Mittwoch, 31. Januar 2018

Fromme Ansichten



Frank Walter Steinmeier ist jetzt als Bundespräsident sogar noch beliebter als zuvor und er ist immerhin schon seit 2005 einer der beliebtesten Politköpfe der Deutschen.
Ich stimme nicht in den Chor seiner Fans ein, da ich als überzeugter Atheist Menschen misstraue, die sich öffentlich fromm und geradezu fanatisch kirchenaffin geben. Steinmeier ist derartig religiös, daß er in einer Sozi-Liga mit Nahles, Thierse und Griese mitspielt.


Zugegeben, Steinmeier ist vermutlich grundehrlich und auch nicht auf den Kopf gefallen. Undenkbar, daß er sich als Außenminister peinliche Blößen wie der stets uninformierte Luftikus Westerwelle geben würde oder Ausraster wie Kinkel zuließe.
Steinmeier ist auch kein latent betrügerischer Schwätzer wie 15 CDU/CSU-Politiker, die ihre Doktorarbeit fälschten oder plagiierten, um sich ohne Aufwand mit Titeln schmücken zu können.
So reißt Andi Scheuer („Wer betrügt, fliegt!“) eben ungeniert weiter das Maul auf, nachdem er (bei seinem Dr.-Titel) betrog und nicht flog.
Steinmeiers Dissertation wurde auch auf Herz und Nieren geprüft. Sie ist aber nicht nur 100% Original-Steinmeier, sondern soll, wie mir diverse Juristen versichern, auch noch ausgesprochen brillant sein.

Die tiefe religiotische Grundüberzeugung führt aber eben auch bei Steinmeier wie so oft zu enormer moralischer Kompromissfähigkeit.


Wenn man schon so fromm ist, darf man doch bei anderen Dingen lockerer sein.
Ein bekanntes Phänomen, das jeder kennt, der schon mal dachte „jetzt will ich aber nicht auch noch den Müll rausbringen; ich habe schließlich schon drei Stunden die Küche geputzt!“
Das eine hat mit dem anderen zwar nichts zu tun und der Müll muss dennoch dringend rausgebracht werden, aber psychologisch bildet man sich ein durch andere gute Taten davon befreit zu sein.
Deswegen sind fromme US-Evangelikale auch so gern bereit Trump das Pussygrabben, die Vulgarität und das Schweigegeld für Pornostars zu verzeihen.
Aus ihrer Sicht tut er nämlich so viel christliches (Schwule diskriminieren, Muslime rauswerfen, Waffen fördern), daß er die Freiheit hat sich Dinge zu erlauben, für die man Obama zutiefst verachtet hätte.
Obama war aus ihrer Sicht bekanntlich ein schwuler Muslim-Atheist aus Kenia, der zudem auch noch dunkelschwarz war und dem man somit nicht den kleinsten „weiteren Fehler“ verzeihen konnte.
So geht christliche Logik, die Steinmeier – natürlich in weniger radikaler Form – auch beherzigt.
Nachdem er nämlich Bundespräsident wurde, damit den höchsten protokollarischen Rang aller Deutschen einnimmt, veränderte sich seine Einstellung zu Menschen in Not.



Ein bißchen Pegida klingt schon an, wenn das Staatsoberhaupt auf „Wirtschaftsflüchtlinge“ herabblickt.

[…..] Mit Blick auf die Lage in Deutschland hatte Steinmeier die Unterscheidung zwischen Asylberechtigten und Wirtschaftsflüchtlingen bekräftigt. Politisch Verfolgte erhielten Asylrecht oder Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention und auch Bürgerkriegsflüchtlinge könnten in Deutschland Schutz erhalten.   "Die Suche nach einem wirtschaftlich besseren Leben, die individuell immer berechtigt sein kann, begründet aber nicht das Recht auf Aufnahme in Deutschland", hatte Steinmeier in einem Interview einer jordanischen Tageszeitung betont und hinzugefügt: "Vor allem um den politisch Verfolgten gerecht zu werden, müssen wir diese Unterscheidung wieder ernst nehmen." [….]

Da ist auch der stramm rechte TE ganz erregt vor Glück.

Man muss wohl ein echter Christ sein, um wie Steinmeier mit einem 218.000-Euro Ehrensold auf Lebenszeit ausgestattet, ausgerechnet in Jordanien, das pro Einwohner 100 mal mehr Flüchtlinge als Deutschland aufnimmt, darauf zu verweisen, daß die Armen in Deutschland nichts zu suchen hätten.

Was soll überhaupt ein „Wirtschaftsflüchtling“ genau sein, wenn sich von Tichy über Söder, Gauland, de Maizière, Steinmeier, Spahn, Kauder, Dobrindt und Scheuer alle so sicher sind, daß die keinesfalls nach Deutschland dürften?

Erwartet der Mann mit dem 218.000-Euro-Jahresgehalt (zuzüglich Personal, Büro, Fahrer, etc auf Lebenszeit), daß Menschen lieber klaglos verhungern, statt irgendwie zu versuchen zu überleben?

Zur gemeinsamen Veröffentlichung des Welternährungsbericht 2017 durch UN-Organisationen erklärt Uwe Kekeritz, Sprecher für Entwicklungspolitik:
 Der Anstieg der Hungerleidenden in der Welt auf 815 Millionen Menschen ist ein Armutszeugnis - auch für die deutsche Bundesregierung. Im Vergleich zum Vorjahr hungern weltweit gewaltige 38 Millionen Menschen mehr. Es zeigt sich: Die Auswirkungen der Klimakrise sind verheerend. Deutschlands Beitrag zum Klimaschutz stagniert seit Jahren. Die Krise im östlichen Afrika hatte sich lange angekündigt. Die Opposition hatte wiederholt an die Bundesregierung appelliert – passiert ist viel zu wenig.
 Dass im Jahr 2017 mehr als jeder Zehnte Mensch Hunger leiden muss, ist ein Skandal. Millionen Kinder leiden ihr Leben lang unter den Folgen. Dabei gibt es schon heute mehr als genug Nahrungsmittel auf unserem Planeten.
Die Politik der Bundesregierung verschärft den Hunger. Sie behauptet Fluchtursachen zu bekämpfen, genehmigt aber Waffenexporte in Krisengebiete und schließt Verträge mit zweifelhaften Regimen. Gleichzeitig fehlen weiterhin Mittel für die am wenigsten entwickelten Länder. Bundeskanzlerin Angela Merkel spielt die Klimakanzlerin aber steht beim Kohleausstieg auf der Bremse. Deutsche G7 und G20-Präsidentschaften kommen und gehen aber die strukturelle Unterfinanzierung für lebensnotwendige Hilfsmaßnahmen ist keinen Schritt weiter. Der eine CSU-Minister, Gerd Müller, schwärmt in Sonntagreden vom fairen Handel. Gleichzeitig öffnet sein Parteifreund, Minister Christian Schmidt die Schleusen für deutsche Agrarexporte. Darunter leidet vor allem die kleinbäuerliche Landwirtschaft - das Rückgrat der Welternährung.
Wir brauchen eine Bundesregierung die sich beherzt gegen den Hunger in der Welt einsetzt. Die  echten Klimaschutz betreibt, überzeugend für den fairen Handel einsteht und eine nachhaltige Agrarpolitik vorantreibt. Die zivile Krisenprävention statt Waffenexporte stärk und Fluchtursachen, nicht Flüchtlinge bekämpft.

815 Millionen Menschen, von denen täglich allein 15.000 – 20.000 Kinder verhungern, werden also von uns nicht nur ignoriert, sondern auch noch mit dem negativ konnotierten Etikett „Wirtschaftsflüchtling“ behaftet, sobald sie es wagen sich dort wegzubewegen, wo sie nur verhungern können.


Dabei liegt die deutsche Entwicklungshilfe seit Amtsantritt Merkel deutlich unter den Zusagen.
Während die Haushalte der Bundesländer und des Bundes 2017 alle so große Überschüsse generierten, daß man gar nicht mehr weiß wohin mit dem Geld – 45 Milliarden hatten allein die Groko-Sondierer zur freien Verfügung, um Wählergeschenke zu machen – denken wir gar nicht daran tatsächlich Fluchtursachen zu bekämpfen und Hungernden vor Ort zu helfen.
Dabei wäre das deutsche Volk durchaus bereit großzügiger zu sein – die zu 100% mit Christen besetzte gegenwärtige Bundesregierung tut es aber nicht.

CIVEY 31.01.2018
[….] „Die absolute Zahl der Hungernden ist seit dem Jahr 2015 nach Angaben der FAO wieder auf 815 Millionen Menschen gestiegen. Viele Krisen und Kriege, etwa in der Zentralafrikanischen Republik, im Südsudan, in Nigeria und Somalia sowie im Jemen dauern an. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die humanitäre Katastrophe weiter zuspitzt. DIE LINKE fordert daher nachdrücklich politische Lösungen, etwa im Jemen oder in Syrien, wo Berlin mit logistischer und finanzieller Unterstützung gezielt Einfluss auf den Kriegsverlauf nimmt. Die Bundesregierung muss zudem dringend Rüstungsexporte stoppen, vor allem nach Saudi-Arabien, dessen Regime die völkerrechtswidrige Seeblockade gegen den Jemen aufrechterhält. Hier schaut die Bundesregierung weg und verweigert eine klare, kritische Haltung. Die Welthungerhilfe weist zu Recht darauf hin, dass die soziale Ungleichheit einer der hauptsächlichen Gründe für Hunger ist. Deshalb muss die EU endlich ihre Handelspolitik ändern, die weiter auf die Ausbeutung der Rohstoffe der Länder des Globalen Südens setzt.“ [….]

Es ist sogar noch schlimmer, das wenige Geld, das Deutschland „für Flüchtlinge“ ausgibt, wird auch noch in unsere eigenen Taschen umgeleitet.

 […..] Die EU-Staaten, an führender Stelle Deutschland, nutzen Mittel der sogenannten Entwicklungshilfe zweckentfremdend zur Versorgung der in Europa angekommenen Flüchtlinge. Dies geht aus einer aktuellen Studie hervor. Demnach werden die Ausgaben etwa für die Unterbringung der Flüchtlinge dem Entwicklungsetat zugerechnet, um UN-Vorgaben zu dessen Höhe zu realisieren. Der so erreichte formelle Anstieg der Mittel geht der Studie zufolge mit einem realen Schrumpfen der Zahlungen an die am wenigsten entwickelten Länder einher. Im Fall der machtpolitisch aufstrebenden Bundesrepublik fungiert die Entwicklungshilfe zudem verstärkt als Hilfsmittel zur Durchsetzung geostrategischer Interessen sowie als Hebel zur Steigerung der Exporte in die Schwellenländer. Daneben zielt die deutsche Entwicklungspolitik nach Auskunft von Experten unmittelbar darauf ab, "den Flüchtlingszustrom zu reduzieren"; die Bundesregierung handle nach der Maxime, "Flüchtlinge von Deutschland fern zu halten". [….]