten. [….]
Die Laienorganisationen sind in Deutschland traditionell
schwach, devot und indolent. Das bedauern die Laien offiziell, aber in
Wahrheit ist es bequem. Denn so können sie jede Verantwortung auf die
übermächtigen Geistlichen abwälzen – auch wenn sie wie im Fall „Donum Vitae“
bis auf einen einzigen Bischof (Kamphaus) radikal frauenfeindlich agieren.
Nahles demonstriert es mustergültig: Myriaden Jungs von katholischen Geistlichen
vergewaltigt? Hunderttausende gequält und geschlagen? Macht ja nichts, wir sind
ja Laien und die Bischöfe reagieren nun mal langsam in einer 2000 Jahre alten
Institution.
[….] Warum, zum Teufel, geben wir diesem Laden immer wieder eine Chance?
Das fragen die Katholikinnen und Katholiken in meiner Facebook-Blase. Das frage
ich mich auch[….] „Warum bist du noch dabei?“, werde ich immer
häufiger gefragt. Ich stammle dann etwas von Nostalgie und Biografie. Aber
eigentlich denke ich ganz böse: Wir Geduldigen sind Komplizen. […..]
Hier kommt die der Sache schon näher. Es ist wie mit den
angeblich anständigen Republikanern, die nicht wagen gegen Trump zu stimmen.
Sie sind Enabler.
Seit 15 Jahren schwappen gewaltige
Missbrauchs-Veröffentlichungen durch die katholische Welt. Immer mehr Länder
melden Zehntausende Opfer. Aber die Geistlichen brauchen Zeit, weil
Sexualmoral, Zölibat, Homophobie und Frauenpriestertum nicht kurzfristig
einzuführen wären.
Das bedeutet aber, daß man sich damit abfindet, daß jeden
Tag weitere Kinder vergewaltigt werden.
Eins verschweigen auch die Laiinnen Nahles und Florin gern:
ZdK und Co sind in der Tat nicht so mächtig wie die Bischofskonferenz, aber auch
alle Geistlichen zusammen sind machtlos ohne die Laien.
Wenn die Laien austreten, nicht mehr ihre Kirche finanzieren
und nicht mehr zu den Gottesdiensten gehen, sind die Bischöfe erledigt und dann
wäre sofort Schluss mit dem Kindesmissbrauch und den Nonnenvergewaltigungen.
Die brutalen Verbrechen der Zölibatären im Kleid können nur
so lange geschehen, wie die Florins dieser Welt mitmachen und zahlende Mitglieder
bleiben.
Alle Katholiken sind mitschuldig. Ein Konzept, das ihnen ob
Gottes Erbsünde, mit der sie alle geboren sind, nicht unbekannt sein sollte.
Katholiken sind nicht nur durch Geburt mit Sünde befleckt, sondern
auch durch Kirchenmitgliedschaft Mitschuld am fortdauernden Kindesmissbrauch.
Nichtwissen taugt nicht mehr als Ausrede für eine RKK, die
auch nach dieser Konferenz in Rom gar nicht daran denkt die Liste mit den
pädophilen Priestern zu veröffentlichen oder ernsthaft etwas zu unternehmen,
damit weniger Kinderficker Priester werden.