Montag, 20. April 2015

Der Abstieg Bayerns

Der arme Crazy Horst erinnert mich manchmal an Nigel Farage auf einem Commonwealth-Treffen.

Voller Dünkel gegenüber allen anderen und mit penetranter Selbstüberschätzung wähnt man sich an der Spitze einer Weltmacht, übersieht dabei aber, daß diese Zeiten längst vorbei sind und man nur noch ein kleines Licht ist, für das sich die wirklich Großen; wie ZB China; nicht mehr interessieren.
Dabei haben sich die Zeiten schon vor Dekaden verändert.
Beim Aschermittwochstreffen im Februar 1993 hieß der Bayerische Ministerpräsident Max Streibl seine Parteifreunde mit einem "Saludos Amigos" willkommen. Daß er sich seine Waffengeschäft-Vermittlungsdienste mit Luxusreisen nach Südamerika versüßen lassen hatte, fand er nicht im geringsten kritikwürdig und haute dummdreist raus:
"Freunde zu haben, ist das eine Schande bei uns in der CSU?"
Seine Partei-Amigos feierten ihn mit tosendem Applaus.
Bestechung und Korruption sind zwar in der CSU immer noch allgegenwärtig und akzeptiert – man erinnere sich nur an die weitgehend folgenlosen Verwandtenaffären in jüngster Zeit, als gleich ein Dutzend CSU-Landtagsabgeordneter ihren Familienmitgliedern auf Kosten der Steuerzahler Gelder zuschoben – aber man bäckt jetzt doch deutlich kleinere Brötchen.

Die CSU hat sich zu einer Regionalpartei zurückgeschrumpft.

Aus und vorbei sind die Zeiten, als ein Bayerischer MP Strauß ganz selbstverständlich mit den Großen der Welt auf Augenhöhe schwebte und als relevanter außenpolitischer Akteur auftrat.
Je fieser und faschistischer die Diktatoren, desto enger das Verhältnis zur bayerischen Staatskanzlei. Strauß war immer gern gesehen in Südafrika, Chile und Argentinien, verdammte die Volksbefreiungsbewegungen in Mozambique und Angola, setzte sich für eine rassistische Kolonialregierung in Namibia ein.

Sieht man sich die CSU-Wahlergebnisse an, ist sie heute noch fast genauso mächtig wie zu Straußens Zeiten.
Der Einfluss in der Bundesregierung ist immer noch stark überproportional zur Größe des Bundeslandes. Absurd, eine Regionalpartei aus einem von 16 Bundesländern stellt gleich drei Bundesminister und der Parteichef muß auf Augenhöhe von Kanzlerin und Vizekanzler bei Koalitionsrunden gehört werden.
Mit so viel Macht kann man viel machen.
Allerdings ist die CSU des frühen 21. Jahrhunderts viel zu doof dazu und talibanisiert die Bundespolitik mit sinnfreien und kontraproduktiven Schildbürger-Gesetzen wie Herdprämie und Anti-Ausländermaut.

Die zerstörerischen Egoisten von der CSU kommentierte SPON am 27.03.15 das debile Treiben der CSU in der Bundespolitik.

Da beißt die Maus keinen Faden mehr ab: Alles, das politisch aus Bayern kommt, ist Dreck.

Die ökonomischen Aussichten sind ob der verfehlten CSU-Politik mau.

McKinsey sorgt sich um Bayerns Zukunft
[…] Bayern ist ein Land, in dem man sich auf die eigene Schulter klopft - das weiß jeder, der die Botschaften von Horst Seehofer, Markus Söder und Kollegen verfolgt. "Vorreiter in Deutschland", "Spitzenstellung in Europa": Mit weniger kommt im Freistaat keine Ministerrede aus. […] Die Unternehmensberater von McKinsey gießen mit einer groß angelegten Studie sehr viel Wasser in den bayerischen Wein. Auf den Feldern, auf die es künftig ankommt, sei Bayern schon jetzt meist nur Mittelmaß. Wenn überhaupt. […] "Bayern 2025 - alte Stärke, neuer Mut", lautet der Titel der knapp 100 Seiten starken Analyse, die McKinsey an diesem Donnerstag veröffentlicht und die der Süddeutschen Zeitung vorab vorliegt. Der Ton, den sie anschlägt, ist ein besorgter. […] Dass die Lage auch dramatisch werden könnte, wird an einer Zahl deutlich: Bis zu 40 Prozent der bayerischen Jobs stünden in den nächsten Jahren "in der Gefährdungszone" - seien also bedroht, wenn sich nichts ändere. Stuchtey sagt sogar: "Wir sind ziemlich sicher, dass 40 bis 50 Prozent der Menschen in den nächsten 20 Jahren in einer anderen Tätigkeit stehen werden als heute."
[…] Besonders schlecht ist er beim Verhältnis von Arm und Reich und bei der Frage nach gleichen Bildungschancen - ausgerechnet bei sozialen Fragen also. Auch der Umgang mit Energie in der Wirtschaft ist durchwachsen. […]

Um seinen völlig ruinierten Ruf wieder aufzupolieren, will Crazy Horst nun verstärkt die „außenpolitische Kompetenz“ der CSU beweisen.
Blöd nur, wenn man so gar keine außenpolitische Kompetenz hat, sich für nichts außerhalb Bayerns interessiert.

Die bayerische Regionalpartei will wieder mitspielen in der Weltpolitik. Aber so richtig will das nicht gelingen, und das liegt vor allem an Seehofer selbst. Er ist ein Mann der Innenpolitik, nichts interessiert ihn derzeit mehr als die Reform des Länderfinanzausgleichs und Stromtrassen in Bayern. Zur Ukraine oder zu Syrien dagegen hört man so gut wie nichts von ihm. Solche Dinge überlässt er lieber der Kanzlerin, die kennt sich da besser aus. Die Sache würde nicht so auffallen, wenn es wenigstens einen anderen präsentablen Mann gäbe. Aber Seehofer hat ausgerechnet den Berliner Entwicklungsminister Gerd Müller zum Außenbeauftragten der CSU ernannt, und der hat von diesen Dingen ungefähr so viel Ahnung wie Henry Kissinger von den deutschen Krankenkassen.
(DER SPIEGEL 17/2015 s.27)

Seehofer ist die Fortführung Westerwelles mit Bajuwarischen Mitteln.
Auch Gaga-Guido hielt einst die Außenpolitik für ein gemütliches Repräsentationsamt, das genügend Zeit für andere Aktivitäten ließe.
Nach China flog er gänzlich unvorbereitet und rief an Bord der Konrad-Adenauer erst beim Landanflug auf Peking seine Berater zu sich, um den legendären Satz zu sagen: „So, sie haben jetzt sieben Minuten Zeit mir China zu erklären.“.

Das Defizit der CSU in der Außenpolitik schmerzt gerade in diesem Jahr: Im September will die Partei den 100. Geburtstag von Franz Josef Strauß feiern. Strauß vermittelte dem jungen israelischen Staat Waffen, in den Weihnachtstagen des Jahres 1987 steuerte er eigenhändig eine Cessna durch den Wintersturm zu Michael Gorbatschow, eine Aktion, die Mitreisenden wie Edmund Stoiber noch heute den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Auch Seehofer bekommt Termine mit Staatsoberhäuptern, die sich normalerweise nicht mit einem Länderregierungschef abgeben. Auf intensive Vorbereitung legt er allerdings selten Wert. Die Informationsmappe, die ihm die Beamten der Staatskanzlei zusammenstellen, blättert er gewöhnlich erst in letzter Minute durch. Besonders schmerzlich fehlten Inhalte bei seiner Reise nach China im vergangenen November.
(DER SPIEGEL 17/2015 s.27)

Schizo-Seehofer ist sicherlich kein Politiker, den man ernst nehmen kann.
Wenn er ernster und seriöser auftreten möchte, kann man das nur begrüßen.
Sich dabei aber ausgerechnet den Mann zum Vorbild zu nehmen, der seine Partei binnen einer Legislaturperiode von 15% auf unter 5% geschrumpft hat, ist suboptimal.

Auch off-camera ist unser Guido einfach nur eine Fehlbesetzung.
Zum Beispiel während der Afrikareise im April 2010:

Westerwelle steht in einem Besprechungsraum des Ocean Road Hospital von Daressalam und soll ein paar Worte zur Begrüßung sagen. In dem deutschen Kolonialbau hat Robert Koch vor rund hundert Jahren an Malaria geforscht. Es war für lange Zeit das einzige Krebskrankenhaus in Ostafrika.
Westerwelle könnte jetzt einiges zur interessanten Geschichte des Hospitals sagen, aber er legt ein fast aufreizendes Desinteresse an den Tag. Er habe über das Krankenhaus gelesen, sagt er und murmelt etwas von Respekt und harter Arbeit. Westerwelle weiß offenbar wenig über das Haus. Es ist heiß und schwül. Er will schnell weg. […]
Westerwelle liebt seinen Status, er schätzt es, von Staatschefs und Ministern empfangen zu werden. Leider hat man selten den Eindruck, er interessiere sich für das, was seine Aufgabe ist. […]
"Ich will mir nicht ein paar schöne Jahre im Auswärtigen Amt machen und die Welt kennenlernen", hat Westerwelle auf dem Höhepunkt des innenpolitischen Streits um Hartz IV gesagt. Ein paar schöne Jahre, das ist Westerwelles Idee von Außenpolitik. Im Auswärtigen Amt kam das nicht gut an.
Die Beamten haben registriert, dass Westerwelle sich selten länger für ein Thema interessiert. Er will nur Dinge wissen, die ihm über das nächste Gespräch, die nächste Pressekonferenz hinweghelfen: Wo sind Streitpunkte, was ist die deutsche Position, die offensichtlichen Fragen eben. Im Amt heißt es, dass er auf dem Flug nach Peking im Januar zum zuständigen Referenten gesagt habe: "Sie haben sieben Minuten Zeit, mir China zu erklären."

China ist für den Mövenpickparteichef ein unwichtiges Land mit nur 1,3 Milliarden Menschen, einer gerade mal 6000 Jahren alten Geschichte.
Es ist ja auch nur eine Atommacht, eine UN-Sicherheitsrat-Vetomacht und der Exportweltmeister.
Guido weiß aber nur, daß da irgendwas mit den Menschrechten zu sagen ist.
Nicht, weil das irgendeinen Chinesen interessierte, was der groteske deutsche Vizekanzler dazu zu sagen hat, sondern weil das zuhause als Gradmesser dafür dient, ob man Eier hat.

Und weil er Westerwelle ist, weiß er nicht welcher Tonfall angebracht ist.
Er kann nur schrill und immer eine Umdrehung zu viel.
So wie in Ankara, als er bereits deutlich gesagt hatte, daß er im Gegensatz zu Merkel für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei ist. Jeder hatte verstanden.
Er kann sich aber nicht zügeln und schob dann zunächst ein „Was ich hier sage, zählt!“ nach und als alle schon peinlich berührt waren, kam dann noch sein „Ich bin schließlich nicht als Tourist in kurzen Hosen hier!“
Es gibt einen richtigen Weg der Diplomatie und es gibt das diametrale Gegenteil davon - Westerwelles Methode.
So also auch in Peking.

Eier will Guido unbedingt haben - also haut er dem chinesischen Amtskollegen bei der Abschlußpressekonferenz das Thema Menschenrechte und Tibet gleich um die Ohren.

Aber Westerwelle schafft es selten, die Dinge im rechten Moment gut sein zu lassen. Also sprach er noch einmal Menschenrechte und Minderheitenschutz an, und damit es auch der Letzte begriff, noch ein drittes Mal. Die Kritik an der chinesischen Menschenrechtspraxis wirkte plötzlich wie ein Ritual. Man kann eine Botschaft auch durch Wiederholung schwächen.
(Ralf Neukirch, Spiegel, 12.04.10)


Immerhin, so sehr verbiegt sich Horst Seehofer dann doch nicht, daß er so täte, als kümmerten ihn Menschenrechte.
Er ist nun in Saudi-Arabien, einem der brutalsten Folterregime dieser Erde, das zutiefst antidemokratisch Frauen diskriminiert, quält und tötet.
Schwule oder gar Atheisten werden ohnehin mit der Todesstrafe belegt.
Christen übrigens auch.

Dem Bayerischen Ministerpräsidenten ist das herzlich egal.
Er möchte vor allem ordentlich Öl ins Feuer des Nahen Ostens gießen. Während Riad Angriffe auf den Nachbarn Jemen fliegt, will Seehofer den antidemokratischen Wahabiten unbedingt noch mehr bayerische Waffen andrehen. Der brutale Folterkönig Salman gefällt dem frommen Horst.

[…]  In Deutschland gibt es im Moment nur zwei Themen, wenn es um Saudi-Arabien geht: den Krieg im Jemen, in den sich Saudi-Arabien immer mehr einschaltet. Und die Verurteilung des Bloggers Raif Badawi, der sich mit der Geistlichkeit angelegt hatte und deshalb um sein Leben fürchten muss.
Doch Seehofer schafft es, ein drittes Thema aufzumachen: Er steht vor dem Eingang des saudischen Wirtschaftsministeriums in Riad, im Hintergrund rauschen Autokolonnen vorbei. Und dann spricht Seehofer den Satz, der die Berliner Koalition in den kommenden Tagen beschäftigen wird: Dass man, wenn man von einer Sache überzeugt sei, auch "verantwortlicherweise mit militärischen Gütern helfen" müsse. Mit Waffenexporten also.
Wie sehr er von Saudi-Arabien überzeugt ist, daran lässt Seehofer bei seiner dreitägigen Reise in den Nahen Osten keinen Zweifel. "Ein Stabilitätsanker" sei das Land, das jede erdenkliche Unterstützung verdiene. Bevor ihn am Sonntagmittag der neue König Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud zur halbstündigen Audienz empfängt, erhält er von seiner Frau Karin aus der Heimat noch schnell eine SMS: "Viel Glück. Zwei Könige."
[…] Seehofer hatte sich vor zwei Jahren selbst noch gegen Waffen für Saudi-Arabien ausgesprochen. Jetzt erklärt er bei vergleichsweise milden 30 Grad, warum er seine Meinung "schon vor Längerem" geändert habe. […]
(Wolfgang Wittl, SZ, 20.04.15)