Sonntag, 10. August 2014

Macht es mir doch nicht so schwer!


Gerade heute Morgen verteidigte ich noch den SPIEGEL lautstark gegen einen jungen Twen, der das Blatt und Bausch und Bogen ablehnt.
Die ganz harschen Urteile gegen das alte Nachrichtenmagazin kommen wie üblich von denjenigen, die den SPIEGEL sowieso nicht lesen.
Solche Leute nehmen den grauenhaft misslungenen Putin-Titel wahr und bestätigen damit ihr negatives Pauschalurteil.
Diese Menschen verwechseln SPIEGEL und SPON, die in Wahrheit zwei unterschiedliche Redaktionen sind und extrapolieren auf den gesamten Heftinhalt.
Dabei ist schon SPON ziemlich heterogen – da gibt es beklagenswerterweise Jan Fleischhauer, aber der ist nur einer von sechs Kolumnisten. Jakob Augstein, Sascha Lobo, Wolfgang Münchau, Sibylle Berg, Jan Fleischhauer und Georg Diez.
Die ersten vier von ihnen kann man keineswegs als „rechts“ oder „neoliberal“ bezeichnen. Sie nehmen die Bundesregierung und insbesondere die CDU-Kanzlerin gewaltig unter Feuer.
In jedem SPIEGEL-Heft stehen hundert Artikel und davon sind eben einige richtig gut, informativ und auch nicht ohne weiteres online zu finden.
Doch, der SPIEGEL ist schon immer noch das führende Nachrichtenmagazin Deutschland. Ohne ihn kann man nicht auskommen.
So tönte ich heute Morgen.
Und dann kam das SPIEGEL-epaper der morgen erscheinenden Ausgabe und was muß ich da sehen??
DREI Seiten Interview mit Frau Käßmann!
Die Käßmannsche, die Blitzbirne unter den Bischöfen, der Totalausfall der Theologie!
Jungs und Mädels vom SPIEGEL – warum tut Ihr mir das an?
Wie soll ich Euch verteidigen gegen den Vorwurf auf BILD-Niveau abzurutschen, wenn Ihr Euch dann die BILD-Kolumnistin und bekannte Denk-Abstinenzlerin als Interview-Partner holt?
Und wieso überhaupt? Plappermäulchen ist doch ohnehin omnipräsent auf allen TV-Kanälen, wöchentlich bei der BILD und kürzlich noch in der SZ.
Wer kommt auf die sagenhaft schwachsinnige Idee ihr schon wieder ein Forum zu bieten?
Wenn ich es ganz positiv ausdrücken sollte, würde ich mutmaßen, daß man sie entlarven wollte, indem man ihr „Nichts ist gut in Afghanistan-Gewäsch“ als solches dismantelt und sie für ihre Naivität über das Beten mit den Taliban auslacht.
Aber dafür braucht man doch nicht den SPIEGEL!
Das ist schon allein in diesem Blog seit Jahren dutzendfach passiert und nun wärmt das Nachrichtenmagazin Nr. 1 in Europa diese uralte Restesuppe noch mal auf?

Das Interview bringt das zu Erwartende: Käßmann outet sich als desinformierter Naivling, der zur Lösung aktueller Probleme so viel beiträgt wie eine Packung Immodium Akut bei Verstopfungen.

Zugegeben, den Spiegel-Redakteuren René Pfister und Christiane Hoffmann gelingt es durchaus, Käßmann als Deppin hinzustellen.

Käßmann: Können Sie mir nur einen Krieg in den letzten 60 Jahren nennen, den man mit vernünftigen Gründen rechtfertigen kann?
 SPIEGEL: Uns fallen vor allem Beispiele dafür ein, dass die Völkergemeinschaft durch ihr Wegsehen Massenmord zugelassen hat. 1994 zum Beispiel, als die Hutu in Ruanda mindestens 800000 Tutsi und gemäßigte Hutu töteten. Oder 1995 in Srebrenica, als die Serben eine Uno-Schutzzone überrannten und ein Massaker unter den bosnischen Muslimen anrichteten.
Käßmann: Es ist interessant, dass Sie immer vom Ende her denken, wenn es keine gewaltfreie Lösung mehr zu geben scheint. Heute existieren viele Friedensforschungsinstitute, die Strategien entwickelt haben, um Konflikte zu vermeiden oder zu schlichten. Man muss es eben nur wollen. Aber am Willen hapert es. [….]
SPIEGEL: Ihre Theorie setzt voraus, dass Menschen immer friedfertigen Argumenten zugänglich sind. Möglicherweise ist das bei Massenmördern wie Hitler oder Pol Pot nicht der Fall.
 Käßmann: Das mag so sein. Aber mich faszinieren Menschen, die es wagen, nicht mit Waffengewalt zurückzuschlagen. „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem“, heißt es in der Bibel.
SPIEGEL: Auf einem Kirchentag mögen sich Konflikte mit Sinnsprüchen aus der Bibel lösen lassen, in der realen Welt leider nicht. […]
Wenn Ihnen das Militärische so suspekt ist, wie sehen Sie dann die Institution des evangelischen Militärbischofs, der den Soldaten im Kampf den Segen erteilt?
Käßmann: Ich halte den Begriff Militärbischof nicht für glücklich, und viele Pfarrer im Osten fanden es befremdlich, dass sich ein Bischof eigens um die Soldaten kümmern soll. [….] Die evangelische Kirche hat insgesamt sieben Kriterien aufgestellt, die erfüllt sein müssen, damit ein Einsatz gerechtfertigt ist. So muss zum Beispiel unter allen Umständen dafür gesorgt werden, dass Zivilisten geschont werden. […]
SPIEGEL: Damit hätten der Krieg der Alliierten gegen Hitler und der Einsatz der Nato im Kosovo nicht stattfinden dürfen. Bei beiden kamen Zivilisten zu schaden, und im Kosovo gab es kein Uno-Mandat. Wäre es nicht ehrlicher von Ihnen zu sagen: Ich bin ganz gegen Kriegseinsätze, ohne diese rhetorischen Verrenkungen? […]
Käßmann: Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat einmal gesagt, Leute mit Visionen sollten zum Arzt gehen. Aber ich finde die biblische Vision vom Frieden wunderbar. Friede und Gerechtigkeit werden sich küssen, heißt es in der Bibel. Was für ein schönes Bild!
(Der Spiegel 11.08.14, s.23 f)

Allerdings ist es unerklärlich wieso Pfister und Hoffmann die Ex-Bischöfin mit „Friede und Gerechtigkeit“-Sprüchen davon kommen lassen, ohne zu fragen, wie eigentlich ohne Militär verhindert werden soll, daß IS-Truppen Jesiden, Kurden und Christen massakrieren.

Die größere Frage ist aber wozu man überhaupt ein Interview mit ihr führt. Ihre platten Sprüche kann doch ohnehin schon jeder singen.
Da ist das Hamburger Abendblatt aus dem SPRINGER-Konzern mit seiner unerträglichen Lobhudelei auf den kriegsfreundlicheren Gauck noch Gold.
Abla-Redakteur Edgar S. Hasse schrieb gerade letzte Woche deutlich auf wie weit es mit dem Pazifismus der Evangelischen Kirche her ist.

[…] In jenen Augusttagen vor 100 Jahren, als der Erste Weltkrieg mit dem Einmarsch in Luxemburg und Belgien begann, stand das deutsche Volk nahezu geschlossen hinter dem preußisch-protestantischen Monarchen Wilhelm II. Dieser verkündete in seiner Kriegserklärung: "Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war."
Während die Kunde der Mobilmachung wie ein "leuchtender Blitz das Dunkel erhellte" ("Berliner Tageblatt", 2.8.1914) und "Ergriffenheit" die Seelen der Menschen erfasste, sah auch der Hamburger Michel-Hauptpastor August Wilhelm Hunzinger seine Chance gekommen. […] Seine Worte, die Mut für den Kriegseinsatz machten, aber nicht für den Frieden. "Wer Gott zum Trotz hat, der wird siegen", ermutigte er die Gemeinde von der barocken Michel-Kanzel herab. "Germania, lass dich bitten, lass dich beschwören, niemals, was auch kommen mag, von diesem Trotz zu lassen."
[…] "Der Krieg hatte der christlichen Botschaft, gleichsam auf dem Rücken der nationalen Gesinnung, neue Geltung verschafft", betont der Tübinger Historiker Dietrich Beyrau. Der Krieg, schreibt der Kirchenhistoriker Gerhard Besier in der Zeitschrift "Zeitzeichen", "wurde von allen Seiten, wenn auch unterschiedlich intensiv, als eine Art Kreuzzug interpretiert – aus der Sicht Deutschlands für die christlich-deutsche Kultur und gegen den sittlich-moralischen Verfall des Westens". […] In jenen Augusttagen vor 100 Jahren entstand sogar eine neue Gattung evangelischer Verkündigung – die "Kriegspredigt". Allein der nationalkonservative Hamburger Hauptpastor Hunzinger hat Dutzende von ihnen im Michel gehalten und später veröffentlicht. Stolz über die wiedererlangte religiöse Deutungsmacht schrieb er im Vorwort für sein erstes Buch "Kriegspredigten": "Als der Krieg ausbrach, erlebten wir das Wunder der deutschen Völkerwanderung in die Kirche. In jenen denkwürdigen Tagen wurde, wie durch einen allerhöchsten Beschluss, das furchtbare Odium der Überflüssigkeit von der Kirche genommen." Die Stimme des Volkes habe der Kirche noch einmal den heiligsten Beruf anvertraut, den es gebe: "Die Größe der Zeit zu deuten und ihre Kräfte zu segnen."
Hunzinger war kein Einzelkämpfer. Ob im Michel, im Berliner Dom, in Frankfurt am Main oder bei den Feldgottesdiensten – überall wetterten die evangelischen Geistlichen gegen den Feind und beschworen den Schutz des "deutschen Gottes". Im Berlin wetzte der Hof- und Domprediger Bruno Doehring noch ein Jahr vor Kriegsende verbal die Klingen und forderte Opferbereitschaft. "Wohnt Christus in unserem Volk, dann mögen sie uns hinmorden wie die Juden einst unseren Herrn, aus unserm Grabe steht das neue Deutschland auf." Und der evangelische Lazarett-Pfarrer und spätere Erlanger Professor für Systematische Theologie, Paul Althaus, bekannte: "Nach meiner Überzeugung wird dieser Feldzug in der Kriegsethik für uns das Schulbeispiel eines gerechten Krieges sein." […]
 (Edgar S. Hasse, 05.08.14)