Montag, 3. August 2015

Doof und dreist



Erinnert sich noch jemand an die Madonnas World-Tour „Confessions“ von 2006, als sie ein Lied wie Jesus ans Kreuz geschlagen sang und runde 200 Millionen Euro durch den Ticketverkauf einnahm?
Eine Eintrittskarte kostete durchschnittlich 200 Euro, so daß auch echte Fans gut umworben sein wollten, um so tief in die Tasche zu greifen.
Madonna ist aber ein Marketing-Genie und konnte sich auf ihre treuen Helfer auf den Kirchenkanzeln verlassen.
Die dümmste Bischöfin der Welt, Margot Käßmann, sprang bereitwillig ein, um Madonnas Kartenverkauf anzuheizen.

Käßmann kann aber auch richtig dumm - wie sie in der causa „Madonna“ bewies, als sie sich wie Hein Doof in der Marketing-Maschine der Groß-Sängerin verhedderte:
Während der vorletzten Madonna-Europa-Tournee konnte die Bischöfin kein Mikrofon auslassen und musste permanent ihren Senf zur Show abgeben.
Das ist an sich schon lächerlich und offenbart nur ihren Neid auf die ungleich erfolgreichere Kollegin, aber vor allen geht sie damit dem ältesten Madonna-Trick überhaupt auf dem Leim: Madonna hat immer Grenzen überschritten und genau so viel provoziert, bis die religiösen Eiferer zum Boykott aufriefen und damit den CD-Verkauf anheizten.
Nur Frau Käßmann hat es nach einem Vierteljahrhundert immer noch nicht begriffen.

Ich zitiere:

„Mich empört ihre (Madonnas, Red) anmaßende Selbstinszenierung, sich an die Stelle Jesu zu setzen. Das Kreuz ist für alle Christen das zentrale Symbol für das Leiden und Sterben Jesu. ... Es ging ihr um eine spektakuläre Bühnenshow, mit der sie 200 Millionen Dollar verdient hat, wie es heißt. ... Die arme Madonna! Sie sagt doch, sie sei tief religiös! Ich denke, Madonna hat das alles wenig interessiert. ...“


Auf einem ähnlichen geistigen Niveau wie Dummdumm Käßmann agiert bedauerlicherweise auch der Chef des Verfassungsschutzes.

Die Rede ist von Hans-Georg Maaßen, 52-Jähriger Jurist aus NRW, seit dem 1. August 2012 Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) und damit wichtigster Zuarbeiter des Verfassungsschutzministers Thomas de Maizière.

Maaßen ist offenbar nicht die Hellste unter Gottes Blitzbirnen.
Die akademische Karriere stockt gewaltig.

Seit 2001 ist Maaßen Lehrbeauftragter am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin. Dem Antrag des Fachbereiches auf eine Honorarprofessur Maaßens kurz vor seiner Vorstellung durch den Bundesinnenminister vom Akademischen Senat der Freien Universität wurde eine Absage erteilt. Ausschlaggebend war Maaßens Rolle in der Affäre um Murat Kurnaz. Die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) – selbst Honorarprofessorin der FU – bezeichnete laut taz Maaßens damaliges Rechtsgutachten als „falsch, empörend und unmenschlich“, der Rechtsprofessor Ulrich Battis, hielt es für zweifelhaft und politisch „völlig daneben“. Maaßen erklärte, der Titel sei ihm „schnurz“, und er verteidigte weiter seine Haltung.

Eben dieser Maaßen, der sich selbst im konservativen Bundesinnenministerium unmöglich gemacht hatte, wurde 2012 von der juristischen Superblitzbirne; dem damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich („Sicherheit ist das Supergrundrecht“) zum Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) ernannt.
Dort machte er sich sofort Freunde, indem er Edward Snowden als „Verräter“ bezeichnete, der aus Sicht des Verfassungsschutzes als Verbrecher behandelt werden müsse.

Auch zu den amerikanischen Diensten hat Maaßen klare Ansichten. Diese hielten sich an deutsches Recht und betrieben hier keine Wirtschaftsspionage.

Maaßens skandalöses Vorgehen gegen Netzpolitik.org setze ich an dieser Stelle als bekannt voraus.

Da ohnehin alle Medien rund um die Uhr von dem Fall berichten, muß ich das nicht nacherzählen.
Unstrittig scheint bisher zu sein, daß der Wunsch gegen Netzpolitik.org vorzugehen und damit ein Exempel zu statuieren aus dem Bundesinnenministerium kam. Dort sitzt Herr Maaßen und es so gut wie unvorstellbar, daß de Maizière davon nichts gewußt hat.
Kollege Maas muß ebenfalls seit einigen Tagen oder Wochen von dem Vorhaben gewußt haben. An ihm läge es den Generalbundesanwalt Range zu stoppen. Klar ist ferner, daß Maas das Vorgehen Maaßens und des Bundesinnenministeriums strikt ablehnt, unklar ist wieso er nicht einfach von seiner Befugnis Gebrauch macht Range zurück zu pfeifen. Möglicherweise ist Maas (über-)vorsichtig, weil es sich hier um die heikle Schnittstelle zwischen Exekutive und Judikative handelt. Direkte Einflußnahme eines Regierungsmitglieds auf die Justiz sieht nie gut aus.

Zur Personalie Range gibt es keine zwei Meinungen.

Alle zeigen jetzt auf Generalbundesanwalt Harald Range. Haus für Haus in Berlin distanziert sich von ihm, als habe der 67-Jährige, der bald in Pension geht, eine ansteckende Krankheit. Er habe allerorten an Vertrauen verloren, heißt es.
Range hat den Fehler gemacht, das Gutachten einer obersten Bundesbehörde zu ernst zu nehmen. Dabei war die Expertise, neben anderem, auch eine Kampfschrift des Bundesamtes für Verfassungsschutz, in der kräftig mit dem Begriff "Staatsgeheimnis" hantiert wurde. Die Nachrichtendienstler wollten mal ein Exempel an einem statuieren lassen, der ihre Geheimnisse rausließ.
(Hans Leyendecker, SZ, 04.08.2015)

Der bereits 67-jährige Harald Range, FDP, ist als Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof eine komplette Fehlbesetzung. Ihm fehlen Können, Elan und Souveränität für den Job. In typischer rückgratloser Art exekutierte er tumb den Willen de Maizières, ohne seine eigene Denkmurmel einzuschalten.
Daß er überhaupt noch im Amt ist, ist einzig und allein der Tatsache geschuldet, daß er ohnehin in einem halben Jahr aufhört.

Ich habe eigentlich nichts gegen Menschen mit kuriosen Ansichten.
Natürlich ist es dennoch irgendwie ein wenig unglücklich, wenn so einer BfV-Präsident wird und so gar nicht begreift was eigentlich sein Job ist.

[….] Das eigentliche Problem der Landesverrats-Affäre ist der Verfassungsschutz. Ein Verfassungsschutz, der Strafanzeigen gegen Journalisten verschickt, um sich selbst zu schützen, ist ein problematischer Verfassungsschutz. Die Bundesoberbehörde, die dem Bundesinnenministerium zugeordnet ist und Verfassungsschutz heißt, hat offenbar ein eigenes, ein eigenartiges Verständnis von der Verfassung.
Unter "Verfassung" versteht dieser Apparat nicht die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger; und unter "Verfassungsschutz" versteht er nicht den Schutz eines Verfassungsstaates, der für die Menschen da ist. Der Verfassungsschutz versteht unter Verfassung offenbar den eigenen Zustand, also die Verfassung seines eigenen Apparates - die er, wenn er sich etwa durch Publikationen gestört sieht, mit den Mitteln des Strafrechts schützen will.
Das ist ein gefährliches Missverständnis. Ein Verfassungsschutz ist nicht für sich selbst da, so wenig wie der Staat für sich selbst da ist; der Staat besteht wegen und aus der Freiheit seiner Menschen; aber dieses freiheitliche Denken hat in der Behörde namens Verfassungsschutz leider kein Zuhause. Das ist ein Fehler; das ist die Tragik dieser Behörde. [….]
 (Heribert Prantl, SZ, 03.08.2015)

Die Idioten in dieser Geschichte sind aber eindeutig Maaßen und de Maizière, die wie einst Bischöfin Käßmann bei ihrem Umgang mit Madonna aufgrund ihrer eigenen Doofheit das Gegenteil erreichten.
Statt „Netzpolitik.org“ ordentlich eins mitzugeben und die Journalisten  einzuschüchtern, damit diese nicht mehr so genau und so kritisch über den BfV berichten, erreichten sie genau das Gegenteil:
Nun fühlen sich Journalisten erst recht angestachelt, Netzpolitik.org-Chef Markus Beckedahl bekommt jede Menge kostenlose Werbung, höhere Klickzahlen und zudem auch noch einen Spendensegen.

Klar. Ich freue mich, daß Maaßen und de Maizière mit ihrer miesen Masche offensichtlich scheitern.
Aber daß Verfassungsschutzminister und Verfassungsschutz-Präsident so dumm und plump agieren, kann einen  nicht wirklich erfreuen.
Kein Wunder, daß die nicht mit echten Problemen fertig werden.

Die Ermittlungen gegen Netzpolitik.org haben große Empörung und ebenso große Hilfsbereitschaft ausgelöst. In wenigen Tagen erhielt das Blog so viele Geldspenden wie sonst in mehreren Monaten.
Nicht nur das Schlagwort #Landesverrat wurde in den vergangenen Tagen ein Trend bei Twitter, sondern auch die Kontonummer des Blogs Netzpolitik.org. Das zeigt sich jetzt auch auf dessen Konto: Seit Bekanntwerden der Ermittlungen wegen angeblichen Landesverrats gegen Netzpolitik.org hat das Internetportal 50.000 Euro an Spenden erhalten.
"Damit sind wir jetzt schon einigermaßen abgesichert, auch, um den Rechtsweg beschreiten zu können", sagte der Gründer und Chefredakteur von Netzpolitik.org, Markus Beckedahl der "Berliner Zeitung". Im ganzen letzten Jahr habe die Plattform knapp 180.000 Euro an Spenden eingenommen. [….]