Donnerstag, 23. Februar 2012

Ätschibätschi - nänänänänänänääää!


In den letzten 30 Jahren habe ich so oft über Israel und den „Nahost-Konflikt“ diskutiert, daß ich behaupte inzwischen jeden Aspekt bedacht zu haben.
Wann immer ich in diesem Blog das Thema kommentiert habe, vermied ich es mich eindeutig zu positionieren. Das ist zwar untypisch für mich, aber es liegt einfach an der Natur der Sache - die Lage ist so verfahren, daß ich inzwischen für sehr viele verschiedene Ansichten Verständnis aufbringen kann.

Besonders übel an der Gemengelage ist natürlich, daß es sich nicht „einfach“ um zwei Konfliktparteien handelt, sondern noch jede Menge andere Nationen, Religionen und Lobbyisten ihr Süppchen auf Kosten der Opfer vor Ort kochen.

Hamas, Hisbollah, Amerika, die GOP, der Iran, Ägypten, Jordanien, Irak, die Türken, der Papst, Saudi Arabien, Glen Beck, Sarah Palin, generell Juden, Christen und Moslems, das Weiße Haus, die EU, Syrien, Rüstungsexporteure, Geheimdienste aller Couleur, etc pp. 

Alle mischen sich ein und beileibe nicht alle haben gute Absichten.

Fokussiert man den Blick auf die unmittelbaren Akteure, die „Inländer“, ist es allerdings ziemlich einfach einen Konsens darüber herzustellen, wer die größten Friedensbremsen sind: 

Nämlich die Ultrareligiösen auf beiden Seiten.

Es hilft sicher nicht dem Frieden einen Millimeter näher zu kommen, wenn durchgeknallte Imame Kindern Bombengürtel umschnallen und ihnen einreden sie würden zu Märtyrern, wenn sie sich selbst in die Luft sprengten. 
Diese Leute gibt es auch unter Juden; es sei nur an Baruch Goldstein, den in Amerika aufgewachsenen Arzt erinnert, der am 25.02.1994 am Grab der Patriarchen in Hebron einen Terroranschlag auf muslimische Palästinenser verübte, bei dem 29 getötet und 150 verletzt wurden.

Wer ernsthaft Frieden im Heiligen Land erreichen möchte, müßte zunächst einmal die Ultrareligiösen stoppen. 

Die Orthodoxen Juden (eine Bezeichnung, die eigentlich schon einen Superlativ impliziert) haben sich erst zu UTRA-Orthodoxen und schließlich zu Ultra-Ultraorthodoxen gewandelt. 

In ihrem Gotteswahn bauen sie wie die Webervögel Häuser auf Palästinensischem Gebiet und zementieren mit jeder Siedlung den Unfrieden.

Bedauerlicherweise will es das Koalitionsgerangel so, daß stets die Ultra-Religiösen von der Schas-Partei das Zünglein an der Waage spielen. (Schas = A Sephardic-Haredi party, whose original name was "Sephardi Keepers of the Torah", that was established toward the elections for the Eleventh Knesset in 1984, as a protest against the peripheral representation of Sephardim within the Agudat Yisrael list.)

Verrückt; obwohl sich 70% der Israelis als „säkular“ empfinden, sind immer die schlimmen Fundis in der Regierung.
 Auch in der gegenwärtigen Bibi-Regierung stellt Schas gleich vier Minister.

Bei den letzten Knesset-Wahlen im Februar 2009 erhielt die Schas elf Sitze.
 Ihre Abgeordneten Chaim Amsellem, Ariel Atias, David Azoulay, Amnon Cohen, Yitzhak Cohen, Yakov Margi, Avraham Michaeli, Meshulam Nahari, Yitzhak Vaknin, Eliyahu Yishai und Nissim Zeev achten peinlich genau darauf, daß den Palästinensern keine Zugeständnisse gemacht werden.

Rabbi Ovadia Jossef, das geistliche Oberhaupt der orthodoxen Schas-Partei in Israel wählt seine Worte so, daß gelegentlich sogar das Weiße Haus scharf protestiert.

Jossef hatte in seinem wöchentlichen Gebet in Jerusalem am Samstagabend gesagt, dass die Palästinenser "von unserer Welt verschwinden" sollten. "Möge die Pest sie befallen", sagte der Rabbi weiter.
(AFP 30.08.2010)

Noch viel verrückter sind die Privilegien der ultrareligiösen Bürger Israels. 
Rabbiner befinden ganz allein über Standesangelegenheiten (eine Zivilehe oder gar Scheidung gibt es nicht in Israel!), Ultraorthodoxe müssen nicht zur Armee und arbeiten auch nicht.

 Sie werden einfach vom Staat durchgefüttert und drücken der großen Majorität der Säkularen zum Dank dafür immer extremere Anweisungen aufs Auge. 

So müssen Frauen in vielen Jerusalemer Bussen hinten sitzen, sich quasi verschleiern, dürfen in der Armee nicht mehr singen, etc, pp.

Ultraorthodoxe Männer machen ihr ganzes Leben nichts anderes außer in Thoraschulen zu hocken, ihre Frauen zu schwängern und Leute anschwärzen, die sich nicht ebenso verhalten.
Beten, Poppen und Pöbeln.

Das ist in etwa so, als ob man in Deutschland die Piusbrüder von allen staatlichen Pflichten befreite, ihnen Alimente zahlte und sie dafür allein das Recht hätten Standesbeamte zu sein.

In Israel gibt es bekanntlich eine strenge Wehrpflicht:
 Jeder muß in die Armee: Männer drei Jahre und Frauen zwei Jahre.

Doch die Ultra-Orthodoxen trotzten einst dem Staatsgründer David Ben Gurion eine Ausnahmeregelung ab. Er gestand ihnen die freie Wahl zu, ob sie den Dienst an der Waffe verrichten oder lieber ganztags in den Jeschiwot, den Thora-Schulen, die heiligen Schriften studieren wollen.
Damals, im Jahre 1948, erschien das verkraftbar. Es handelte sich um lediglich 400 Ausnahmefälle, und überdies argumentierten die Religiösen, sie würden Israels Sicherheit betend befördern - durch die Pflege des Bundes zwischen Gott und seinem auserwählten Volk. Im Laufe der Jahre aber stieg die Zahl der Ausnahmegenehmigungen auch wegen der enorm hohen Geburtenraten der Ultra-Orthodoxen steil an: 2011 waren es bereits 71000 Jeschiwa-Studenten, die sich vom Wehrdienst hatten befreien lassen.

Generell staut sich aber immer mehr Wut gegen die Ultras und ihre Privilegien an.
Vor zwei Monaten kam es zu großen Demonstrationen gegen die Fundis im eigenen Land.

Mehrere Tausend Israelis haben in der Stadt Beit Schemesch bei Jerusalem gegen religiösen Fanatismus demonstriert. Menschenrechtsgruppen hatten zu der Kundgebung in der Stadt, in der viele ultraorthodoxe Juden leben, aufgerufen. Auch Staatschef Schimon Peres hatte seine Landsleute aufgefordert, sich an der Demonstration zu beteiligen.
Die Demonstranten trugen Schilder mit den Aufschriften "Befreit Israel von religiösem Zwang" und "Bewahrt Israel davor, zu Iran zu werden". Auslöser für die Proteste ist unter anderem der eskalierende Streit um die von ultraorthodoxen Juden geforderte Geschlechtertrennung in der Öffentlichkeit.
Beit Schemesch war zudem in die Schlagzeilen geraten, nachdem das Fernsehen einen Bericht über ein Schulmädchen gezeigt hatte, das von religiösen Eiferern bespuckt worden war.

Die Geschlechter-Apartheid geht so weit, daß sich orthodoxe Jüdinnen optisch zu Taliban entwickeln und nur noch in grotesker Verschleierung unter vielen Lagen Stoff, so daß sich nicht die geringste Körperform abzeichnet, aus dem Haus trauen.

Am weitesten getrieben hat es Bruria Keren, am Ende trug sie 27 Lagen Stoff. Israel nennt sie "Mama Taliban", sie ist eine der Anführerinnen der Tuchfrauen. Geboren im Kibbuz, von ihrem Vater missbraucht, dann religiös geworden, eine typische Biografie. Während sie immer sittsamer wurde, schlug sie ihre Kinder, zwang sie zum Gebet, schnitt ihnen zur Strafe die Haare, deswegen sitzt sie im Gefängnis, verurteilt zu vier Jahren Haft.
"Es fing an mit einem Mantel, dann waren es drei, Hosen kamen dazu, ein Rock darüber, am Ende waren es zehn Röcke und zehn Mäntel und Handschuhe", erzählt ihr Sohn, dessen Name nicht genannt werden soll. "Vor acht Jahren hat sie ihr Gesicht mit einem Schleier bedeckt, zuerst nur draußen, dann auch zu Hause, am Ende sogar beim Duschen. Seitdem habe ich ihr Gesicht nicht mehr gesehen. Sie hat im Bad ein Zelt errichtet, selbst die Wände durften sie nicht nackt sehen." Auch gesprochen hat sie nicht mehr, sie machte Gesten oder schrieb.
Und während seine Mutter immer tugendhafter wurde, hatte der Sohn mit seiner Schwester im Nebenzimmer Sex. Er war 15, sie war 12.
(Juliane von Mittelstaedt 09.01.2012)

 Jetzt haben die Jeschiwa-Studenten vom Obersten Israelischen Gericht einen schweren Keulenschlag bekommen: 
Ihre Befreiung vom Wehrdienst gilt nicht mehr, weil sie gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. 

Selbst das Gericht ließ sich seine Schadenfreude anmerken.

Die Richter konnten es sich wohl nicht verkneifen, all die frommen Verweigerer mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Und so zitierten sie eine Frage aus der Thora: 'Eure Brüder sollen in den Krieg ziehen, und ihr wollt hier bleiben?', heißt es da skeptisch im 4. Buch Mose.

Die Frommen können kaum glauben, wie ihnen geschieht. 
Denn über viele Dekaden hinweg waren ihre Privilegien nicht nur zementiert, nein sie wurden sogar ausgebaut.

Mehr als 30 Jahre lang hat Yehuda Ressler für diesen Augenblick gekämpft. Jetzt ist der pensionierte Rechtsanwalt "überglücklich, ja ekstatisch": Israels höchster Gerichtshof gab ihm in der Klage 6298/07 Recht, die Ressler 1981 eingereicht hatte. Sie sollte die Freistellung ultraorthodoxer Juden vom Militärdienst beenden. Sechs von neun Richtern kamen jetzt zu dem Ergebnis, dass das Gesetz tatsächlich gegen den Grundsatz der Gleichstellung verstößt - und fordern Änderungen.
"Ein himmelschreiendes historisches Unrecht kommt damit seinem Ende näher", sagt Ressler. Viele Israelis fühlen wie er.

Die Mehrheit  ist zufrieden (und ich schließe mich an) - zumal dies nur eine Facette der Frustration darüber ist, dass die Ultra-Orthodoxen einen Schattenstaat aufgebaut haben, der viel fordert, ohne etwas zurückzugeben. Schließlich halten sich die Frommen, die knapp zehn Prozent der Bevölkerung stellen, nicht nur vom Wehrdienst, sondern oft auch vom Arbeitsmarkt fern.

Das „gute Israel“ hat sich mal durchgesetzt und gezeigt, daß es eine Demokratie ist.

Die schweren Religioten der Thora-Schulen sind bisher allerdings nicht bereit sich nach der neuen Gesetzeslage zu richten: Sie wähnen sich über den anderen Bürgern stehend.

Ich bin gespannt, wie das ausgeht.

Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Ehud Barak wollen bis zum Sommer eine Lösung "im Einvernehmen mit allen Sektoren der Gesellschaft" finden, doch aus dem orthodoxen Lager der Wehrdienstverweigerer kommen martialische Töne: "Eines muss klar sein: Die Thoraschüler werden unter allen Umständen in den Thoraschulen bleiben", schrieb Innenminister Eli Yischai, Vorsitzender der orthodoxen Schas-Partei, in der Parteizeitung. Das Urteil sei nur Teil einer Wahlkampagne, die politisches Kapital aus der Marginalisierung der Ultraorthodoxen schlagen wolle. Auch andere orthodoxe Koalitionspartner Netanjahus lehnen eine Aufhebung der Freistellung kategorisch ab.
Fahnenflucht ist in Israel strafbar, doch in den Jeschiwas, den Thoraschulen, hat im Augenblick niemand Sorge, dass am 1. August die Militärpolizei vor der Haustür stehen könnte: "Meine Eltern waren freigestellt, bevor es das Gesetz gab, und ich werde auch nie dienen müssen", sagt Haim Linden, ein 21 Jahre alter Jeshiwa-Student aus Jerusalem. "Meine Rabbiner sagten mir, dass ich Thora lernen und nicht zur Armee gehen soll, und niemand kann daran etwas ändern."