Der Rest der Republik hat es da schon schwerer. Ich zum Beispiel fühle mich als atheistischer Sozi-Hamburger in vieler Hinsicht maximal von Söder entfernt, schäme mich aber dennoch mit, wenn der stellvertretende Ministerpräsident Bayerns öffentlich auftritt und die düstersten und debilsten Aspekte Deutschlands allesamt in seiner Person vereinigt: Provinziell, bösartig, häßlich, missgünstig, hasserfüllt, rassistisch, verlogen, grotesk, populistisch, völkisch, antiintellektuell, besserwisserisch, unterkomplex, amoralisch, tumb. Von seriöser Regierungsarbeit hält Hubsi gar nichts. Sein Amt als Vize-Regierungschef versteht er als Wadenbeißer. Als solcher tourt er durch die mit volltrunkenen Rechtsextremen gefüllten Bierzelte, verbreitet Schwurbelein und stachelt ihren Hass an. Kommt er ausnahmsweise doch einmal mit der Realität in Kontakt, indem er beispielsweise außerhalb Bayerns von Vertretern der überregionalen Presse gefragt wird, spielt er bockig und weigert sich, Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Er sucht sich lieber seine alternativen Fakten im Internet.
[…..] Hubert »daran kann ich mich nicht mehr erinnern« Aiwanger, immerhin Bayerischer Vize-Ministerpräsident und Chef der Freien Wähler, konnte sich in einer Talkshow ebenfalls nicht dazu durchringen, die Blockade am Fähranleger in Schlüttsiel zu verurteilen. Obwohl sie manche Betroffene in Angst versetzte, einen Polizeieinsatz inklusive Pfefferspray erforderlich machte und die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen hat.
Er sei ja »nicht dabei gewesen«, sagte Aiwanger bei Sandra Maischberger, aber die Bauern, die dabei gewesen seien, fänden »es war nicht so«. Man kann sich das Ganze als Video ansehen, inklusive eines Gesprächsangebots von Habeck, aber Aiwanger hat das offenbar nur sehr punktuell getan. Für etwas anderes hatte er aber Zeit: Er habe »den 17-minütigen Bericht des Landwirts, der mit dem Vollbart, ich weiß nicht, wie der heißt« gesehen, der diese Aktion »wohl angeführt« habe. Wo? »Im Internet.«
Mittlerweile scheint nach Recherchen der »Zeit« – sie erschienen lang vor Merz Stellungnahme – klar: Zumindest angestoßen hatten die Aktion in Schlüttsiel wohl Rechtsradikale: »Es geht um eine Frau, die für die AfD bei einer Wahl antrat und offenbar der Verschwörungsideologie der QAnon-Bewegung anhängt.«
Wenn auch gewählte Amtsträgerinnen und Amtsträger wie Aiwanger in die Parallelrealitäten »im Internet« abgleiten, hat dieses Land ein sehr ernsthaftes Problem. […..]
(Prof. Christian Stöcker, SPON, 14.01.2024)
Wie man seine Anhänger gegen die seriöse Presse aufwiegelt, hat sich Hubsi bei seinem Idol Donald Trump abgeguckt. Der niederbayerische Bierzelt-Hetzer leistet dabei ganze Arbeit und bricht immer mehr Bürger aus dem Boden der Verfassung.
[….] Im Bayern-Wahlkampf musste ich erleben, dass Journalisten kaum noch neutrale Berichterstattung zugetraut wird – und wie Politiker gezielt das Misstrauen schürten. [….] Die Frau wollte etwas loswerden. Sie stand wie ich in einer Gruppe von Menschen, die im Bierzelt von Hohenwart, Oberbayern, auf Hubert Aiwanger warteten. Der hatte gerade seine Rede beendet und winkte im schweißnassen Hemd von der Bühne ins johlende Publikum.
Was mich von den umstehenden Aiwanger-Fans unterschied: der Block in der Hand und der gezückte Stift, schließlich wollte ich den Chef der Freien Wähler noch befragen. Das war der Frau irgendwie verdächtig. »Auf was lauert’s ihr eigentlich?«, fragte sie mich. Ich erklärte, dass ich vom SPIEGEL sei und es zu meinem Job gehöre, Politikerreden anzuhören, auch in Bierzelten. Sie insistierte: »Hinter wem seid’s ihr her?«
Ich antwortete, dass ich beobachten wolle, wie Aiwanger bei seinem Publikum ankomme nach der Flugblattaffäre. Und sie könne mir gerne ihre Meinung mitteilen, auch dazu sei ich ja hier. Doch die Frau winkte ab, und dann kam auch schon Aiwanger herunter zum Händeschütteln und für Selfies.
Ähnliches ist mir im Bierzelt der CSU auf dem Gillamoos-Volksfest passiert, da fasste mich im Gang ein Mann am Arm: »Ich sag’ dir mal, was die Wahrheit ist.« Gerne, erwiderte ich, aber er stolperte in Richtung Zeltausgang, offensichtlich betrunken.
Mich bedrückt, dass uns die Menschen keinen objektiven Blick mehr zutrauen. Berichterstattung muss sich immer selbst hinterfragen, klar, und über allem steht die journalistische Pflicht, viele Fakten und Meinungen einzuholen.
Aber Politiker haben in diesem Wahlkampf doch viel Quatsch über die Presse erzählt und Skepsis gesät. [….] Aiwanger bezeichnete die Berichterstattung über ihn als »Kampagne« und sagte in einem offiziellen Statement: »Ich habe den Eindruck, ich soll politisch und persönlich fertig gemacht werden.« [….]
(Jan Friedmann, 28.12.2023, DER SPIEGEL 1/2024)
Ja, ein AfD-Verbot ist überfällig.
Aber Hetz-Hubsi ist kaum weniger gefährlich.