Samstag, 21. Mai 2016

Bei den Schwatten bleiben.



Angela Merkel wird viel zu viel strategische Kraft zugeschrieben.
Daß sie einer Schwarzen Witwe gleich ihre Koalitionspartner wegschrumpft, stimmt zwar, wenn man sich die Zahlen ansieht, aber das liegt nicht an der beeindruckenden Strahlkraft der Kanzlerin.

Im Gegenteil, Merkel hält sich zurück, setzt kaum Unions-Kernanliegen durch und gibt bis heute nicht die Richtung vor.

Ein starker und kompetenter Koalitionspartner wäre in der Lage die Kanzlerin zu dominieren und demontieren.
Zufällig hatte sie aber immer Partner, die noch schwächer oder mit sich selbst beschäftigt waren.
2005 konnte die SPD ihr Glück nicht fassen überhaupt noch mal in die Regierung gewählt worden zu sein und versuchte aus lauter Dankbarkeit still und unauffällig zu wirken. 2009 waren Westerwelles Mannen so berauscht von ihren fast 15%, daß sie ganz vergaßen überhaupt kein Regierungskonzept zu haben.
Sie waren eine Einthemenpartei – „Steuersenkungen!“ – und als sie dies nicht durchdrücken konnten (außer für ihren Großspender, den Hotelier Baron von Finck) machten sie eben als Nullthemenpartei weiter.
Noch dazu mit außerordentlich schwachem Personal; Rösler, Niebel und Westerwelle in ihnen thematisch völlig fremden Ressorts.
Merkel tat – wieder einmal – nichts. Sie wartete einfach ab, bis sich die FDP selbst demontierte.
2013 bekam sie es wieder mit einem übermäßig dankbaren Partner zu tun. Um ein Haar hätte sie die absolute Mehrheit erreicht, aber zu ihrer großen Freude reichte es knapp nicht. Denn in einer CDU/CSU-Alleinregierung wäre es auf jeden Abgeordneten angekommen, Seehofer hätte sie anders als jetzt wirksam erpressen können und gegenüber der unzufriedenen Basis hätte sie Fehler nicht auf den Koalitionspartner abschieben können.
Mit ihrer Riesenmehrheit von 2013 ist alles so einfach; da kann man sich auch Pfeifen ohne Geschäftsbereich wie Alexander Dobrindt leisten.
Gabriels Sozis waren zudem nach der anstrengenden Basisbefragung über die GroKo wieder einmal so erfreut überhaupt ein paar Posten zu bekommen, daß sie devot und still ihre eigenen kleinen Projektchen durchzogen – Rente mit 63, Mindestlohn – ohne bei der Tagespolitik, oder gar der großen internationalen Politik zu stören.
Sehr schwaches SPD-Personal wie Andrea Nahles und Manuela Schwesig war eine weitere Hilfe für Merkel, der auch in ihrem elften Regierungsjahr durch Schweigen und Aussitzen die Herzen der Wähler zufliegen.

Das alles wäre kaum möglich, wenn gestandene Typen wie Helmut Schmidt, Gerd Schröder, Ralf Stegner, Kart Lauterbach oder auch Lafontaine als Minister in an ihrem Tisch säßen.
Die könnten Kompetenzen und Aufmerksamkeit an sich ziehen und Merkel damit als tatenlose Ratlose enttarnen.
Merkel fehlen aber diese Alphamännchen wie zum Beispiel auch Joschka Fischer und Jürgen Trittin, die ihr die Butter vom Brot nehmen könnten.
Es gibt nur Typen wie Dobrindt, die das Alphamännchen-Gehabe simulieren, die aber nicht ernst genommen werden und somit keine Gefahr darstellen.

Die Kanzlerin hat ein geradezu unverschämtes Glück.
Sie kam ins Amt, nachdem die extrem unpopulären, aber notwendigen Reformen gerade durchgeführt waren und konnte die Früchte genießen.
Durch so einen glücklichen Zufall war sie schon CDU-Vorsitzende geworden; eine einmalige Konstellation aus Machtverlust und Spendenskandal schaffte das Vakuum, in das Merkel nur eintreten mußte.
Und selbstverständlich ist es auch nicht Merkels strategischem Geschick zu verdanken, daß sie den Andenpakt kaltstellte, sondern ihre Herkunft erwies sich wieder einmal als Glück. Ihre Finger waren nicht im Flick-Spendensumpf schmierig geworden und ihre sogenannten Gegenspieler  - die mächtigen Ministerpräsidenten Wulff und Oettinger – waren eher luftige Soufflees, wie wir bald sehen konnten, als sie in Bellevue und Brüssel sang und klanglos in sich zusammenfielen.
Da gab es in den vorherigen Jahrzehnten ganz andere CDU-Kaliber, die nicht von allein in sich zusammengesackt wären.

Und nun also Gabriel.
Es ist ja alles gesagt. Wieder so ein Glück für Merkel. Die SPD streitet mit sich selbst, lenkt ihr Feuer auf den eigenen Vorsitzenden und stellt Merkel nicht.

Ohne Not schwenkte Gabriel bei TTIP, Vorratsdatenspeicherung oder der ultraschwachsinnigen PKW-Prämie auf CDU-Kurs ein.
Dabei wären die Themen geradezu prädestiniert gewesen, um sich gegen die CDU/CSU zu profilieren und ein paar Punkte beim Wahlvolk zu sammeln.

Warum ist es der CDU-Mann Lammert, der den Türkeideal hart kritisiert? Hätten nicht längst die SPD-Minister dem Türkeikurs Merkels und de Maizières Contra geben müssen?

Immerhin, in der Böhmermann-Causa gab es ein Nein der SPD-Minister zur §103-Entscheidung der Kanzlerin.
Gemerkt hat es aber keiner.
Wieso sind Maas, Hendricks, Nahles, Steinmeier, Schwesig und Gabriel nicht anschließend durch die Talkshows gezogen, um ein riesiges Fass aufzumachen?

Nun bietet sich beim Waffenexport wieder so eine Gelegenheit.

Das Hinrichtungs- und Scharia-Land Saudi-Arabien, das gerade eine Art Genozid an den Huthi durchführt, will mehr Waffen aus Deutschland.
An die 10.000 Tote, Millionen Vertriebene produzierte das Königreich schon im Jemen.
Andere EU-Staaten wie zB die Niederlande beschlossen daraufhin ein totales Waffenexportverbot nach Saudi-Arabien.

Die fromme christliche Kanzlerin will aber unbedingt noch mehr Waffen an die Schlächter in Riad schicken.

In der parteipolitischen Lage der SPD müßten jetzt eigentich die Sektkorken knallen.
Hurra, endlich ein Thema, bei dem die Sozis hart gegen die Kanzlerin und die CDU Position beziehen könnten.
Noch dazu sind Waffenexporte beim Wahlvolk extrem unpopulär; so könnte man also Zustimmung zur SPD generieren.

Aber statt der parteitaktischen Freude, die echte SPD-Schlachtrösser jetzt empfänden, herrscht wieder einmal bloß weinerliche Stimmung.

Krise in der Koalition. SPD in der Zwickmühle, wird die Kanzlerin womöglich böse und überstimmt die SPD-Minister?

NA HOFFENTLICH, Ihr SPD-Schwachköpfe.
Das ist Politik. Und dann müßt Ihr Rückgrat beweisen und sagen wieso Ihr strikt dagegen seid.

    Die Waffenexporte von Deutschland nach Saudi-Arabien sorgt für Konflikte innerhalb der Bundesregierung.
    Bundeskanzlerin Merkel plädiert im Hinblick auf Saudi-Arabien für eine großzügige Exportpolitik. Vizekanzler Gabriel leistet Widerstand, könnte aber überstimmt werden.
    Der Waffenhersteller Heckler & Koch will die Regierung per Urteil zur Erteilung der Ausfuhrgenehmigung für Bauteile des Sturmgewehrs G36 zwingen.

Bemerkenswert ist in dem Zusammenhang wie der Urnenpöbel urteilt.
Während sich Gabriel immerhin überhaupt gegen Waffenlieferungen stemmt und schon einiges verhindern konnte, ist Außenminister Steinmeier ein Freund von Waffenexporten.
Laut des neuesten ARD-Politbarometers liegt ausgerechnet Steinmeier in der Beliebtheit meilenweit vor Gabriel.

Die Deutschen bevorzugen einer Umfrage zufolge Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) als Kanzlerkandidaten der Sozialdemokraten. Dem am Freitag veröffentlichten Deutschlandtrend des ARD-Morgenmagazins zufolge halten 58 Prozent der Befragten Steinmeier für einen guten SPD-Spitzenkandidaten. Dagegen finden nur 31 Prozent, dass SPD-Parteichef Sigmar Gabriel die richtige Wahl sei.  […] Unter SPD-Anhängern können sich der Umfrage zufolge 69 Prozent Steinmeier als Kanzlerkandidaten vorstellen. Gabriel kam auf 43 Prozent. […]

Die großen Waffenexportfans sind also beim Volk deutlich beliebter als der einzige, der sich im Bundessicherheitsrat überhaupt dagegen ausspricht.

[…] Obwohl Saudi-Arabien in einen Krieg in Jemen verstrickt ist, plädiert die Kanzlerin für eine aus Sicht der Kritiker eher großzügige Exportpolitik. […] Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sehen dies angeblich so. Doch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) leistet Widerstand - auch wenn er von der Opposition hart für jene Fälle kritisiert wird, in denen er entgegen seiner Ankündigungen doch Rüstungsexporte in den arabischen Raum genehmigte. Gabriel könnte überstimmt werden. […] In einer Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion kam es kürzlich zu einem Disput zwischen Außenminister Frank-Walter Steinmeier und dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und Außenpolitiker Rolf Mützenich. Zunächst lobte Steinmeier vor den Abgeordneten Fortschritte, die in Saudi-Arabien gemacht würden, und machte kenntlich, dass er jedenfalls den Export der Patrouillenboote für vertretbar hält. Mützenich widersprach entschieden.
Und Gabriel? Der ist dem Vernehmen nach entschlossen, den Export aufzuhalten. […]

Doofe Sozis. Doofer Urnenpöbel.

In dieser Frage preschen ausgerechnet die größten CDU-Fans, die Grünen vor und sagen das was man sagen muß.

Zur anstehenden Genehmigungsentscheidung über die Lieferung von Patrouillenbooten an Saudi-Arabien erklärt Agnieszka Brugger, Sprecherin für Sicherheitspolitik und Abrüstung:
[…]  Die SPD darf sich nicht schon wieder die zynische Rüstungsexportpolitik der Union diktieren lassen und erneut einknicken.
Die Patrouillenboote sind keine harmlosen Bötchen, sondern gefährliche Kriegswaffen. Eine Genehmigung dieses Exports wäre verantwortungslos. Dafür ist nicht nur die gegenwärtige völkerrechtswidrige saudi-arabische Seeblockade gegen die Menschen im Jemen ein schrecklicher Beweis. Saudi-Arabien trägt auf gewaltsame Weise in einer der krisenreichsten Regionen der Welt zu mehr Unsicherheit und Eskalation bei und verletzt permanent grundlegend die Menschenrechte.
Wer mehr Verantwortung in der Welt übernehmen will, muss Menschenrechte, Frieden und Sicherheit und nicht die Profitgier der Rüstungsunternehmen oder das Hochrüsten von Kriegsparteien zu seiner außenpolitischen Maxime machen. Der Bundessicherheitsrat muss diesen Waffen-Deal stoppen und endlich alle Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien beenden. […]
 (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, 21. Mai 2016)