Sonntag, 29. Juli 2018

Machtmissbrauch


Nicht alle militärisch sehr mächtigen Eroberer haben sich destruktiv benommen.
Die Inkas übernahmen interessiert kulturelle und wissenschaftliche Errungenschaften der Reiche, die sie besetzten.
Die Mauren brachten eine Hochkultur nach Spanien und praktizierten Toleranz, so daß Juden, Christen und Muslime sich gegenseitig künstlerisch und wissenschaftlich befruchteten.
Auch Alexander, der Große und chinesische Kaiser integrierten neue Länder in ihre Großreiche, indem sie das Beste beider Kulturen zusammenfügten, sich den örtlichen Sitten anpassten.

Insbesondere Christen mit ihrer bornierten „wir sind besser als die“-Haltung setzten hingegen negative Maßstäbe.
Als sie in Nord- und Südamerika einfielen, rotteten sie die vorhandenen Kulturen aus, zerschlugen alles Nichtchristliche.
Sie zwangen die Urvölker Afrikas und Australiens ihre Sprachen und Sitten aufzugeben.
Als Isabella die Katholische nach 800 Jahren maurischer Blüte Spanien erstmals wieder unter christliche Kontrolle brachte, wurden Muslime und Juden der Inquisition überantwortet.
Ähnlich dachte sich das auch der Katholik Adolf Hitler, der bei seinen Eroberungen alles Nichtdeutsche für „unwert“ hielt und Millionen Menschen einfach umbringen ließ.

Im 21. Jahrhundert kann man die Haltung anderen Kulturen gegenüber ganz grob am politischen Rechts-links-Schema festmachen.
Je rechter die Partei, desto nationaler, je linker, desto internationaler.

Nationalismus ist oft eine Methode, um kurzfristig zu Hause zu punkten.
Wir gegen die. Wir auf Kosten der anderen.
Sie passt zum Selbstverständnis präpotenter Bullys.

Donald Trump ist die Apotheose dieser Sichtweise.
Er glaubt, Amerika wäre so stark, daß es nicht nur alle anderen Nationen nach Belieben dominieren könnte, sondern auch unbedingt sollte.
Rücksichtnahme auf andere Interessen, wie sie alle seine Amtsvorgänger gelegentlich praktizierten und eben nicht immer mit Gewalt alles durchsetzen, was möglich gewesen wäre, diffamiert er als „failed“.

Da sich die ökonomischen Konkurrenten der USA notorisch uneinig sind, kommt Trump mit dieser rücksichtslosen Methode ziemlich weit.
Abgesehen vom ethisch-moralischem Desaster vergisst er dabei aber, daß Amerika langfristig durchaus vom Wohlwollen der anderen Nationen abhängig ist.
Wenn alle die USA hassen und die kulturellen und ökonomischen Verbindungen kappen, kann auch die stärkste Nation der Erde nicht überleben.

Eine Ebene darunter, also innerhalb Europas, praktizierte Merkels Regierung ebenfalls eine milde Trump-Politik gegenüber der EU-Partnern.
Unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer hatten das Ansehen Deutschlands und seine außenpolitischen Beziehungen eine regelrechte Blüte erlebt.
Die Deutschen waren beispielsweise als eine der ganz wenigen Nationen gleichermaßen in Israel, als auch in der arabischen Welt hochgeschätzt.
Die Beziehungen zu Russland und Frankreich waren exzellent. Mit dem konservativen Chirac arbeitete die rotgrüne Regierung so eng zusammen, daß sich Schröder sogar bei einem Gipfel von Chirac vertreten ließ.

[….] Premiere auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union: Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac hebt die Hand für Deutschland, da Bundeskanzler Gerhard Schröder ihm vertrauensvoll die Wahrnehmung der deutschen Interessen übertragen hat.   Hinter dem Schild "Deutschland" auf dem Konferenztisch des Brüsseler EU-Gipfels ist Schröders Stuhl leer geblieben.   Wo sonst der Bundeskanzler und Außenminister Joschka Fischer sitzen, hatte am Morgen lediglich der deutsche EU- Botschafter Wilhelm Schönfelder Platz genommen. Er beobachtet das Treffen aber nur.   Chirac hat die Vertretung übernommen, damit Schröder und Fischer an der Abstimmung des Bundestags über die Reformgesetze der Agenda 2010 teilnehmen konnten. Der Franzose nimmt seine neue Rolle ernst: Entgegen seiner Gewohnheit traf Chirac am Freitag als einer der ersten am Konferenzort ein und begrüßte die später ankommenden Staats- und Regierungschefs an der Tür des Saals mit Handschlag. [….]

Später wiederholte sich der Vorgang mit umgekehrten Vorzeichen, als Chirac einmal verhindert war und Gerd Schröder als französischer Präsident bei der EU verhandelte.

2005, mit dem Einzug der CDU-Vorsitzenden ins Kanzleramt, wurde Deutschland wieder klar nationalistischer und egoistischer.
Die außenpolitischen Beziehungen zu den wichtigsten Nachbarn – Polen, Frankreich, Russland und der Türkei – verschlechterten sich rapide.
Merkel trug meiner Ansicht nach entscheidend dazu bei, daß sich Putin und Erdoğan so stark radikalisierten und sich schließlich von Deutschland abwandten.

Aber sogar zum Entsetzen ihrer eigenen Parteifreunde zeigte Merkel kaum Engagement in der EU, konnte keinerlei Gefühle für die Südeuropäer aufbringen.
Die Beziehungen zu Frankreich wurden insbesondere durch die rücksichtslos nationale und Austerität-fetischistische Politik Wolfgang Schäuble so schlecht wie seit Adenauers Zeiten nicht mehr.

In die EU schickte Merkel statt der Besten nur noch ausrangierte Provinzler wie Oettinger, der bis heute kein englisch spricht. Ihr vertrauter CDU-Fraktionschef verkünde rabiat „in Brüssel wird jetzt deutsch gesprochen“.
Klarer kann man kaum ausdrücken wie gering man Europa schätzt.

Nun, Merkel war ähnlich wie die USA in der Welt, in Europa eindeutig die Stärkste. Sie konnte es sich leisten. Kurzfristig.

[…..]  Im EU-Durchschnitt […..] leidet Deutschlands „Beliebtheit“ unter dem als herrisch empfundenen Auftreten deutscher Regierungsvertreter und Parlamentarier gegenüber den unter der Euro-Krise leidenden Staaten Südeuropas. In den mittelosteuropäischen Ländern von Polen über Tschechien, die Slowakei bis nach Ungarn, wird Deutschland durchgängig als schulmeisterlich und penetrant wahrgenommen. Man kann es auch als mangelnde Empathie bezeichnen. […..] So lange es keinen äußeren Gegner gab, der versuchte, das Vereinte Europa durch Druck auf einzelne Mitgliedsstaaten zu zerstören, konnte es Deutschland vielleicht gleichgültig sein, dass es wenig wirkliche Freunde hatte – obwohl das schon immer ein fataler Fehler gewesen ist. [….]

Im Gegensatz zu der Regierung in Washington hat Merkel aber bereits erfahren wie das ist, wenn man jahrelang keine Rücksicht nimmt und die kleinen, vermeidlich schwachen Nationen wie Griechenland oder Portugal respektlos behandelt. Gelder zurückzahlen, die Hitler Griechenland abgepresst hatte?
Pah, Merkel dachte gar nicht daran dieses Ansinnen des Zwerges aus Europas Südosten auch nur eines Gespräches zu würdigen.

Spätestens 2015 war es soweit, daß Deutschland auch mal auf die Solidarität der anderen angewiesen war.
Nun rächt sich die nationalistischere und außenpolitisch rücksichtslosere Politik der CDU-Kanzlerin.

[…..] Deutschland braucht mehr Demut vor dem Freund
Der Handelsstreit mit den USA zeigt: Ohne Verbündete steht Deutschland in Europa allein. […..] Mit dem Auftauchen eines Donald Trump hat sich das schlagartig geändert. Warum sollte es etwa Griechenland, Spanien, Ungarn und Polen in eine gemeinsame Anti-USA-Haltung zwingen, dass die Amerikaner plötzlich Zölle auf deutsche Importautos erheben wollten? Kaum eines dieser Länder hatte aus den deutschen Ausfuhren nennenswerte Vorteile gezogen. Zumindest tat die deutsche Industrie wenig zur Stärkung des Selbstbewusstseins ihrer Zulieferer aus anderen EU-Ländern. […..] 30 Prozent der deutschen Arbeitsplätze hängen vom Export ab. 58,6 Prozent der deutschen Exporte gingen 2016 in EU-Staaten. Von Deutschlands 15 wichtigsten Export-Ländern sind zwölf Staaten der EU. Die drei anderen sind die USA, China und die Türkei. Aber wann schon hätte Deutschland diesen Ländern jemals zu verstehen gegeben, dass unsere Politik und unsere Wirtschaft dankbar für diese engen Handelsbeziehungen sein müssen – und nicht etwa die EU-12 dafür, dass sie deutsche Waren kaufen dürfen? […..] Deutschland ist, was es ist, dank der Europäischen Union. […..]