Parteitaktisch
gesehen ist es tatsächlich klug von Merkel, daß sie recht un-ideologisch ist.
Sie macht das, was sich bei den Lobbyisten am besten auszahlt, sorgt für
glückliche Großspender und wohlgesonnene Verleger-Milliardäre.
So
klafft zwar die soziale Schere in ihrer Kanzlerschaft immer gewaltiger auf,
weil einseitig das obere eine Prozent der Deutschen immer reicher wird, aber
das ist für die Wiederwahlchancen unterm Strich besser, als umgekehrt.
Arme und
Ungebildete gehen ohnehin fast nicht wählen oder neigen dazu Protestparteien
anzukreuzen.
Das
obere Prozent ist hingegen ein bestens vernetztes Multiplikatoren-Konglomerat,
das für gute Stimmung, wohlwollende Presse und volle Parteikassen sorgt.
Und wenn
es mal allzu sehr der politischen Stimmung abträglich ist, ist Merkel jederzeit
bereit das Gegenteil des bis eben Behaupteten zu tun.
Atomeinstieg/Atomausstieg,
Wehrpflicht/Berufsarmee, gegen/für Autobahnmaut – Merkel ist das alles im
Grunde egal und tut das was ihren demoskopischen Werten am meisten nützt. Kein
Regierungschef vorher ließ so massiv das Volk von Meinungsforschern ausspähen.
Zweimal wöchentlich erhält Merkel Berichte darüber was das Volk denkt und passt
ihre Linie a posteriori an.
Die Methode
mag demokratisch wirken, ist aber realpolitisch untauglich, denn was das Volk
mehrheitlich denkt – kein Geld für die faulen Griechen, Gauck ist ganz toll, Burkas
verbieten – ist oft falsch.
Gelegentlich
ist das Volk auch mal irritiert, wenn die begnadete Kontorsionistin Merkel zeigt
wozu sie ob ihres entfernten Rückgrates fähig ist.
Der Kotau vor Erdogan
ist ein ungeheuerlicher Skandal: Dass sich die Bundesregierung de facto von der
Armenien-Resolution des Bundestages distanziert und damit auf die Erpressung
von Erdogan hin bereit ist, die feststehende Tatsache zu leugnen, dass es vor
100 Jahren in der Türkei einen Völkermord an den Armenierinnen und Armeniern
gab, ist ein ungeheuerlicher Skandal. Eine Regierung, die sich von den USA zu
Sanktionen gegen Russland, zum Wegsehen gegenüber dem Ausspähen ihrer
Bürgerinnen und Bürger durch einen amerikanischen Geheimdienst und nun auch von
Erdogan erpressen lässt, gibt ihre Eigenständigkeit und Souveränität in
beachtlichem Umfang auf. Und wozu das Ganze? Weil Erdogan anderenfalls nicht
erlaubt, dass Bundestagsabgeordnete die auf einem türkischen Militärstützpunkt
stationierten Bundeswehrsoldaten besuchen. Es gibt auch eine souveräne Reaktion
auf Erdogans Erpressung: Die Stationierung wird beendet. Im Übrigen ist dieses
Verhalten der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag grundgesetzwidrig. Der
Bundestag steht über der Bundesregierung, sie ist ihm rechenschaftspflichtig
und wird von ihm kontrolliert. Sie hat nicht das Recht, ihn zu negieren, zu
missachten.
Ich
wundere mich, daß sich die aufgebrachten Linken und Grünen jetzt so wundern.
Wer hat
denn ernsthaft erwartet, daß Merkel gegenüber der Türkei auf einmal knallhart
und konsequent wird? Einknicken kann sie wie keine Zweite.
„Abhören
unter Freunden geht gar nicht“ und dann nahm sie achselzuckend weiter das
Treiben der NSA hin, will den Fall noch nicht mal aufklären lassen, weil sonst
Washington verstimmt sein könnte. Daher hält sie die Selektorenliste unter
Verschluss und wagt es nicht Ed Snowden einzuladen.
Erdogan
hat zudem mit 2,5 Millionen Flüchtlingen das ultimative Druckmittel in der
Hand. Selbstverständlich wirft sie sich also vor ihm in den Staub und küsst ihm
so lange die Füße bis er zufrieden ist.
Viel
eigenartiger und verwunderlicher sind die ganz wenigen Fälle, in denen Merkel
doch so ideologisch denkt, daß sie sich dafür ohne Rücksicht auf Verluste
einsetzt.
Das
kommt zwar extrem selten vor, aber es gibt diese Fälle.
Merkel
wollte beispielsweise unbedingt an der Seite George W. Bushs am Irakkrieg teilnehmen.
Obwohl das in Deutschland sagenhaft unpopulär war, flog sie eigens nach
Washington, um coram publico vor Bush auf den Knien zu rutschen.
Ebenso
verrückt und ideologisch ist ihre persönliche Aversion gegen Putin, die Merkel
zum Schaden der deutschen Außenpolitik konsequent auslebt. Dabei umschmeichelt
sie immer wieder Staatschefs, gegen die Putin ein wahrer Vorzeigedemokrat und
Verfechter der Menschenrechte ist. Ägyptens Präsident Al-Sisi,
der hunderte Menschen willkürlich hinrichten ließ empfing Merkel mit allen
Ehren am 03.06.2015 im Kanzleramt.
Erst vor drei Tagen, am 29.08. öffnete Merkel
ihr Arbeitszimmer für den turkmenischen Despoten Gurbanguly Berdimuhamedow, der
von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert wird und bezüglich seines
Personenkultes nur noch mit Kim Jong Un vergleichbar ist.
Just lud
Merkel den Saudischen Kronprinzen Innenminister Mohammed bin Naif und
Verteidigungsminister Mohammed bin Salman zu einem Besuch voraussichtlich Ende
2016 nach Berlin ein und ehrt damit das Land, das Terror finanziert, 10.000
Jeminiten abschlachten lässt, hunderte Atheisten und Schwule hinrichten läßt.
Stört Merkel
kein bißchen.
Aber
Putin wird seit Jahren auf ihr Betreiben von Gesprächen ausgeschlossen.
Verrückt
ist auch, daß Merkel ihren dubiosen Finanzminister gewähren lässt, obwohl seine
Politik eine der Hauptgründe für den desaströsen Zustand der EU ist.
Schäubles
Austeritätsdiktat ist die Hauptursache für das Aussterben des europäischen
Solidaritätsgedanken und die enorme Stärke der Rechtsradikalen und
Europafeinde.
Ich
verstehe nicht, wieso die superflexible Merkel ausgerechnet in diesem Punkt so
verbohrt auf einer bewiesenermaßen völlig falschen Politik beharrt.
G20-Gipfel: Deutscher
Bremsklotz
Zum anstehenden G-20 Gipfel in Hangzhou, China
erklärt Jürgen Trittin, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss:
Deutsche Ideologie
bremst die G20 aus. Während China massiv Investitionen in Infrastruktur
forciert, ist Deutschland bei Investitionen das Schlusslicht unter den G20. Die
Konsequenz: unsere Infrastruktur zerfällt. Deutschland wird dadurch immer
ärmer. Den Preis dafür zahlen künftige Generationen. Das Investitionsdefizit
hat Merkel massive Kritik ihrer G20 Partner eingebracht. Der Vorwurf zielt auf
die Politik, einerseits große Handelsüberschüsse einzufahren und gleichzeitig
die EU-Nachbarstaaten zur Austerität zu zwingen. Mit seiner ideologischen
Investitionsverweigerung ist Deutschland bei den G20 weitgehend isoliert. Es
ist höchste Zeit, für die Wende. Wir müssen endlich in die Zukunft investieren.
Auch beim Klimaschutz
blockiert die Bundesregierung. Mit dem Festhalten an der Diesel-Subvention und
der dreckigen Kohle bremst die Bundesregierung die Energiewende aus. So wird
Deutschland wird seine Klimaziele verfehlen. Es droht, dass die historische
Chance vertan wird, mit den G20 die Weichen für die Umsetzung des Pariser
Klimaabkommens zu stellen.
(Pressestelle
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 02.09.2016)