Manchmal
staune ich ja doch noch, wie einig sich Volk und Presse sind.
Heute sind
Zeitungen, Internet und Glotze voll des Lobes über Joachim Gauck.
Der Mann
scheint eine Kreuzung aus Jesus und Einstein zu sein.
Die
Grünen liegen ihm zu Füßen und jubilieren, Gauck habe dem Amt die Würde
zurückgegeben.
Ich habe
so gut wie keine andere Meinung gefunden. Alle lieben Gauck und das wird nur von
einem Mann übertroffen: Gauck selbst ist sein eigener größter Fan.
Er
findet sich so ungeheuer fabelhaft, daß er leider nicht dazu kam mal eine
rauchende Ruine einer Flüchtlingsunterkunft zu besuchen, weil er zu sehr damit
beschäftigt war sein Spiegelbild zu küssen.
Bei den
großen weltpolitischen Fragen war Gauck stets ein Totalausfall, schwieg über
Monate zu den fremdenfeindlichen Anschlägen, zur EU-Griechenland-Krise, zu den
massenhaft missbrauchten Opfern der beiden Kirchen, zur xenophoben Stimmungsmache
bei der Antiausländermaut und Minderheitenrechte sind ihm ohnehin egal.
Der
neoliberale Gauck ist zudem ein intellektueller Underachiever, der immer wieder
seine verblüffenden Bildungslücken offenbarte.
That
said, bin ich natürlich froh, daß Gauck heute verkündete keine weiteren fünf
Jahre zu amtieren.
Ich
halte ihn für den drittschlechtesten Bundespräsidenten nach Lübke und Carstens.
Im Gegensatz zum bundesrepublikanischen Narrativ vom großen Präsidentenglück
nach 1949, glaube ich, daß Deutschland weit bessere Präsidenten hätte haben
können.
Herzog,
Köhler und Wulff haben keinerlei Akzente gesetzt.
Die ins
Spiel gebrachten Gegenkandidaten Carl-Friedrich von Weizsäcker, Marion Gräfin
Dönhoff oder Hildegard Hamm-Brücher wären deutlich besser gewesen.
Schon
lange drehte sich hinter den Kulissen das 2017ner Kandidatenkarussell, denn
Gaucks Alter ist schließlich kein Geheimnis.
Heute platzen
die Zeitungen mit langen Kandidatenlisten heraus.
So
generiert man Aufmerksamkeit. Kostenlose Aufmerksamkeit, denn das sind alles
nur Spekulationen ohne Wert.
Bundespräsidenten
werden nicht vom Volk gewählt und auch nicht in den Redaktionen auf den Schild
gehoben, sondern ganz unspektakulär unter den Parteichefs ausgeklüngelt.
Merkel,
Gabriel und Seehofer werden also letztendlich bestimmen, wer es denn wird.
Solche
Klüngelrunden haben manchmal eine unfreiwillig komische Note. Ich grinse immer
noch bei der Vorstellung von Stoibers entsetzen Gesichtsausdruck, als der
Bundespräsident im März 2004 in Westerwelles Privatwohnung ausgeknobelt wurde.
Die
damaligen drei Parteichefs hatten die Presse ausgetrickst und sich heimlich
beim FDP-Chef zu Hause getroffen, der sie auf Socken mit rutschfesten
Gumminoppen empfing.
Zu essen
gab es nichts und so hockte man zu dritt in Westerwelles Wohnzimmern unter den
riesigen schwulen Knabengemälden des schwulen Künsters Norbert Bisky – dem Sohn
des PDS-Chefs Lothar Bisky.
Heraus
kam am Ende der Name „Horst Köhler“, den 99% der Deutschen noch nie vorher
gehört hatten. Am meisten wunderte sich Guildo Horn („Piep, piep, piep, ich hab
dich lieb!“, * 15. Februar 1963 als Horst
Köhler in Trier) über die Verkündigung und konnte sein Glück kaum fassen Bundespräsident
zu werden.
Als
Freund der repräsentativen Demokratie gefällt mir das deutsche Wahlsystem über
die Bundesversammlung. Dadurch ist eine größtmögliche Repräsentanz gegeben und
uns bleibt ein widerlicher Populismuswettbewerb wie zuletzt in Österreich
erspart.
Neun
Monate vor der Wahl mit Namen um sich zu werfen ist albern und überflüssig.
Aber
kurzweilig.
Brisanz
bekommt die Causa dadurch, daß es eine wichtige Personalentscheidung ist, die
weitgehend von Merkel abhängig ist.
Zwar
gibt es eine knappe rotrotgrüne Mehrheit in der Bundesversammlung (~626:619),
so daß Gabriel CDU/CSU/AFD/FDP ganz gewaltig ärgern könnte – zumal Katja
Kipping bereits signalisierte einen RRG-Kandidaten mit zu wählen, aber wie
schon so oft sind Rot und Grün leider viel zu doof dazu und lassen sich lieber
einen Konservativen aufs Auge drücken.
Derzeit scheinen
es insbesondere die Grünen zu sein, die kurz vor der Bundestagswahl 2017 auf
keinen Fall ein RRG-Signal senden wollen, weil sie auf eine schwarzgrüne
Koalition im Bund setzten.
Hochwahrscheinlich
also, daß die fromme Merkel-Freundin Katrin Göring-Kirchentag ihre Partei auf
CDU-Kurs trimmt.
Es liegt
also alles in der Hand Merkels und damit ausgerechnet bei der Frau, die ein
extrem schlechtes Händchen für Personalentscheidungen hat.
Merkels
Menschenkenntnis ist legendär schlecht.
Wann
immer sie persönlich eine Personalie durchsetzt, stellt sie sich kurz darauf
als grober Fehler heraus.
Man
denke nur an die lange Reihe völlig unfähiger CDU-Generalsekretäre und Staatsminister
ihres Kanzleramts, die allesamt in Rekordtempo Merkel blamierten, indem sie
sich von Lobbyisten abwerben ließen.
Beide
Bundespräsidenten, die sie durchsetzte, Köhler und Wulff, traten unter extrem
blamablen Umständen zurück.
Das wird
lustig zu sehen, wenn die Kanzlerin wohl diesmal vorschlägt.
Mit
hoher Wahrscheinlichkeit wieder ein extrem ungeeigneter Mensch.
Man
erinnere sich auch an die Wulff-Wahl von 2010, als Merkel trotz gewaltiger
CDU/CSU/FDP-Mehrheit in der Bundesversammlung um ein Haar scheiterte und den
ganzen Tag bis zum dritten Wahlgang brauchte, um den ungeliebten Wulff
durchzudrücken.
Eine
einsame Entscheidung für einen charakterlich ungeeigneten CDU-Karrierist wird
Merkel 2017 wegen der Mehrheitsverhältnisse nicht noch einmal wagen. Ein
gewisser überparteilicher Konsens ist erforderlich, um Merkel nicht erneut zu
blamieren.
Um ihr
Wahlvolk zu erfreuen, muß es eine Person sein, die nicht aus dem innersten
politischen Zirkel kommt und um Merkel das Leben zu erleichtern, darf es auch
kein zu selbstbewußter Menschen sein, der ihr womöglich in die Quere käme.
Gauck
war in dieser Hinsicht ideal, denn er beschäftigte sich im Grunde nur mit dem
Gauck-sein an sich und hatte nie das Rückgrat tatsächlich ein umstrittenes Gesetz,
wie das zum ESM-Mechanismus, nicht zu unterschreiben.
Er tat
also brav alles was Merkel wollte, galt aber dennoch kurioserweise beim
Wahlvolk als unabhängiger und freier Geist.
Eine
richtig schwierige Aufgabe für Merkel.
Sie
entscheidet.
Ich
nicht.
Hätte
ich die Macht einen Bundespräsidenten zu bestimmen, wüßte ich aber auf wen
meine Wahl fiele:
Herta Müller wäre ideal.
Herta Müller wäre ideal.
Müller, (*1953
in Nițchidorf, Rumänien), emigrierte 1987 nach Deutschland und bekam 2009
hochverdient den Literaturnobelpreis verliehen.
Sie ist
eine extrem mutige und unbestechliche Frau.
Im
diametralen Gegensatz zu Gauck ist Müller eine hochintelligente und engagierte
Person, die sich eben gerade nicht selbst genügt.
Neben ihrer intensiven
schriftstellerischen Arbeit findet Müller immer wieder Zeit für öffentliche
Aufgaben im In- und Ausland: Sie nimmt Gastprofessuren an deutschen
Universitäten wahr, (Hamburg, Bochum,Tübingen, Berlin, Paderborn) und wird
writer in residence im Ausland (University of Warwick, Dickinson College,
University of Wales in Swansea , University of Florida). Im Jahre 2010 wurde
ihr die Ehrendoktorwürde von der Frauenuniversität Seoul verliehen und im Jahre
2012 erhielt sie die gleiche Ehre von der Universität Paderborn, der
Universität Swansea und dem Dickinson College. Eine Konstante in ihrem Leben
ist ihr unermüdlicher Einsatz für Menschenrechte und die öffentliche Kritik an
intellektueller Feigheit.
Müller
ist eine brillante Denkerin und Rednerin, die aus eigenem Vermögen die Rolle
als Bundespräsidentin ausfüllen könnte.
Sie
schreibt tagesaktuelle Texte, die dann zum Beispiel 2013 im SPIEGEL erscheinen („Vorschlag eines Exilanten-Museums“) und so kommentiert werden, daß sie dafür gleich einen zweiten Nobelpreis verdient hätte.
Ich
unterstütze den Vorschlag Müller mit weiteren Nobelpreisen zu ehren
ausdrücklich.
Es sprechen
so viele Gründe für Herta Müller als Bundespräsidentin, daß ich nicht verstehe,
wie man an andere Kandidaten denken kann.
1)
liebe ich diese Frau
2)
ist sie keine Politikerin
3)
ist sie intelligent und gebildet
4)
würde sie als Nobelpreisträgerin ein klares Signal in Richtung
"Kulturnation" aussenden
5)
ist sie Migrantin
6)
kennt sie diktatorische Regime aus eigener Erfahrung und würde im Ausland
extrem glaubwürdig Stellung beziehen können
7)
könnte sie in der Bundesversammlung durchsetzbar sein
8)
ist sie nicht wie damals Köhler oder nun Jutta Allmendinger zu unbekannt
9)
ist sie keine Pfäffin wie Gauck, Käßmann oder Lieberknecht
10)
ist sie endlich mal kein Mann
11)
hat sie mit 62 Jahren das beste Bundespräsidentenalter
12)
beweist sie durch ihre Vita ihre Unerschrockenheit und ihren Mut
13)
würde sie sich nicht von Parteichefs manipulieren lassen
14)
staunte das Ausland über diese Wahl
15)
wäre ich endlich mal stolz auf Deutschland.
Leider
entscheide ich aber nicht, sondern Merkel.
Und die
mag Typen wie Pofalla oder Gröhe.