„Die Presse“, vom stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten, aber auch vom rechtspopulistischen CDU Chef Merz nach AfD-Art angegriffen und gewarnt, macht dennoch ihren Job. Natürlich ist es ihre Kernaufgabe, herauszufinden, von was für einem Mann die Bayern regiert werden.
Wenn es nicht so erbärmlich wäre, könnte man über Söders Verdikt von vor zehn Tagen – bei Aiwanger dürfe nun aber nichts mehr dazu kommen und er müsse Reue zeigen – lachen. Das Gegenteil geschah. Statt Reue, drückte er sich um Erklärungen und trommelte in Bierzelten wie ein Nazi-Gorilla auf seine Brust: Er solle fertig gemacht werden und wehre sich tapfer. Täglich kommt etwas Neues hinzu.
(….) Recht erbärmlich auch die Söder/Merzsche Verniedlichung der Aiwanger-Taten: Hitlergruß, Hitler-Frisur, Hitler-Schnauzer, Horst-Wessel-Lied grölen, „Mein Kampf“ auswendig lernen, Hitlers reden imitieren, "Schwarzbraun ist die Negersau" auf seine Ordner schreiben, Lehrer mit Säure attackieren oder zutiefst menschenverachtende antisemitische Pamphlete verfassen – für Unger ist klar: Das kann schon mal vorkommen, wenn sich die Eltern trennen oder man Probleme in der Schule hat. (….)
(Der rechte Faux Pas des Tages, 05.06.2023)
Immer mehr ehemalige Mitschüler melden sich und geben unisono bekannt, Hubert Aiwangers Nazi-Flugblatt sei mitnichten ein singuläres Ereignis, sondern er sei als überzeugter Neonazi bekannt gewesen, der immer wieder mit NS-Hetze auffiel und auch entsprechend bestraft wurde.
So habe er beispielsweise einst die Wände der Schultoilette mit riesigen Hakenkreuzen bemalt. Da Aiwanger als Schulnazi bekannt war, fiel der Verdacht sofort auf ihn. Der Direktor überführte ihn schnell und seine ganze Strafe bestand darin, die Hakenkreuze zu entfernen. So berichten es mehrere Zeugen gestern dem RBB-Magazin KONTRASTE.
[…..] Doris Thanner, ehemalige Mitschülerin von Hubert Aiwanger:
"Eine ganz stramm konservative Haltung, die sich eindeutig verbunden hat mit einer Begeisterung für Hitler und für Inhalte, die damals eindeutig nationalsozialistisch waren. Jemand, der eindeutig sympathisiert mit braunem Gedankengut."
Wir treffen Stephan Winnerl. Er war Schülersprecher an Hubert Aiwangers Gymnasium – und äußert sich zum ersten Mal vor der Kamera. Winnerl erinnert sich noch genau an einen Vorfall:
Stephan Winnerl, ehem. Schülersprecher Burkhart Gymnasium Mallersdorf
"Das war eine Sache, da war ich als Schülersprecher befasst, da ging es um eine Hakenkreuz-Schmiererei auf der Toilette. Das waren vielleicht acht oder zehn Hakenkreuze über so eine Wand verteilt, relativ groß."
Schnell fiel der Verdacht auf den jungen Hubert Aiwanger, der bereits einen einschlägigen Ruf hatte.
Stephan Winnerl, ehem. Schülersprecher Burkhart Gymnasium Mallersdorf:
"Der Direktor hat mir dann zurückgemeldet, dass es tatsächlich Hubert Aiwanger war und dass er sich gefreut hat, dass das schnell aufgeklärt werden konnte und Hubert das beseitigen musste." [….]
Die politische Kultur in Deutschland wurde von Merz und Söder und Aiwanger zerstört.
[….] Friedrich Merz (CDU), Bundesvorsitzender:
"Gerade in den letzten Tagen hat er eine Aufgabe zu lösen gehabt, Markus, die ich finde, die hast du bravourös gelöst. Sehr gut. Genauso war es richtig, das so zu machen."
Was Merz "bravourös" nennt, sorgt bei andern für scharfe Kritik. Der bayerische Kabarettist Christian Springer ist auch nach Gillamoos gekommen. Bis vor kurzem war er noch per Du mit Aiwanger. Jetzt fällt er ein harsches Urteil:
Christian Springer, Kabarettist:
"Wenn es jetzt nicht um den Hubert Aiwanger ginge, dann hätten wir die Headline: Ex-Neonazi erpresst Markus Söder und hat Erfolg damit."
[….] Das liberale Urgestein Gerhart Baum hat etliche Debatten um Antisemitismus und die politische Kultur miterlebt und geprägt: Dass Aiwanger mit dieser Erklärung durchkommt – für ihn unbegreiflich.
Gerhart Baum (FDP), ehem. Bundesinnenminister
"Eine jämmerliche Verteidigung, besteht im Wesentlichen aus Erinnerungslücken. Einige Dinge erinnert er sich ganz genau. Andere, die wichtig wären jetzt, erinnert sich nicht mehr. Es ist im Grunde eine Zumutung, dass Söder das abgenommen hat." [….] "Es ist einfach so, dass ich mich frage: Wäre das vor einigen Jahren oder Jahrzehnten überhaupt möglich gewesen, dass man über so eine Sache einfach hinweggeht? Es ist ein Bruch und wird vielen Menschen die Hemmung nehmen, sich jetzt zu äußern und zu sagen: Jetzt können wir es ja mal wieder sagen."
Als würde es nicht reichen, was bei manchem Aiwanger-Anhänger schon heute als sagbar gilt, hier gegenüber einem Team des ZDF:
"Wir haben auch früher oft einen auf kleinen Hitler gemacht und gespielt mit 15, 16 Jahren. Das war wirklich nicht so schlimm. Was heute da gemacht wird, das ist das ganze Gesockse von den Grünen, von den Linken. Von lauter Kommunisten werden wir nur noch regiert, so kann es doch nicht mehr weitergehen." […..]
AfD und Freie Wähler verschieben mit kräftiger Hilfe der Christsozialen, Springer und Christdemokraten, die Grenzen des Sagbaren soweit, daß Aiwanger seine Nazi-Vergangenheit, seine Lügen und seine Weigerung, den Sachverhalt aufzuklären, nicht nur von den Wählern verziehen werden, sondern er sogar dafür bewundert und bejubelt wird.
Zwei Drittel der Bayern würden heute eine rechtsextreme oder zumindest Rechtsextrem-tolerante Partei wählen, die sich nicht an öffentlichem Antisemitismus stört, fleißig gegen Minderheiten hetzt und Lügen verbreitet.
Bayern kaputt.
Demokratie kaputt.