Sonntag, 22. Juli 2018

Steter Knallchargen-Nachwuchs


Dieses ist eine wahrlich erstaunliche Liste:

Franz Josef Strauß, Josef Brunner, Heinz Lechmann, Friedrich Zimmermann, Anton Jaumann, Max Streibl, Gerold Tandler, Edmund Stoiber, Otto Wiesheu, Gerold Tandler, Erwin Huber, Bernd Protzner,  Thomas Goppel, Markus Söder , Christine Haderthauer, Karl-Theodor zu Guttenberg,  Alexander Dobrindt, Andreas Scheuer und Markus Blume.

70 Jahre CSU-Generalsekretäre und unter ihnen ist kein einziger anständiger Mensch. Fast alle kamen mit dem Strafgesetz in Konflikt, bereicherten sich ungeniert oder fielen mit Lügenmärchen und rassistischen Sprüchen auf.
Einer beging sogar volltrunken einen Totschlag und stieg dennoch immer weiter auf in der CSU.
Kaum zu glauben, daß Generalsekretäre der Bundestagsparteien einst brillante Vordenker und Gelehrte waren.
Die CSU scherte aber diesbezüglich immer aus und sorgte so unfreiwillig auf Bundesebene wenigstens für unterhaltsame Momente.

(….) Ein weiterer Politiker ging zu der Zeit ebenfalls verloren - CSU-Generalsekretär Protzner.

Ein echter CSU-Phänotyp: Aufgedunsen, bierselig, geistig leicht unterbelichtet und über alle Maßen korrupt. Der Kulmbacher wurde später wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig zu einer Strafe von zehn Monaten verurteilt. Das Übliche also.

Der dicke Bernd ist meiner Meinung nach zu Unrecht in Vergessenheit geraten.
Seine Spenden- und Steueraffären wurden zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt publik. Just in dem Zeitfenster, als die CDU ein paar Bauernopfer schassen mußte.
Protzner verlor seinen Bundestagswahlkreis an einen gewissen Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg und wurde vergessen.

Der inzwischen leider verstorbene Journalist Wolf Heckmann würdigte Bernd Protzner ein letztes mal, als er von der „TV-Bundestagsrunde" nach der Hessenwahl berichtete:


Müde Runde ohne Protzner.
  Bonner TV-Plauderei mit neuen Partei-Generälen und alten Ritualen.
Am Abend der Hessen-Wahl gab es bei der Besetzung der „Bonner Runde“ gewiß ein paar Erleichterungen: Natürlich muß man als Journalist heftig bedauern, daß auf Seiten der CSU der Herr Protzner nicht mehr dabei war: Was hat er nicht immer für wunderbare Bemerkungen abgelassen, die man nicht unbedingt in die rechtsradikale Kiste, sondern in die leicht debile bayerische Folklore einordnen konnte. […]“
(HH MoPo 08.02.1999) (……)
(Wie früher, 07.11.2010)

Der gegenwärtige CSU-General schien zunächst ein bißchen aus der Reihe zu tanzen. Einerseits hat er tatsächlich eine Karriere als Tänzer, genauer gesagt als Eistänzer hinter sich, daher verfügt er auch nicht über die typische pyknisch-feiste Alkoholiker-Physiognomie wie Strauß, Tandler, Wiesheu oder Protzner; er ist noch nicht mal im Gesicht so abstoßend häßlich wie Dobrindt oder Söder.
Auch war er in der Vergangenheit nicht als dreister lauter Polit-Prolet bekannt, äußerte sich eher in gemäßigtem Tonfall und schien ohnehin nicht dem obsessiven Drang zu frönen aufzufallen.

Aber nach einigen Monaten im Amt wissen wir von dem 43-Jährigen Münchner nun schon mehr.
Vor dem 18.03.2018 wußte ich auch nur, daß er einer der usual suspects aus der bayerischen Landtagsfraktion war, der gern ultra-konservative Papiere unterschrieb.


(…..) Da die CSU also gerade wieder einmal nichts Sinnvolles zu tun hat, besinnt sie dich auf das einzige, das ihr in den letzten Jahren wirklich gelungen ist: Als xenophobe Rechtsaußen Ressentiments gegen alle Ausländer zu schüren und damit die AfD stark zu machen.
Gerade gibt es einen neuen Vorstoß als Wahlhelfer der Nazis.
CSU und Sachsen-CDU leckten devot den von Frauke Petry hingekotzten Begriff des „Völkischen“ auf.

[….] CSU und Sachsen-CDU preisen "Heimat und Patriotismus" als "Kraftquelle"   Vertreter von Sachsen-CDU und CSU stellen einen "Aufruf zu einer Leit- und Rahmenkultur" vor.
[….]  Drei Seiten ist das Papier lang. Nach dem Wunsch der Autoren soll es der Auftakt für eine neue Leitkultur-Debatte in Deutschland sein. Verfasst haben es Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU), der Generalsekretär der Sachsen-CDU, Michael Kretschmer, Sachsens Landtagspräsident Matthias Rößler (CDU), der Chef der CSU-Grundsatzkommission, Markus Blume, sowie der Vizepräsident des Bayerischen Landtags, Reinhold Bocklet (CSU). [….] Die Autoren preisen "Heimat und Patriotismus" als "Kraftquelle" der Gesellschaft. [….] Eigentlich hat die Sachsen-CDU derzeit drängendere Probleme als eine neue Leitkultur-Debatte - die sächsische Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla steht gerade wegen ihres Umvolkungs-Tweets in der Kritik. Und Kudlas Kollegin Veronika Bellmann hat mit der Bemerkung, die CDU dürfe Koalitionen mit der AfD nicht ausschließen, für erheblichen Unmut gesorgt. [….]



Die CSU versteht sich nach wie vor als die christliche Partei, die durch ihre kirchliche Orientierung in einem diametral entgegengesetzten Verhältnis zu den gottlosen Linken steht. (…..)

Der ansehnliche Herr Blume leistete ganze Arbeit in den letzten vier Monaten.
Man muss sein politisches Weltbild also nicht umschreiben. Blume ist genau so eine Knallcharge wie alle seine Vorgänger in dem Amt.

Mit dem radikal-xenophoben Krawallkurs schrumpfte er seine CSU auf 38% und bewerkstelligte es die gesamte bayerische Opposition so zu motivieren, daß sie heute in Myriadenstärke gegen die CSU in seiner Heimatstadt auf die Straße ging.


[….] Doch um 16.45 Uhr verkünden die Veranstalter, dass 50 000 Demonstranten da seien. Die Polizei spricht von 25 000 Teilnehmern. Unter dem Motto "Ausgehetzt: Gemeinsam gegen eine Politik der Angst" richtet sich der Protest vor allem gegen die CSU-Spitzenpolitiker Horst Seehofer, Markus Söder und Alexander Dobrindt.
Zur Demonstration aufgerufen hatte ein ungewöhnlich breites Bündnis aus rund 130 Organisationen. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) spricht von einem "Déja vu", er denke an das Konzert auf dem Königsplatz für Geflüchtete vor ein paar Jahren. "Damals waren auch viele da, aber nicht so viele." Es gehe an diesem Tag "um etwas Wichtiges", sagt Reiter, der soziale Frieden sei "hochgradig gefährdet". Doch von München gehe die Botschaft aus: "Wir lassen uns nicht spalten."
Äußerungen wie die vom "Asyltourismus" hätten "Gift ins Land gebracht", sagt ein Redner; Begriffe wie "Anti-Abschiebe-Industrie" förderten Verschwörungstheorien. "Jeder, der sich mit Ausgrenzungen und Pogromen beschäftigt, wird feststellen, dass es immer und überall mit der Verrohung der Sprache beginnt." [….]

Aufstand gegen die CSU? Nach Deutschlands Top-Bischöfen Marx und Bedford-Strom nun auch noch das niedere Volk?
Majestätsbeleidigung; so empörte sich offenbar Blume und ließ in einer Nacht- und Nebel-Aktion ganz München zuplakatieren.

[…..] "Dumm und dreist. So kennen wir die CSU"
Mit einer Plakatkampagne versucht die CSU quasi über Nacht, die Verhältnisse umzudrehen und sich als Opfer von Hetze darzustellen. Unter den #ausgehetzt-Demonstranten sorgt der Versuch für Spott.
"Wir sollten lachend daran vorbeiziehen", sagt Thomas Lechner, einer der Organisatoren der #ausgehetzt-Demo, mit Blick auf die Plakate, welche die CSU über Nacht entlang der Demonstrationsroute geklebt hat. Auf blauem Hintergrund steht "Ja zum politischen Anstand! Nein zu ausgehetzt." Das Logo der Demonstration ist mit roter Farbe durchgestrichen. Nicht alle Demonstranten halten sich an Lechners Empfehlung.
Einige stellen sich davor, um ein Foto zu schießen, andere sagen: "Dumm und dreist. So kennen wir die CSU." Einzelne Plakate sind auch schon kreativ verändert worden. Irgendwer hat den CSU-Schriftzug in der unteren Plakatecke abgerissen und über das Wort "ausgehetzt" geklebt. Nun lautet der Text: "Nein zu CSU." [….]

Blume kann es nicht fassen und verfällt sofort in den vollen Hetzmodus – als wolle er unterbewußt a posteriori die Notwendigkeit der Demo gegen die CSU bestätigen.

[….]  Wütende Bürger protestierten in München gegen einen Rechtsruck in der Gesellschaft und gegen die CSU. Der Generalsekretär der Partei weist diese Kritik zurück - und spricht seinerseits von "Hetze".
[….] "Wer 'CSU-Rassistenpack' skandiert, wer der CSU unterstellt, Konzentrationslager vorzubereiten oder wer die CSU für schuldig erklärt am Tod von Migranten im Mittelmeer, der hat jeglichen Anstand verloren und betreibt übelste Hetze", sagte Blume dem SPIEGEL. "Dass nebenbei auch noch bei der Demo erklärt wird 'Ganz München hasst die Polizei', spricht Bände über den Kreis der Unterstützer auch aus dem linksradikalen Umfeld."
Blume forderte die im Landtag vertretenen Parteien SPD und Grüne dazu auf, "sich von diesen unglaublichen Entgleisungen zu distanzieren". "Es gibt im demokratischen Diskurs auch Grenzen", sagte der CSU-Politiker. "Mit dieser Hetze werden die Bürger zu den Extremen getrieben, das Land gespalten und der demokratische Diskurs vergiftet."
Am Sonntag hatten Flüchtlingshilfeorganisationen, Gewerkschaften, Verbände, Parteigruppierungen, darunter auch Grüne und SPD, Kulturschaffende, kirchliche Einrichtungen und viele weitere die #ausgehetzt-Demo in München unterstützt. Trotz Regens waren dem Aufruf laut Polizei mindestens 20.000 Menschen gefolgt. [….]

Selbstbewußtes Mir-san-mir ist offenbar vorbei in der CSU.
Angesichts des zu erwartenden Rekordverlustes bei der Bayerischen Landtagswahl 2018 beginnt bei den Christsozialen das große Fürchten. Und Angstbeißen.

 [….] Die Volkspartei hat den Bezug zu einem Teil des Volks verloren.
 [….] Die CSU hat sich jedenfalls zu einer einigermaßen närrischen Aktion verleiten lassen.
Es war wohl das erste Mal in ihrer Parteigeschichte, dass die CSU eine in München angekündigte Demonstration so ernst nahm, dass sie am Samstag warnende Zeitungsanzeigen dagegen veröffentlichte; sie hat dann auch noch die Innenstadt mit Warnplakaten pflastern und auf Kleintransportern Warntafeln herumfahren lassen. Dabei waren es nicht etwa die Pforten der Hölle, die sich zur Münchner Kundgebung angemeldet hatten, sondern etwa 150 Initiativen aus allen Bereichen der Zivilgesellschaft, darunter viele kirchliche Gruppen, sehr viele Schüler, Studenten, Gewerkschafter, Künstler, bekannte Musiker, beliebte Bands.
Früher hätte die CSU souveräner reagiert. In ihren starken Zeiten hätte sie eine solche Kundgebung "gegen die Politik der Angst" und gegen "Hass und Ausgrenzung in der Politik" offiziell gar nicht zur Kenntnis genommen; inoffiziell hätte sie erklärt: "Das tun wir nicht einmal ignorieren." Aber diese Zeiten sind vorbei. Die CSU hat Angst, in diesem Fall vor Demonstranten, die ihr vorwerfen, dass sie mit Angst Politik macht und sich ihre Agenda von Rechtsaußenpopulisten vorgeben lässt. Und so hatte die Münchner Demonstration ihren größten Erfolg schon am Samstag, als die CSU vorführte, wie sehr sie der geballte Protest beunruhigt - zumal die Veranstalter ihn auf ihren Plakaten auch personalisiert hatten: gegen Seehofer, Söder und Dobrindt.
Offenbar steckt der CSU der Schock vom 10. Mai noch sehr in den Knochen: Da wurde aus einer Münchner Kundgebung gegen die Verschärfung des Polizeirechts, die von der CSU in brachialer Manier durchgezogen worden war, die größte bayerische Demonstration der vergangenen Jahrzehnte; das neue Polizeirecht wirkte da offenbar wie der Tropfen, der ein Fass zum Überlaufen brachte. Die CSU, die mit so heftigem Protest gegen ihre Politik nicht gerechnet hatte, fiel damals aus allen Wolken ihrer Ahnungslosigkeit. [….]

Ja, doch. Ich bin etwas erstaunt.
Bisher war es das Alleinstellungsmerkmal meiner Sozis in jede Hose zu scheißen, die man ihr hinhielt.
Die depperte Selbstgewissheit der CSUler hingegen schien immer unerschütterlich zu sein.
Nun aber winden sie sich, schlagen Haken oder aber verlegen sich aufs Angstbeißen.

Gesetzestreue war noch nie die Sache der CSU. Man billigte es ihr ob ihrer unbezweifelbaren Machtfülle aber auch zu.
Die bayerische Staatspartei stand doch irgendwie immer über dem Gesetz, konnte sich im Bundeskabinett darauf beschränken grundgesetzwidrige Politik zu planen.
Aber eine 30%+X Partei wirkt verzweifelt. Und verwundbar. Protest? Demokratische Meinungsäußerungen? CSU goes Orbán/Trump/ Erdoğan und versucht Widerspruch zu verbieten.

[……] Die Orbáns von München
 [….] Etwas ganz anderes ist es, wenn Menschen in demokratischen Institutionen sich aufgerufen fühlen, sich für den Erhalt der Regierungsform starkzumachen, der sie die Freiheit verdanken, zu tun und zu denken, was sie wollen - und es ist in gewisser Weise typisch für die schleichende Institutionenverachtung, die Seehofer und seine Mitstreiter in ihrem Projekt illiberaler Demokratie nach dem Vorbild Orbáns vorantreiben, dass sie diese Art der demokratischen Praxis wiederum verbieten wollen.
Der Anlass ist eine Demonstration, die an diesem Sonntag in München stattfindet: Ein breites gesellschaftliches Bündnis hat unter dem Motto "#ausgehetzt - Gemeinsam gegen die Politik der Angst" zum Protest gegen den Rechtsruck in Sprache und Praxis von Politik, Medien, Gesellschaft aufgerufen, unter anderem auch die Theaterleiter Matthias Lilienthal von den Münchner Kammerspielen und Christian Stückl vom Münchner Volkstheater.
Man muss nun den Aufruf nicht mögen und auch nicht die Demonstration, speziell wenn man wie die CSU selbst für die Politik verantwortlich ist, gegen die sich der Protest richtet, indem gegen Geflüchtete gehetzt wird mit Begriffen wie "Asyltourismus", indem ein generelles Bedrohungsszenario kultiviert wird, indem sogar das Helfen in Seenot kriminalisiert wird und damit eine Grenze der Humanität überschritten wird - aber als demokratische Kraft sollte man diesen Protest als entscheidenden Teil einer lebendigen Demokratie sehen.
Und wenn die CSU nun gegen die genannten Theaterleiter vorgeht, mit persönlichen Beschimpfungen und dienstrechtlichen oder vertraglichen Drohungen, weil sie gegen die "parteipolitische Neutralität" verstoßen würden, dann zeigt sich: Sie kann oder will nicht zwischen einer zivilgesellschaftlichen Massenkundgebung und Parteipolitik unterscheiden, sie nutzt Dienstwege, um Menschen einzuschüchtern, sie stellt sich auf die Seite der Hetzer, sie respektiert nicht die Kunst- und Meinungsfreiheit in diesem Land. […..]