Donnerstag, 9. August 2018

Echtes Geld.


Ausnahmsweise muss ich etwas aus einer Sozi-Facebook-Gruppe zitieren. Soll man nicht, aber ich anonymisiere das. Es geht um die gestrige ZDF-Talkshow „Dunja Hayali“ zum Thema Alter/Renten, in der Andrea Nahles zu Gast war.

In der Sendung gab es eine Schlüsselstelle, die das ganze Dilemma dieser #GroKo und damit der Demokratie deutlich macht.
#AndreaNahles erklärte auf die Frage, warum Deutschland nicht eine #Grundrente wie in den Niederlanden einführen könne:
"Unser Rentensystem ist doch nicht auf andere Länder übertragbar! Wollen Sie das Rentensystem abschaffen, das seit #Bismarck erfolgreich ist?" #Rums
Da wurde auf einmal alles klar.
Das Rentensystem führt zu Altersarmut und ist perspektivisch auf Grund des demografischen Wandels nicht finanzierbar.
Wir brauchen also ein neues System. In den Niederlanden bekommt jeder Rentner 1200 Euro. Monatlich. Davon können hier viele nur träumen.
Warum also bewegt sich nichts? Bismarck?
Eher die #GroKo und die Angst der SPD, neue Wege einzuschlagen, um diese Gesellschaft sozialer zu machen.
Gleichzeitig hätte diese Gesellschaft einen #politischenGegenentwurf.
Die Wähler hätten eine Wahl. Die Faschisten, die aufgrund fehlender streitiger Themen mit einem Randproblem Wähler gewinnen, wären uninteressant.
(Facebook, 09.08.18)

Gut gebrüllt.
Das passiert eben wenn man einen politischen Totalausfall wie Nahles zur Doppelvorsitzenden macht.
Selbst bei einem Thema, das sie inhaltlich beherrscht, weil sie vier Jahre die Fachministerin war, schafft sie es öffentlich so dümmlich zu plappern, daß die demoskopischen Werte für die SPD noch mal deutlich absacken.
Das ewige Dilemma der SPD; die guten Leute ziehen die Köpfe ein, die Fachminister machen ihre Arbeit, aber wollen nicht drüber reden und stattdessen lässt man die Supertrottel aus dem Willy-Brandt-Haus, die schon seit Jahrzehnten eindrucksvoll ihre völliges Versagen beweisen, an die Front, um die letzten dreieinhalb Wähler zu verprellen.

Die sich anschließende Diskussion führte natürlich zu nichts, außer der bekannten weiteren Sektiererei innerhalb einer linken Partei.

Statt darüber zu diskutieren, wie man aus dem personellen Dilemma herauskommt, oder sich auf das Thema Renten zu konzentrieren, schlug die Nahles-Ablehnung schnell in eine Neid-Debatte um.

Es ist natürlich richtig, Nahles hat bei der sozialen Absicherung im Alter, der Altersarmut versagt und als Ministerin gezeigt, wie man es nicht macht, indem sie beispielsweise Unternehmer und Bundestagsabgeordnete weiterhin aus der Solidargemeinschaft ausnimmt.
Nun sieht es so aus, als ob sie im Eigeninteresse verhinderte, daß Topverdiener auch in die Rentenkasse einzahlen müssen. Von ihren Diäten wird kein Cent Rentenbeitrag abgeführt. Eine Putzfrau oder eine Kindergärtnerin, die ein Zehntel von Nahles verdient, bekommt aber den Beitrag automatisch vom Lohn abgezogen – ob sie will oder nicht.
Das sieht schlecht aus.
Doppelt schlecht für Nahles. Sie hat nicht nur das Thema als Ministerin vergeigt, nun wird ihr auch noch anschließend angekreidet das aus persönlicher Raffgier getan zu haben.

Natürlich fallen sofort die Stichworte „Diätenerhöhungen“ und „Ministerpensionen“.
Sie habe eine „Selbstbedienungsmentalität“ und bringe nur ihre Schäfchen ins Trockene.

Man kann das auf den ersten Blick leicht bestätigen, weil Nahles in der Tat schon als Ministerin ausgesorgt hatte.

[…..] Nahles ist Bundesministerin und Mitglied des Bundestages, wodurch sie auf zweifache Weise verdient. Bezüglich der Ministertätigkeit ist ihr Gehalt am regulären Beamtensold orientiert. Sie verdient das 1,33-fache der Besoldungsgruppe B11. Die Besoldungstabelle 2016/17 ist öffentlich einsehbar, woraus sich Einnahmen von gut 17.000 Euro monatlich herleiten lassen. Die Tabelle umfasst nicht die gewährte Aufwandsentschädigung der Ministerin.
Zusätzlich erhält Andrea Nahles ihre Diät als Abgeordnete. Diese liegt seit der letzten, automatischen Diätenerhöhung im Sommer 2016 bei 9.327,21 Euro, auch hier ist eine Aufwandsentschädigung noch nicht eingeflossen. Die gesamten Bruttoeinnahmen belaufen sich somit monatlich auf ca. 26.000 bis 30.000 Euro bzw. bis zu 360.000 Euro jährlich. [….]

Viel schlechter steht sie nun auch nicht da sie neben Diäten + Aufwandsentschädigung (~14.000 Euro monatlich) noch etwa 7.000 Euro als Bundesparteivorsitzende zusätzlich erhält.

Den Job als Parteichef oder Fraktionsvorsitzender aus Raffgier anzustreben, halte ich allerdings für ein Märchen.
Ex-Minister, zumal wenn sie so prominent wie Andrea Nahles sind, können mit Leichtigkeit „in der Wirtschaft“ ein Vielfaches als Berater verdienen und müssen dafür erheblich weniger arbeiten.
Geldgier kann kein Argument sein.
Und wenn es so wäre, würde ich denjenigen, die das beklagen empfehlen doch ebenfalls Bundesminister oder Parteivorsitzender zu werden.
Werde doch Minister, wenn Du glaubst das wäre ein so toll bezahlter Job mit wenig Arbeit, habe ich schon mehrfach in Foren empfohlen.
Aber selbst den Blödesten dämmert wohl, daß es eine Menge Arbeit bedeutet so weit zu kommen. Womöglich muss man Jahrzehnte seine gesamte Freizeit und alle Wochenenden in öden Parteigremien sitzen und stupide Basisarbeit machen.

Selbst die Bundeskanzlerin verdient im Jahr mit brutto etwa 290.000,- Euro nur Bruchteile eines Konzernvorsitzenden. Martin Winterkorn verdiente als VW-Chef, also einen Job, den er ganz offensichtlich nicht gut gemacht hat, 16 Millionen Euro im Jahr. Nach seinem schändlichen Abgang erhielt er 29 Millionen Euro Pension, also einhundert Mal das Jahresgehalt Angela Merkels. Jeder Käufer eines zunehmend wertlosen Diesel-Autos aus der VW-Familie trägt dazu bei, daß Winterkorn heute eine ewige Rente von 3.100,00 Euro bekommt – PRO TAG!

Solche Leute lachen über Ministerpensionen.

Viel mehr Geld als Nahles, Merkel, Lindner oder Wagenknecht erhält man aber schon auf Kommunalebene.
Dirk Nonnenmacher erhielt als Bankchef der HSH 1,5 Millionen Euro im Jahr.
Wem es nur ums Geld geht, der sollte den Chefposten einen regionalen Versorgers einer beliebigen Großstadt anstreben.

(…..) Kein Dax-Vorstand würde für Gabriels und Schäubles Gehalt morgens aufstehen.
Ich wäre natürlich offen für eine Begrenzung von Managergehältern.
Zumindest würde ich mir wünschen, daß diese a) offengelegt werden und daß Manager b) auch mit ihren Einkünften haften, wenn sie die Firma ruinieren.

Etwas anderes sind die hohen Gehälter in den Chefetagen der kommunalen Unternehmen.
Als Olaf Scholz 2011 Regierungschef in Hamburg wurde, legte er als erster Ministerpräsident überhaupt die Gehälter der Geschäftsführer öffentlicher Unternehmen offen.
Man staunte nicht schlecht.
Er selbst steht als Regierungschef mit rund 170.000 Euro im Jahr weit hinter dem Hochbahnchef (360.000 Euro), dem Flughafen-Chef (355.000 Euro) oder gar dem UKE-Chef Martin Zeitz mit 455.000 Euro Grundgehalt ohne Zuschläge.
Deutlich mehr als Olaf Scholz kassieren auch die Geschäftsführer der Saga, von Hamburg Wasser, der Hafenverwaltung HPA oder der Messe, die schon mit ihrer festen Vergütung alle klar oberhalb von 200.000 Euro liegen:
255.000 Michael Beckereit, Hamburg Wasser, 185.000 Bernd Aufderheide, Hamburg Messe und Congress, 230.000 Willi Hoppenstedt, SAGA Hamburg, 265.000 Lutz Basse, Saga Hamburg. (Zahlen von 2012)
Da es sich hier um öffentliche Unternehmen handelt, kann man ein Missverhältnis diagnostizieren. Entweder die Jungs verdienen zu viel oder Bürgermeister und Kanzlerin mit der ungleich größeren Verantwortung verdienen zu wenig.
Auch hier ist eine Neiddebatte allerdings kaum angebracht, da die Summen insgesamt zu vernachlässigen sind – verglichen mit den 9- und 10- und 11-stelligen Summen, die durch falsche politische Entscheidungen und Steuergeschenke verprasst werden.

In Hamburg wehrte sich Hans-Jörg Schmidt-Trenz besonders lange gegen die Veröffentlichung seines Gehaltes.
Hier bin ich, als ZWANGSMITGLIED der Hamburger Handelskammer gewissermaßen direkter betroffen, denn Schmidt-Trenz ist Handelskammerchef.
Zur Erinnerung: Mein direkter Bundestagsabgeordneter Johannes Kahrs (SPD) kämpft seit vielen Jahren intensiv gegen diese Zwangsmitgliedschaften in Innungen und Kammern, scheiterte aber immer an CDU und FDP, die auf diesen planwirtschaftlichen Prinzipien (Meisterzwang u.ä.) beharren.

Diese Woche stellte sich heraus, daß Schmidt-Trenz mindestens 475.000 Euro im Jahr verdient – aufgebracht von den Zwangskammermitgliedern wie mir – das sind mehr als doppelt so viel wie Merkels Gehalt und das dreifache Gehalt von Scholz.

Ich habe keinen Grund Andrea Nahles politisch zu verteidigen. Sie war, ist und bleibt eine miserable Sozialdemokratin.
Aber ihr zu unterstellen, sie täte das aus Raffgier ist Unsinn.
Dafür ist ihr Job viel zu zeitaufwändig, zu exponiert, zu anstrengend.
Sie könnte leicht woanders viel mehr verdienen.
Ich glaube, Nahles meint ihren Job durchaus ernst, sie will eine gute Politikerin sein und der SPD, den Menschen helfen.
Allein, sie ist bedauerlicherweise unfähig und merkt nicht, daß sie es nicht kann, sondern nur immer größeren Schaden anrichtet.

Ich wünschte, es ginge ihr nur ums Geld, dann wäre sie längst abgewandert.
Zum Beispiel könnte sie eine regionale Behindertenwerkstatt in NRW leiten.
Anderthalb mal so viel Geld wie als Kanzlerin, nur einen winzigen Bruchteil der Verantwortung und niemals muss man sich als „raffgierig“ oder „Selbstbediener“ beschimpfen lassen. Das wäre doch was.

[….] Der Aufsichtsrat der Duisburger Werkstatt für Menschen mit Behinderung hat Geschäftsführerin Roselyne Rogg entlassen. Das Vertrauensverhältnis sei "irreparabel gestört", heißt es in einer Mitteilung des Gremiums vom Mittwoch, über die mehrere Medien berichten.
Demnach hatte Rogg nach einer Gehaltserhöhung jährlich 376.000 Euro für ihre Arbeit bekommen. [….] Die Stadt ist zur Hälfte an der Werkstatt beteiligt.
Die Duisburger Werkstatt für Menschen mit Behinderung hat laut "Correctiv" 190 festangestellte Mitarbeiter, die mehr als 1000 Menschen mit Behinderung betreuen. Das Unternehmen betreibt vier Werkstätten, in denen Elektro- und Metallgeräte montiert und Verpackungen und Gärtnerarbeiten erledigt werden. [….]