Donnerstag, 21. April 2022

Ein bedauerlicher Abschied.

Wenn die Symbolfigur des linken Grünenflügels, die langhaarige vollbärtige Reinkarnation der strickenden radikalen Pazifisten aus der 80er-Jahre Grünen Bundestagsfraktion; die eigene grüne Außenministerin kritisiert, die ihrerseits dafür plädiert, schwere Waffen der Bundeswehr in ein Kriegsgebiet zu liefern, weil ihm das noch nicht kriegerisch genug ist und er noch mehr und schneller deutsche Waffen hinaus in die Welt schicken will, wissen wir: Es war nicht übertrieben, als Olaf Scholz von einer „Zeitenwende“ sprach.

[…] Ex-Fraktionschef als Regierungskritiker: Was ist bloß mit Anton Hofreiter los?

Der grüne Ex-Fraktionschef Hofreiter wurde kein Minister – dafür aber einer der schärfsten Regierungskritiker im Streit um Waffenlieferungen. Was wie Rachelust aussieht, könnte auch Beinfreiheit sein – oder beides. [….]

(Jonas Schaible, 21.04.2022)

Unbestreitbar hat sich das außenpolitische, geostrategische Umfeld in der Tat massiv verändert, so daß alle Parteien ihre Positionen überdenken mussten. Das eben noch unaussprechbar Radikale, wirkt nun wie ein noch zu lahmer Konsens.

Die Grünen forcieren nun also Waffenexporte. Die Begründung dafür überzeugt weitgehend, aber ich wünsche mir doch gerade bei den Grünen etwas mehr Nachdenklichkeit, ein paar mehr Bauchschmerzen.

[…] Es war gut, dass die Grünen einst über Kriegseinsätze stritten. Und es ist furchterregend, wie sie und ihr Milieu es nicht mehr tun. Wann wird in diesem Land wieder in alle Richtungen argumentiert? […]

(Essay von Hilmar Klute, 21.04.2022)

Dies könnte eine Sternstunde der intellektuellen Debatte zwischen den Parteien sein. Stattdessen verzwergt sich die Opposition selbst.

Die rechtsradikale Putin-affine AfD bleibt die Schande Deutschlands, CDU und CSU attackieren die SPD für die Verteidigungspolitik der letzten 16 Jahre, können sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, zu welchen Parteien die Verteidigungsminister seit 2005 gehörten, oder welches Parteibuch im Bundeskanzleramt die Richtlinien der Politik vorgab. Stattdessen gibt sich Oppositionsführer Merz intellektuell hoffnungslos überfordert, kann ganz offensichtlich gar nicht erfassen, in welchem gewaltigen Multi-Schlamassel Europa gerade steckt. Ihn interessiert offenkundig nur, der SPD zu schaden, um kleine parteitaktische Vorteile zu erreichen. Der Mann gehört in ein Kommunalparlament der tiefsten Provinz. Das entspricht seinem geistigen Horizont.

Damit bleibt eigentlich nur die Linke als relevante Opposition übrig.

Die Rolle sollte ihr auf den Leib geschneidert sein, da sie sich als internationalistisch und pazifistisch versteht – also genau auf den Positionen sitzt, welche die Grünen gerade aufgegeben haben. Außerdem waren die Ost-Linken habituell Russland-affiner. Viele sprechen sogar russisch, haben sehr bewußt erlebt, was es bedeutet unter Moskaus Einfluss zu leben.

Nach dem 4,9%-Debakel der Bundestagswahl 2021, sind sie in der neuen Realität also prädestiniert, die politische Debatte zu prägen. Den enorm vielen Menschen, die sich bei der militarisierten Außenpolitik unwohl fühlen, eine Stimme geben. Sie könnten erklären und artikulieren, wie politische Ethik in dieser Situation auszusehen hat.

Aber das alles sind Konjunktiv-Sätze. In der Realität sind die Linken ein Totalausfall. In ihrer westdeutschen Herzkammer Saarland setzte sich vor vier Wochen das Desaster fort. Nach 12,8% (2017), 16,1% (2012) und 21,3% (2009) stürzte die Linke bei der Wahl im Saarland auf 2,6% in die Bedeutungslosigkeit.

Maßgeblich zu verdanken ist die Saar-Katastrophe dem destruktiven, völkischen Covidioten-Paar Sahra und Oskar.

Er verließ die Linke inzwischen, aber Sahra Sarrazin talibanisiert die Reste ihrer Partei, deren Führung nicht die Kraft findet, sich von der Querfront-Parasitin zu trennen. Die Partei liegt im Koma. Die AfD-affine Talkshow-Diva fühlt sich sicher, da ihr mindestens ein halbes Dutzend Bundestagsfraktionsmitglieder so treu ergeben sind, daß sie die Partei bei einem Wagenknecht-Rauswurf sofort ebenfalls verließen.

Obwohl die Linke unter 5% blieb, stellt sie aufgrund der drei-Direktmandate-Sonderregelung eine Bundestagsfraktion mit 39 Mitgliedern. Noch. Denn die Mindestfraktionsstärke liegt bei 36 Mandaten.  Flöge Wagenknecht raus, müssten ihr nur drei weitere Mitglieder folgen und sofort wären sämtliche Fraktionsrechte und Fraktionsfinanzierungen dahin.

Nach der Kapitulation der langjährigen Parteichefin Katja Kipping, die als Senatorin in die Berliner Exekutive wechselte, konnten die beiden Trümmerfrauen Hennig-Wellsow und Wissler nie überzeugen. Es ging kontinuierlich bergab, bis nach dem Dutzendfachen Sex-Belästigungsskandal im damaligen Wissler-Verantwortungsbereich Hessen, die Thüringer Reala auch hinwarf, weil sie offenbar keine Hoffnung mehr für ihre Partei hat. Susanne Hennig-Wellsow gibt auf.

[….] Als die Linke im vergangenen Herbst gerade so noch in den Bundestag kam, hieß es: Alles muss auf den Prüfstand. Es wurde viel Papier beschrieben, aber es blieben die gleichen Leute vorn. Zwei von ihnen hatten ja auch gerade erst angefangen und sollten für den Neuanfang stehen, eben die Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler. Bald war das Gefühl da, dass man doch jetzt angreifen könne. Die Ampelkoalition wäre eigentlich ein Geschenk für die Linke, sagen viele, neben dieser SPD und den Grünen sei links viel Platz. Doch statt das Vakuum zu füllen, werden Wähler mit oft persönlich geführten Konflikten und Kakofonie grundverschiedener Ansichten zu zentralen Themen verprellt. So war es bei Corona und der Impfpflicht, dann griff Putin die Ukraine an, und die Linke rang um ihren Kurs gegenüber dem Autokraten im Kreml - wieder negative Schlagzeilen. Einigen gehe es darum, maximalen Schaden anzurichten, beobachtet jemand aus der Spitze. Gemeint sind frühere Größen wie Oskar Lafontaine [….]

(SZ, 21.04.2022)

Es wirkt wie ein Schildbürgerstreich, denn Janine Wissler ist diejenige, die zu allererst hätte zurücktreten müssen. In ihrem Bereich spielten sich die Sexskandale ab. Ein Hauptbeschuldigter war ihr Ex-Lebensgefährte. Wissler machte es aber wie Woelki; sie schützte den Täter und ließ die Opfer im Regen stehen.

[….] Die Partei sieht sich derzeit mit Sexismus-Vorwürfen konfrontiert, welche die hessische Linke betreffen. Der "Spiegel" hatte berichtet, dort sei es über Jahre hinweg zu sexuellen Übergriffen gekommen. Zu den Beschuldigten soll demnach auch der ehemalige Lebensgefährte von Parteichefin Wissler gehört haben. Deren Kollegin Hennig-Wellsow begründete ihren Rücktritt unter anderem damit, dass der "Umgang mit Sexismus in den eigenen Reihen eklatante Defizite unserer Partei offen gelegt" habe.  [….]

(STERN, 21.04.2022)

Ebenfalls wie Woelki, findet sie sich selbst dabei ganz fabelhaft und will an ihrem Posten festkleben.

[….] Die Linke steht nach dem Rücktritt von Hennig-Wellsow vor einem Scherbenhaufen. Co-Chefin Wissler will vorerst im Amt bleiben. [….]

(Tagesschau, 21.04.2022)

Ohne jeden Sarkasmus; ich bedauere den Ausfall und die mögliche Auflösung der Linkpartei außerordentlich. Sie wird programmatisch und intellektuell gebraucht.

Aber wer an Sahra Sarrazin und der Sextäter-Lebensgefährtin Wissler festhält und stattdessen Hennig-Wellsow gehen lässt, hat es nicht verdient zu überleben.

[….]  Richtung Abgrund. [….]  Stattdessen ist ihre Malaise inzwischen so groß wie noch nie. Ohne Zweifel befindet sich die Linkspartei in einer Existenzkrise. Es brennt an allen Ecken und Enden. Nach der 2,6-Prozent-Pleite bei der Landtagswahl im Saarland drohen Mitte Mai in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen die nächsten Desaster. Auch für die Wahl in Niedersachsen im Herbst sieht es düster aus. Im Westen könnte die Linke bald wieder Splitterpartei sein. Das erinnert an alte PDS-Zeiten – von denen im Osten hingegen nur noch geträumt werden kann. […]

(Pascal Beucker, taz, 21.04.2022)