Sonntag, 4. Oktober 2015

Spinnereien.


Hurra, am Freitag, den 09.10.2015 ist es wieder soweit – es gibt einen Friedensnobelpreis.

Friedensnobelpreise werden ja aus sehr unterschiedlichen Gründen verliehen. Zum Beispiel um die Wandlung eines Falken zur Taube zu würdigen.
Oder auch, um einer Privatperson, die eher im Stillen wirkte Publicity zu geben.
Gelegentlich sind Friedensnobelpreise auch unstrittig, weil sie für jeden ersichtlich wirklich verdient waren.
Albert Schweitzer (1952), Martin Luther King (1964), Willy Brandt (1971), Anwar as-Sadat (1978), Elie Wiesel (1986), Michail Sergejewitsch Gorbatschow (1990), Nelson Mandela (1993) und Jitzchak Rabin (1994) waren, bzw sind solche Ausnahmemenschen.

2009 wollte Oslo sich offensichtlich in dem Glanz des eben erst gewählten Barack Obama sonnen. Das war in vielerlei Hinsicht großer Mist. Oslo blamierte sich, Oslo schadete Obama enorm, indem es seine Gegner von der GOP aufstachelte und Oslo wählte einen, dessen spätere Taten als Potus das Gegenteil von friedlich waren.

2012 war ich von der Entscheidung über den Friedensnobelpreis zunächst überrascht, ließ mich dann überzeugen. (.........)

Für mich sind die schönsten Friedensnobelpreise die, die jemand anders richtig wehtun. Das war 1971 sicher der Fall, nachdem CDU und CSU Willy Brandt 20 Jahre lang als ehrlos attackiert hatten, weil er a) unehelich zur Welt kam und b) kein Nazi war, sondern während der Hitlerzeit ins Exil ging.

Nobelpreis-beschwerte Dissidenten sind für die jeweiligen Regime natürlich auch immer eine Schmach. Solche Fälle gab es schon häufiger:

Liu Xiaobo 2010, Schirin Ebadi 2003, Aung San Suu Kyi 1991, Dalai Lama 1989, Desmond Tutu 1984, Adolfo Pérez Esquivel 1980, Andrei Dmitrijewitsch Sacharow 1975, Martin Luther King 1964, Albert John Luthuli 1960, Carl von Ossietzky 1935.

In diesem Sinne würde ich es begrüßen, wenn nächste Woche wieder ein unterdrückter Dissident in Lebensgefahr den Preis bekäme.

Angeblich sind der saudische Blogger Raif Badawi, Mussie Zerai vor der Nowaja Gaseta (Oppositionszeitung in Russland), Edward Snowden und Chelsea Manning Favoriten. Allen würde ich den Preis gönnen. Am meisten steckt vermutlich Badawi in der Patsche. Aber auch ein geteilter Preis an Snowden und Manning wäre eine Riesenklatsche für die USA und Obama. Ganz geschickt könnte Oslo damit auch ausdrücken, daß der Preis von 2009 eine doofe Idee war.

Aber vermutlich wird es eher wieder ein „Ermutigungs-Nobelpreis“, der einen Mächtigen animieren soll noch aktiver zu werden.
Angesichts der dramatischen Weltlage wäre auch das eine nachvollziehbare Begründung. Viel genutzt hat sowas bisher allerdings nicht.

In der verfahrenen Lage der Levante und der Ostukraine bedürfte es wieder eines dynamischen und engagierten Staatsmannes mit Charisma.
Theoretisch steht dafür der Friedensnobelpreisträger Barack Obama zur Verfügung.
Aber praktisch ist es wohl so, daß sich die fünf Mitglieder des Osloer Nobelpreis- Komitees jeden Tag seit ihrer Entscheidung von 2009 in Grund und Boden schämen. Guantanamo-Todesstrafen-Drohnenkrieger-Obama hält sich bei internationalen Friedensbemühungen demonstrativ zurück. Er unternimmt nichts, sondern heizt im Zweifelsfall mit verbalen Attacken Konflikte weiter an.
Naja, die Norweger haben etwas westliche Schlagseite, wenn man sich die Verteilung der Friedensnobelpreise nach Nationen ansieht:
USA: 21, GB: 12, Frankreich: 9,…,.. Deutschland immerhin noch: 4, am Ende liegen Russland (inkl Sowjetzeit) mit ZWEI Friedensnobelpreisen und China mit einem.

Zuhause in Washington rockern die bellizistischen GOPer dermaßen rum, daß man es Obama schon hoch anrechnen muß, wenn er nur schmollend im Oval Office sitzt und nichts tut.

Deutsche Zeitungen orakeln derweil über die Chancen von Angela Merkel.
Privatpersonen dürfen zwar keine Nobelpreiskandidaten nominieren, aber im treuen Kanzlerwahlverein CDU finden sich natürlich immer genügend Speichellecker, die den eigenen Kanzler in Oslo vorschlagen. Helmut Kohl war über zig Jahre kontinuierlich nominiert.

[….]  Der Direktor des Osloer Friedensforschungsinstituts Prio räumt Angela Merkel gute Chancen auf den diesjährigen Friedensnobelpreis ein.
[….]  Seien es die US-Präsidenten Theodore Roosevelt, Woodrow Wilson und Barack Obama, PLO-Chef Jassir Arafat und Israels Premier Yitzhak Rabin oder vor drei Jahren die Europäische Union - nicht immer stießen die Entscheidungen des Komitees auf ungeteilte Zustimmung.
Angeblich könnte die Liste der umstrittenen Preisträger dieses Jahr um einen Namen ergänzt werden: Angela Merkel. Diverse Medien küren die Kanzlerin zu einer der Favoritinnen und attestieren ihr "gute Chancen". Als Grundlage für die Spekulation gelten die "Meinungen von Experten".
Tatsächlich ist es ein Experte, der sich als Merkels Fürsprecher hervortut: Kristian Berg Harpviken, der Direktor des Osloer Friedensforschungsinstituts Prio. Die Bundeskanzlerin habe in der Flüchtlingskrise "moralische Führungsstärke" gezeigt, sagt Harpviken. Damit habe sie "in einer kritischen Zeit" Verantwortung übernommen, um die sich andere Politiker gewunden hätten. Merkel "duckt sich vor konkreten und schwierigen Diskussionen nicht weg", lobt Harpviken. "Und wir wissen, dass sie nominiert ist - sie könnte den Preis also bekommen." [….]

EXPERTE!
Merkel "duckt sich vor konkreten und schwierigen Diskussionen nicht weg."
Harpviken kennt die Kanzlerin offenbar ganz genau! Das sind ja exakt ihre Charaktereigenschaften: Führungsstärke, konkret sein, Entscheidungen treffen, Kurs vorgeben, Klartext.

Wie groß die Chancen der Kanzlerin wirklich sind, kann ich nicht beurteilen.
Aber die SZ weist deutlich daraufhin, daß Harpviken bisher noch nie richtig lag.

Zu entscheiden haben es nur fünf Personen, wovon eine, nämlich Ytterhorn, ultrarechts ist:

Vorsitzender: Kaci Kullmann Five (Konservativen Partei)
Thorbjørn Jagland (sozialdemokratische Partei)
Inger-Marie Ytterhorn (Fortschrittspartei)
Berit Reiss-Andersen (Rechtsanwältin)
Henrik Syse (Senior Researcher am Peace Research Institute in Oslo)

Einstimmigkeit ist ebenso wenig gefordert wie Begründungen oder ein bestimmter Wahlmodus.

Vielleicht also tatsächlich Merkel als nächste Friedensnobelpreisträgerin?

Toller Plan, die Frau, die massiv den Irakkrieg unterstützte, die so viel Waffen in Krisengebiete exportiert wie nie zuvor, die 0,7%-Entwicklungshilfezusage nie einhält, welche die Flüchtlings-Killeraktionen im Mittelmeer mit zu verantworten hat, die gleich zu Anfang ihres CDU-Vorsitzes eine Anti-Ausländer-Unterschriften-Kampagne initiierte, deren Partei beispielsweise in Sachsen klar xenophobe Politik macht, soll den Friedensnobelpreis bekommen.