Samstag, 13. Oktober 2012

Underneath the radar Teil II





Alles ist relativ.
Verglichen mit knackigen Konservativen der M-Fraktion (Mixa, Meisner, Müller, Marx) und den jungen Rechten mit den eigenartigen Namen (Franz-Peter Tebartz-van Elst, Dominik Schwaderlapp, Rainer Maria Woelki) ist der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke geradezu ein liberaler Geist.
Gerne würde der aus Oberschlesien stammende Kirchenfürst die Karriereleiter ein Stückchen höher steigen. Die Voraussetzungen sind so schlecht nicht. Eigentlich.
Es drängt ihn massiv in die Öffentlichkeit, er war schon so oft in Talkshows, daß er der bekannteste Weihbischof Deutschlands sein dürfte. 
Jaschkes Ausbildung ist ebenfalls geradezu ideal; sein Doktorvater war ein gewisser Joseph Ratzinger, zu dessen Ehemaligentreffen auch der Hamburger einmal im Jahr zu einem privaten Plausch im Castel Gandolfo reist.
Die Hamburger Nummer 2 ist zudem äußerst umtriebig, war Beauftragter der Bischofskonferenz zur Vorbereitung des Katholikentages 2000 in Hamburg und Beauftragter für die DBK für das Heilige Jahr 2000 und er ist der Vertreter der katholischen Kirche im Stiftungsrat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung.

Er ist für die Caritas in Hamburg und Schleswig-Holstein zuständig, für die Ökumene, ist Bischof für die Bundespolizei, für den runden Tisch der Religionen, für die Gesprächsgruppe interreligiöser Dialog, für den Malteser-Orden - da ist er Mitglied als Kaplan, wie im Orden vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Ist Aufsichtsratsvorsitzender des Hamburger Marienkrankenhauses.

 Außerdem herrscht bei den deutschen Kirchenfürsten eine extreme Personal-Dürre. Vier der 27 Bischofssitze im katholischen Deutschland sind vakant: Dresdens Bischof Joachim Reinelt ist in Rente, Erfurts Bischof Wanke mußte krankheitsbedingt aufgeben, Passaus Bischof Schraml hatte mit 77 Jahren das Gerontenalter erreicht und Kurienerzbischof Müller wurde oberster Glaubenshüter und hinterlässt ein erleichtertes Regensburg - ohne Bischof.
Der Kölner Kardinal Joachim Meisner wird zu Weihnachten 79 Jahre alt - Kardinäle gehen in der Regel mit 80 in den Ruhestand. Weiter rheinaufwärts ist der Mainzer Kardinal und ehemalige Vorsitzende der Bischofskonferenz, Karl Lehmann, zwar 'erst' 76, aber gesundheitlich angeschlagen. Sein Nachfolger im Vorsitz der Konferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, erreicht 2013 die Altersgrenze für Bischöfe: Er wird dann 75. Auch Hamburgs Erzbischof Werner Thissen ist mittlerweile 71 Jahre alt.
Wieso kommt einer wie Jaschke so offensichtlich nicht zum Zug? Er ist der dienstälteste Weihbischof Deutschalnds.
Mittlerweile ist der 70-Jährige seit 24 Jahren Weihbischof und rückt keinen Millimeter in der Hierarchie weiter.
Daß er jemals statt seiner virtuellen Diözese Tisili, deren Titularbischof Jaschke ist, ein Bistum in der realen Welt mit echten Menschen bekommen wird, glaubt er vermutlich selbst nicht mehr.

Der Grund dafür besteht in seiner Mutlosigkeit. 
Zwar läßt er sich zu jedem kritischen Thema befragen, aber er traut sich weder die Päpstliche Linie zu verlassen, noch haut er mal richtig auf die Liberalen ein.
Jaschke rechtfertigt umständlich den vom Apostel Paulus verbotenen Zölibat, fabuliert bei „Hart aber fair“ über die Sublimation seiner eigenen unterdrückten Sexualität und erklärt Frauenpriestertum stehe nicht zur Debatte.

Andererseits gelingt ihm auch kein echtes Schwulenbashing. Er beleidigt nicht die Protestanten und noch nicht mal die für jeden Karriere-Kirchenfürsten obligatorischen NS-Vergleiche hat er zur Hand.

In Hamburg merkt man, daß Wochenende ist daran, wenn im Hamburger Abendblatt süßliche Homestories über bekannte Kirchenvertreter abgedruckt sind.
So ist das in der christlichen Diaspora.
 In die Kirche geht keiner und daher versucht uns wenigstens der Springer-Verlag einzuhämmern wie bedeutend die Kirchenmänner sind.
Heute gibt es, mal wieder, ein ganzseitiges Jaschke-Portrait. 
Aber der zwischen allen Stühlen Sitzende hat es noch nicht verstanden, wie man sich im Vatikan bekannt macht, wie man ein „Ich will ein Bistum!“ formuliert. Das Rotwelsch fehlt Jaschke. Richtig müßte es heißen:

„Homosexuelle, die nicht enthaltsam leben, können nicht in den Himmel gelangen. Und für die Ökumene gibt es gute Chancen, wenn sich die verirrten Protestanten von Luther lossagen, den Zölibat einführen, Frauen verbannen und den Papst als oberste Instanz anerkennen!“
Stattdessen lesen wir:
Im Urlaub fährt er in die Dolomiten, wandert allein los. Als er vor zwei Jahren eine Geröllhalde zehn Meter herabstürzte, schoss ihm durch den Kopf: "Das hätte das Ende sein können." Trank abends einen guten Wein und wusste wieder: "Das kann nicht alles gewesen sein." Noch hat er mehr Angst vor seinem 75. Geburtstag, da müssen Bischöfe dem Papst ihren Amtsverzicht anbieten. Abgeschnitten zu sein von seinem Wirkungskreis - den Gedanken mag er nicht.
Wir wechseln ein letztes Mal das Thema. Er ist ein Mann Gottes - welches Bild hat er von Gott? "Ich liebe sehr ein Bild von Gott, das Irenäus formuliert hat: Gott hat gewissermaßen zwei Arme. Mit denen umarmt er uns Menschen. Der eine Arm ist der Sohn - Gott wird den Menschen gleich, und der andere Arm ist der Geist. Gott bleibt nicht für sich, er tritt aus sich heraus. Mit seinen Armen hält er unsere Geschichte in den Händen, bei all dem, was wir nicht begreifen können und was auch so falsch läuft." Er macht eine Pause. "Und dann ist Gott sichtbar in jedem Menschen, nach Gottes Abbild. Jeder Mensch hat irgendwie mit Gott zu tun."
Er sagt das, und fast klingt es ein wenig müde - so oft, wie er es schon erklärt hat. "Wir können nicht die Antworten aus der Tasche hervorzaubern. Ich spüre bei den Menschen meistens eine Grundsympathie für die Kirche. Manchmal wird ihnen der Blick verstellt durch Regeln, die sie nicht verstehen können und die wir auch nicht immer geschickt vertreten. Da versuch ich dann, der Ausgleichende zu sein."
 So wird das nichts.
Weder mit Jaschkes Karriere noch mit dem Stopp des Kirchlichen Verfalls.

Man kann das bedauern, so wie heute der Kirchen-Redakteur der Süddeutschen Zeitung im Leitartikel.
Der Nachfolger von Papst Benedikt wird nicht mehr der Konzilsgeneration angehören. Wird er, was seine Väter im Glauben da beschlossen, in die vatikanischen Archive verbannen? Die Kräfte sind stark, die das wünschen.
Die katholische Kirche bräuchte jedoch das Gegenteil: ein neues konziliares Denken. Eine Diskurskultur, bei der nicht Theologen ein bischöfliches Schweigegebot fürchten müssen, wenn sie ein falsches Interview geben. Bei der Priester und Bischöfe offen sagen: Ich sehe die Dinge anders, als sie in Rom gesehen werden. Eine Kirche, die sich nicht an die schwindende Macht der Institution hängt, die sich den Fremdheitserfahrungen der Moderne aussetzt und den Menschen, denen der Glaube fremd geworden ist. Diese Kirche könnte sich dezentralisieren statt zu zersplittern; sie könnte dem globalen Markt eine globale Moral zur Seite stellen, könnte eine Gemeinschaft sein, in der die Armen der Maßstab sind. Sie könnte das Evangelium und die Menschen in ihre Mitte stellen.
Diese Kirche ist erneut gefangen in einem zu engem Panzer. Sie könnte ihn sprengen, sie könnte die gewohnten Sicherheiten aufgeben. Wenn sie nur den Mut dazu fände.
(Matthias Drobinski SZ vom 13.10.2012)
Für Atheisten ist die Mutlosigkeit der Römer ein Glück. 

Solange sie sich darauf versteifen am Status Quo festzuhalten und ihre ganze Energie darauf verschwenden gegen Schwulenrechte, Gleichberechtigung von Frauen, Verhütung, AIDS-Prävention und den Humanismus anzukämpfen, können wir uns beruhigt zurück lehnen und zusehen, wie sich Ratzingers Verein selbst das Grab gräbt.