Ein
bizarres Gefühl heute tatsächlich mal im Zentrum des Weltinteresses zu stehen. Ich
wohne in der 38 km2 Transferzone, in der alle G20-Teilnehmer wohnen,
in der alle Meetings stattfinden.
Putin,
Trump, Erdoğan, Merkel, Xi, Trudeau, Macron – alle bei mir in the hood.
Am
nächsten ist von mir aus gesehen das Gästehaus des Hamburger Senats, in dem die
Trumps hocken und um das herum die Flotte aus sechs Sikorkys ausschwärmt; um
das herum die endlosen BEAST-Kolonnen stehen.
Eigentlich
wollte ich gar nicht rausgehen heute, war dann aber doch so neugierig, daß ich
versuchte Trump näher zu kommen. Genau auf dem Weg liegt auch die russische
Botschaft; vielleicht ist es ja die unmittelbare räumliche Nähe von Trumps
Schlafplatz und den Russen, die heute für die gute Stimmung zwischen den beiden
Präsidenten sorgte.
Unnötig
zu erwähnen, daß ich natürlich scheiterte und die Trumps nicht mit eigenen
Augen sehen konnte, da ein gewaltiges Polizeiaufgebot weiträumig alles absperrt
und blockiert.
Bisher
gibt es noch kaum Gipfelergebnisse. Nur eine Erwartung wurde sogar übertroffen.
Durch die gestrige Auflösung der „welcome-to-hell“-Demo nach wenigen Metern,
vermochte es die rabiat durchgreifende Polizei den „schwarzen Block“ wie ein
Wespennest aufzuscheuchen, so daß nun schwarz Vermummte in der gesamten
Innenstadt unterwegs sind und Autos anzünden.
Bisher waren
hier „nur“ 20.000 Polizisten im Einsatz, aber der Hamburger Polizeipräsident
Ralf Martin Meyer ließ bereits heute Morgen hektisch weitere Hundertschaften
aus anderen Bundesländern kommen, da man offensichtlich immer noch stark
unterbesetzt ist; zudem sind bereits 200 Beamte verletzt und nicht mehr
einsatzfähig.
[…..] Die Organisatoren warfen der Polizei
dagegen ein unverhältnismäßiges Vorgehen vor: Noch während man Teilnehmer
aufgefordert habe, ihre Vermummung abzulegen, sei die Polizei bereits massiv
gegen Protestierende vorgegangen. Mehrere NDR Reporter hatten vor Ort
übereinstimmend berichtet, dass von den Demonstranten zunächst keine Gewalt
ausgegangen sei. Die Polizei ihrerseits sprach von einer "hochaggressiven
Stimmung" unter den Demonstranten und verteidigte den Einsatz. Das
Verhalten sei "alternativlos" angesichts einer drohenden
"unbeherrschbaren Situation" gewesen, sagte Pressesprecher Zill. Er
selbst wurde am Rande der Demonstration angegriffen. "Wir haben gesehen, mit
welchem Gewaltpotenzial wir es zu tun haben", so Zill.
Vertreter der
eskalierten Demonstration forderten den Rücktritt von Bürgermeister Olaf Scholz
und Innensenator Andy Grote (beide SPD). Bei der gewaltsamen Auflösung des
Protestzugs habe die Polizei Tote in Kauf genommen, sagte Christoph Kleine von
der G20-Plattform am Freitag. "Natürlich müssten aus diesen Vorkommnissen
personelle Konsequenzen gezogen werden." Kleine nannte dabei auch
Polizeieinsatzleiter Hartmut Dudde. Was geschehen sei, sei ein Verbrechen.
"Wer da war, hat gesehen, dass von diesem autonomen Block überhaupt nichts
ausging", sagte Andreas Beuth, Anwalt des linksautonomen Kulturzentrums
Rote Flora. Mit Blick auf die anschließenden Krawalle in mehreren Stadtteilen
mit zerstörten Scheiben und brennenden Autos sagte Beuth: "Das musste der
Polizei klar sein, dass marodierende Kleingruppen durch die Stadt ziehen und
anfangen die Stadt zu zerlegen. Wie kann man so blöd sein, die Demonstration so
zentral anzugreifen?"
[…..]
Und
nein, Hamburg ist natürlich NICHT Aleppo. Die Häuser stehen alle noch und es
gibt (noch) keine Toten.
Für
einen durchschnittlichen nordeuropäischen Stadtbewohner ist es aber schon ein
mulmiges Gefühl.
[….]
Aus den anderen Bundesländern seien
mehrere zusätzliche Hundertschaften als Verstärkung eingetroffen, sagte
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer am Freitag. Sie sollten helfen, die „völlig
irre Gewalt“ marodierender linksextremer Gruppen in der Stadt unter Kontrolle
zu bringen. [….]
(Handelsblatt,
07.07.17)
Da ich
aber (noch) nichts Substantielles über den G20 in Hamburg sagen kann,
erwähne
ich lieber kurz eine nette kleine Anekdote der Hamburger Evangeliban.
Hamburg
ist zum Leidwesen der Bischöfe Heße und Fehrs so gar keine christliche Stadt.
(….)
Die Kirche in Hamburg ist so gut wie tot – und das ist auch gut so.
Katholiken
finden traditionell ohnehin kaum statt.
Gut
so, denn abgesehen davon, daß niemand mehr die Predigten der hanseatischen
Pfaffen hören will, sind sie auch noch unangenehm. (….)
So
viel Geld und so viel Werbung für die Kirchen und dennoch laufen die Mitglieder
zu Hunderttausenden davon.
Zwei
Kardinalfehler der evangelischen Kirche werden nie erwähnt; auch in Peter
Wenigs endlosen Artikel kein Wort davon:
Der
protestantische Held Martin Luther war ein besonders widerliches antisemitisches, frauenfeindliches,
obrigkeitshöriges Arschloch.
Dieser
mittelalterliche Hassprediger wird nun
ausgerechnet von Typen wie Käßmann und Bedford-Strohm verteidigt, die selbst den kirchenfreundlichsten
Journalisten auf die Nerven gehen mit ihrer grenzenlosen Naivität, ihrer
stupiden Selbstbeweihräucherung und eklatanten Umgehung der Wahrheit. (…..)
Es gibt
zwar kaum noch praktizierende Christen in Hamburg, aber die Kirchentürme
dominieren optisch das Stadtbild.
Jeder
kennt die gewaltigen Bauten der fünf evangelisch-lutherischen Hamburger
Hauptkirchen.
St. Petri
St. Katharinen
St. Michaelis, bekannt als „Michel“
St. Jacobi
St. Nikolai
Die
Hauptpfarrer des Michels fungiert dabei als so eine Art Stadtpapst.
Er ist
bekannt wie ein bunter Hund und taucht auf jedem großen Event auf.
(…..)
Ein Hamburger, der schon in der wohlverdienten Vergessenheit versunken zu sein
schien, streckt heute im Hamburger Abendblatt noch einmal seinen Wirrkopf
hervor: Ex Michel-Chef Adolphsen!
Kaum
ein Thema, zu dem nicht der über alle Maßen selbstverliebte Promi-Pfarrer Helge
Adolphsen oder Medienjunkie Bischof Jaschke ihre Deutungen via Abla
verbreiteten.
Dazu
muß man wissen, daß der „Michel-Pastor“ in der Hamburger Society so etwas wie
der heimliche Bischof des Nordens ist.
Einen
prächtigeren Job gibt es nicht für Evangelen in Hamburg.
Es
gab in den letzten hundert Jahren nur sieben Hauptpastoren von St. Michaelis.
August
Wilhelm Hunzinger 1912–1920
Simon
Schöffel 1922–1954
Hans-Heinrich
Harms 1960–1967
Hans-Jürgen
Quest 1967–1987
Helge
Adolphsen 1987–2005
Alexander
Röder seit 2005
Dagegen
sind selbst Pontifikate kurzlebig. Niemand gibt den Job freiwillig ab.
Insbesondere
Helge Adolphsen war in einem Maße promigeil, daß er öfter in den
Boulevardblättern auftauchte als heutzutage Judith Rakers – und die drängelt
sich bekanntlich vor jede Kamera und geht zu jeder noch so abstrusen
Veranstaltung, wenn für sie in Bild in Abla, Mopo oder BILD rausspringt.
Adolphsen
war diesbezüglich extrem unhanseatisch. Man sagte ihm nach, daß er sogar an
roten Ampeln sofort anfing zu grinsen, weil er das Rotlicht für eine
Fernsehkamera hielt. Es ist kaum möglich ein Bild von ihm zu ergooglen, auf dem
er nicht manisch breit grinst und sich in die Bildmitte gedrängelt hat.
Selbst
in einem 50-Sekunden-Clip ist Adolphsen unfähig sein Dauergrinsen auszulassen
und nicht ständig die Kamera zu suchen.
Adolphsen
ist sowas wie Udo Waltz, Thomas Gottschalck und Paris Hilton in einer Person:
Ohne die geringste Eigenleistung stets im Rampenlicht.
Das
ist schon tragisch-komisch, wenn ausgerechnet die Haupt-Gläubigen-Vertreiber
die Massenflucht der Gläubigen aus der evangelischen Kirche beklagen.
2%
der evangelischen Kirchenmitglieder gehen in Hamburg sonntags in die Kirche.
Wenn
also 99,5% der Menschen in einer 1,8-Millionen-Stadt keine Lust haben die
Predigten von Adolphsen und Co zu hören, ist es zu spät sich über die Hamburger
zu beklagen.
Eine
Ablehnungs-Quote von 99,5% sagt alles.
Die drei
Gemeindeältesten der Hamburger Hauptkirchen bilden ein 15-köpfiges Kollegium
der Oberalten.
(Ja, Ihr
lest richtig. Und ja, es ist 2017)
Gutes Personal
für die fünf Hauptpastorstellen zu finden ist also schwer. Umso glücklicher war
man in der berühmten Petri-Kirche, als im Dezember 2015 eine ideale Frau für
den Job gefunden wurde.
Allein,
der liebe Gott hatte andere Pläne und berief sie nach nur einem halben Jahr in
den Himmel ab.
[…..]
Seit Dezember 2015 war Martina
Severin-Kaiser die Hauptpastorin und damit das neue Gesicht der Hauptkirche St.
Petri in der Innenstadt. Am vergangenen Freitag wurde sie, gerade 57 Jahre alt,
aus dem Leben gerissen. Aus heiterem Himmel, ohne erkennbaren Grund oder
Befund. Das trifft die Citykirchengemeinde hart, die gerade begonnen hatte, mit
ihr die nächsten knapp zehn Jahre zu gestalten. [….]
Seit
einem vollen Jahr gibt es nun keinen Hauptpastor mehr in St. Petri.
Die steinreiche Kirchengemeinde mußte ihre Fühler weit ausstrecken, bis sie
nun, endlich, einen Neuen fand.
Sophie
Hanzig, Gerd Meißner und Bernd Struß, die Petri-Gemeinde-Ältesten aus dem Kollegium
der Oberalten waren sehr erleichtert.
Jens-Martin
Kruse, 47, Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde von Rom (sic!) schien
perfekt zu sein. Relativ jung, polyglott und dazu entstammt er uraltem
Kirchenadel. Sein Vater Wilfried Kruse war von 1998 bis 2002 Hauptpastor von
St. Petri.
[….]
Jens-Martin Kruse ist seit 2008 Pastor
der deutschen Gemeinde in Rom, wo er bereits einige Jahre zuvor als
Auslandsvikar tätig war. Zwischen den beiden Aufenthalten in Italien war er
fünf Jahre Gemeindepastor in Quickborn-Hasloh. Der 48-jährige wuchs in
Norddeutschland auf und studierte Theologie in Hamburg und Wien. Im Jahr 2000
promovierte er über Martin Luther und die Wittenberger Bewegung.
Am 5. Juli kommt dann
die Synode des Kirchenkreises Hamburg-Ost zusammen, um den neuen Hauptpastor
für die City-Kirche zu wählen.
[….]
Andere
Kandidaten fanden sich nicht und so wurde Kruse diese Woche eingeflogen, um als
einziger Kandidat der 154-köpfigen Synode des Kirchenkreises Hamburg Ost
gewählt zu werden.
Geklappt
hat es aber nicht. Aus einem einfachen Grund. Die Hamburger evangelische Kirche
ist so unfassbar öde, daß selbst die engagiertesten Mitglieder überhaupt, die
Synodalen sich nicht aufraffen konnten in ausreichender Anzahl in die Sankt
Petri-Kirche zu kommen.
Deutlich
über 100 von 154 Personen hätten erscheinen müssen.
Sie
kamen aber nicht wegen akuter Bocklosigkeit. Kirchenkreissprecher Remmer Koch
ist ratlos und konsterniert: „Der Vorgang ist wirklich traurig. Es gibt
schließlich persönliche Vertreter, die aktiviert werden können, wenn jemand
verhindert ist. Aber es hat sich kaum einer abgemeldet.“
Die
Synodalen hätten also noch nicht mal selbst erscheinen müssen, um einen neuen
Hauptpastor zu wählen.
[…..]
St. Petri weiter ohne Hauptpastor
Mangels Anwesenheit
von 58 Synodalen - 25 davon unentschuldigt - ist es am Mittwoch, 5. Juli, nicht
zur Hauptpastoren-Wahl an St. Petri gekommen. Pastor Reinhard Dircks,
Vorsitzender des Kirchengemeinderats, ist nicht nur enttäuscht, sondern auch
verärgert: "Die Synode entwertet sich selbst, missachtet die Bewerbung von
Pfarrer Dr. Jens-Martin Kruse und schadet der Gemeinde. So kann man mit einem
Bewerber nicht umgehen."
Noch ist
unentschieden, ob es zu einer Wiederholung der Wahl oder einer Neuausschreibung
der vakanten Stelle kommt.
[….]
So kann es
gehen. Geld wie Heu, einen Kandidaten aus Rom und die tranigen Hamburger
Religioten verschlafen ihre Wahl, weil schönes Wetter war.
Kruse
ist inzwischen wieder abgereist.