Samstag, 14. Oktober 2017

Pacta sunt servanda



Erinnert sich noch jemand an Norbert Röttgen?
Den industrieaffinen CDU-Aufsteiger, der als Bundesminister so grottenschlecht war, daß er 2012 von seiner eigenen Parteichefin als Atom- und Umweltminister gefeuert wurde?
Seit 2014 ist Röttgen Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und trat in dieser Funktion gestern zusammen mit seinem amerikanischen GOPer Kollegen Francis Rooney bei CNNs „Amanpour“ auf.
Röttgen, der besseres Englisch als Jens Spahn spricht, ist dort ein gern gesehener Gast.
Rooney, 63, in Oklahoma geborener Milliardär, ehemaliger US-Botschafter im Vatikan, sitzt seit Januar für den 17. Wahlbezirk Floridas im US-Kongress.
 Neben dem fanatischen Trump-Fan und außenpolitischen Haudrauf wirkte Röttgen wie die Inkarnation der Vernunft, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und versuchte dem Amerikaner die Bedeutung von „Vertragstreue“ zu erklären.
Vergebens. Rooney posaunte hinaus, der Iran sei grundsätzlich terroristisch und die Iranischen Revolutionsgarden wären geradezu das Paradebeispiel einer terroristischen Organisation.
Wie sein Idol Trump scheint auch Rooney keine Ahnung davon zu haben, was er anrichtet.
So werden die konservativ-radikalen Kräfte im Iran gestärkt. So blockiert man Frieden und Annäherung, so macht man Transparenz und Zusammenarbeit unmöglich. Denn natürlich versteht der Iran es als Kriegserklärung, wenn seine Armee pauschal als Terrororganisation angesehen wird, da die Amerikaner Terrororganisation überall in der Welt bombardieren und mit Drohnen dezimieren.

Wieso sind nicht nur Trump, sondern offenbar auch erhebliche Kräfte im US-Kongress so wahnsinnig einen militärischen Konflikt mit dem Iran zu provozieren? Warum haben sie Interesse den Nahen Osten erneut zu entflammen? Weshalb wird nun tatsächlich mit martialischer Rhetorik am „Iran-Deal“ gerüttelt? Möchte jemand unbedingt einen Atomkrieg?

Um das zu verstehen muss man sich nur Trumps gestrigen Auftritt bei einem event hosted by the Family Research Council (FRC), a group that has been labeled a hate group by the Southern Poverty Law Center (SPLC) angucken.

Donald Trump to become first president to speak at anti-LGBT hate group's annual summit.
'Homosexual conduct is harmful to the persons who engage in it and to society at large, and can never be affirmed,' say summit's host. [….]


Trump ist sich der Power dieser Hass-Gruppen bewusst; sie haben ihn ins Amt gebracht.

Trump, der sich als politisch impotent erweisen hat, keins seiner Versprechen durchsetzen konnte, triggert aber seine Basis, indem er den gemeinsamen Hassobjekten einheizt. Er wettert gegen Immigranten und Muslime, will wider alle ökonomische Vernunft die Dreamers aus dem Land werfen, indem er DACA kündigt, steigt aus dem Klimaschutz aus, streicht Zuschüsse für die Krankenversicherung, will Naturschutzgebiete abschaffen und radikal verkleinern, lässt Transgenders (gegen den Willen der Armee-Führung) aus den US-Streitkräften werden und umwirbt Rassisten.

Der Rassismus ist der gemeinsame Nenner Trumps und seiner Fans. Sie können Schwarze einfach nicht leiden und hassen Barack Obama, weil der ein „Neger“ ist.

Wie besessen ist Trump daher darum bemüht alles aus den Geschichtsbüchern zu tilgen, das mit dem bösen „Negernamen“ Obama verbunden ist.
Klimaschutz, Obamacare, Pariser Abkommen, Iran-Deal – alles das mit Obama zusammenhängt muss weg.
Das erwarten die christlichen Rassisten seiner Basis von ihm.
Lieber riskiert Trump einen Weltkrieg als den Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA, vulgo „Obamas Iran-Deal“) in Kraft zu lassen.
Trumps zutiefst sadistische und psychopathische Persönlichkeit zwingt ihn dazu seinem Amtsvorgänger a posteriori maximal zu schaden; alles zu zertrümmern, das an Obama erinnert.
Trump ist dabei in der komfortablen Lage nicht an die Konsequenzen denken zu müssen, weil er schlicht und ergreifend zu dumm dazu ist.

[….]  Trump glaubt, Iran in die Schranken weisen zu müssen. Die Frage ist nur, ob dies durch mehr Konfrontation gelingt oder ob sich die Hardliner in Teheran nun nicht erst recht ermutigt fühlen, ihre Expansionsstrategie fortzusetzen. Schon meinen Iran-Experten, Trumps Konfrontationskurs sorge dafür, dass moderate und militante Kräfte in Iran wieder enger zusammenrücken würden.
[….] Eigentlich wollte Trump den Iran-Deal schon jetzt aufkündigen: Doch Trumps Berater, allen voran US-Außenminister Rex Tillerson, konnten ihm klarmachen, welch verheerende Folgen das hätte, da der 2015 von den USA, Russland, Frankreich, China, Deutschland und der EU mit Iran verhandelte Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) als Vertragswerk tief in die internationale Politik und Wirtschaft hineinreicht. Mit einem Ausstieg würden die USA eine gefährliche Kettenreaktion auslösen, den Nahen Osten destabilisieren - und sich als Verhandlungspartner diskreditieren. [….]

Trump hätte eben doch lieber „The Art Of The Groping“ statt „The Art Of A Deal“ schreiben lassen sollen, denn offensichtlich hat er nicht die geringste Ahnung was „ein Deal“ auf internationaler Ebene ist.

Regierungen wechseln. Das ist insbesondere in Demokratien nicht völlig ausgeschlossen.
Wenn Nachfolgeregierungen sich nicht an die internationalen Verpflichtungen ihrer Vorgänger halten, erübrigen sich alle zukünftigen Verträge.

Welche Nation sollte eigentlich noch ein Abkommen mit dem selbsternannten weltbesten „Dealmaker“ eingehen, wenn dieser selbst beweist, daß die USA kein verlässlicher Partner ist, daß sie nach Belieben ihre vertraglichen Verpflichtungen ignorieren.
Trump will aus NAFTA aussteigen, die USA hat sogar die UNESCO verlassen.
Also wozu sollte man überhaupt noch mit dieser USA verhandeln, wenn Amerika ohnehin nicht zu trauen ist und morgen schon etwas anderes gelten kann – je nachdem was der irre Trump gerade auf Info-Wars eingeflüstert bekommen hat?

[….][….] Mit seinem neuen Kurs erschwert Trump die Partnerschaft und Zusammenarbeit mit den anderen Staaten. Wieder einmal schert er in einer wichtigen Frage aus, isoliert sein Land. Im Gegensatz zu Trump finden die anderen Vertragspartner, dass Iran sich grundsätzlich an das Abkommen hält. Natürlich wissen auch sie, dass der Deal nicht perfekt ist, aber zumindest stellt es einigermaßen verlässlich sicher, dass Iran keine Atomwaffen baut. Das Hauptziel des Abkommens werde erreicht, weil es darum gehe, die Ausbreitung von Atomwaffen in der Region, aber auch weltweit zu verhindern, argumentieren Verantwortliche in Paris, Berlin und Brüssel. Wenn der Deal - oder Teile davon - nun infrage gestellt werden, könnte es schwieriger werden andere Länder (wie zum Beispiel Nordkorea) davon zu überzeugen, sich auf solche Abrüstungsverträge einzulassen. [….]

In seltener Einigkeit stellten sich gestern China, Russland, der Iran, Frankreich, England und Deutschland gegen Trumps Irrsinn.

[….] Donald Trumps neue Iran-Strategie sorgt in Europa für Aufregung. In einer gemeinsamen Erklärung haben sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien von Trumps Aussagen distanziert und sich für den Erhalt des Atomabkommens ausgesprochen. "Wir, die Staats- und Regierungschefs Frankreichs, Deutschlands und des Vereinigten Königreichs nehmen die Entscheidung von US-Präsident Trump zur Kenntnis, die Einhaltung des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPoA) durch den Iran nicht zu bestätigen", erklärten Angela Merkel, Emmanuel Macron und Theresa May am Freitagabend. "Wir sind besorgt angesichts der möglichen Folgen". [….]

Norbert Röttgen griff gestern den nüchternen Kommentar der EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini auf und verwies auf das Pacta sunt servanda, das eigentlich jeder Grundschüler begreift, das sogar Ferengi (Ein Vertrag ist ein Vertrag ist ein Vertrag) beherzigen, aber Trump ist selbst dafür zu borniert und ignorant.

Pacta sunt servanda (lat.; dt. Verträge sind einzuhalten) ist das Prinzip der Vertragstreue im öffentlichen und privaten Recht.
Es handelt sich um den wichtigsten Grundsatz des öffentlichen ebenso wie des privaten Vertragsrechts. Im deutschen Zivilrecht findet sich der allgemeine Grundsatz der Verpflichtung zur Erfüllung von Schuldverhältnissen – und damit auch von rechtswirksamen Übereinkünften – in § 241 Abs. 1 BGB. Eine der wichtigsten Ausgestaltungen dieses Grundsatzes findet sich unter anderem im Tatbestand von Treu und Glauben wieder, der in § 242 BGB geregelt ist. Der Grundsatz besagt, dass derjenige, der Verträge bricht, rechtswidrig/unerlaubt handelt. Des Weiteren gilt der Grundsatz der Vertragstreue kraft Völkergewohnheitsrechtes, in dem er bei dem Theorienstreit um die Frage der Verbindlichkeit internationaler Verträge besagt, dass nationale Gesetze keine Grundlage für die Nichteinhaltung sein dürfen. [….]

Der US-Präsident macht sich zudem täglich neue Feinde, weil er auch die anderen Vertragspartner, also EU, Russland und China, demütigt.
Trump reitet auch den Nordkorea-Konflikt in den Krieg.
Denn wieso sollte Kim Jong Un noch mit den USA verhandeln, wenn jetzt schon sicher ist, daß die USA vertragsbrüchig wird?
Wie immer gelten für die USA double standards. Was sich Trump herausnimmt, könnte sich kein anderes Staatsoberhaupt erlauben. Aber Amerika ist militärisch und ökonomisch (noch) so unfassbar mächtig, das es nicht fair und verlässlich sein muss, sondern eine Schande für die Weltgemeinschaft sein kann.

[…..] Der US-Präsident hat ein neues Projekt: einen Intelligenzvergleich mit seinem Außenminister Tillerson. Vielleicht sollte er das mal mit der EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini versuchen. Wie das ausgehen würde? "Das ist wirklich einfach", meint Koert Debeuf, Nahost-Experte in Brüssel, und schmunzelt.
[…..] Viel würde Mogherini ein IQ-Triumph allerdings nicht nützen, sollten die USA wirklich das Atomabkommen mit dem Iran aufkündigen. Dann hätte Trump die hohe Schule der Diplomatie endgültig abgewürgt, zugunsten atomarer Muskelspiele. […..] Die Kernkompetenz der Europäer, die Suche nach dem Kompromiss, wäre wirkungslos. Oder in den Worten eines anonymen EU-Diplomaten: "Die Botschaft wäre: 'Verhandelt nicht! Vor allem nicht mit dem Westen, der hält seine Zusagen sowieso nicht ein‘."
[…..] Wenn nun aber Trump und Co aus dem Deal aussteigen und neue Sanktionen gegen den Iran verhängen, die Europäer aber daran festhalten, ist ein wichtiger Aspekt der Nachkriegs-Weltordnung dahin: die Geschlossenheit des Westens. Experte Debeuf glaubt, die EU sollte auf keinen Fall kuschen und genau so weitermachen wie bisher. "Europa sollte mehr im Iran investieren. Das ist wichtig für Europas Glaubwürdigkeit und die Reformkräfte vor Ort." Stress mit Trump wäre natürlich programmiert, wahrscheinlich auch US-Sanktionen gegen europäische Firmen, die Geschäfte im Iran machen.
[…..] Nur so als Gedankenspiel: Die Amerikaner kündigen also den größten diplomatischen Erfolg der vergangenen Jahrzehnte auf - gleichzeitig ein nukleares Abrüstungsabkommen, das funktioniert - und niemand nimmt sie daraufhin mehr ernst. Die Europäer auf der anderen Seite sind der alleinige Garant von Stabilität, Integrität und Glaubwürdigkeit. Das gibt mit Sicherheit viel Applaus und Lippenbekenntnisse aus aller Welt. Die harte Realität sieht aber anders aus. Jamsheed Faroughi, DW-Farsi-Redaktion: "Hinter verschlossenen Türen im Iran glaubt niemand, dass die Europäer ohne Mitwirkung der USA irgendwas bewirken können." Ohne die, auch militärische, Macht der USA an ihrer Seite, sind die Verhandlungskünste der EU deutlich weniger wert. [….]