Die Anliegen der „Letzten Generation“ (LG) sind moderat und vernünftig. Außerdem habe ich volles Verständnis dafür, ob der katastrophalen Untätigkeit gerade in Deutschland frustriert zu sein. Was für ein absoluter Irrsinn, daß es kein Tempolimit, dafür aber gewaltige Subventionen für Verbrennungsmotoren und eine Flotte von Privatjets gibt.
Die LG schaffte aber da absolute Kunststück, sich mit der Art ihrer Kampagnen derartig unbeliebt zu machen, daß sie den Klimaschutz inzwischen weit mehr diskreditieren, als Sympathien für diese richtige Idee zu generieren.
Es ist ähnlich wie mit militanten Veganern. Wie kann in einem Land voller Tierfreunde, die vollkommen richtige Idee, weniger Tiere zu essen, so diskreditiert werden, daß die große Majorität Veganer hasst und schon allein, um die zu ärgern extra viel Currywurst und anderes Billigfleisch frisst?
Blickt man ohne ideologische Scheuklappen auf den zunehmenden Flugverkehr, bleibt keine andere Möglichkeit, als die Zahl der Starts und Landungen weltweit drastisch zu reduzieren. Stattdessen haben Boeing und Airbus so volle Auftragsbücher, daß jetzt bestellte Jets, erst in vielen Jahren ausgeliefert werden können.
Der Klimaschaden ist gewaltig und wird eben nicht nur durch die ausgestoßene Menge des durch Kerosin-Verbrennung entstandenen CO2 definiert – wie es die Fluggesellschaften gern behaupten.
Der Dreck wird nämlich direkt in der problematischen Höhe ausgestoßen. Es entstehen Kondensstreifen, die ihrerseits noch mal extra stark die Wärmeabstrahlung der Erdoberfläche behindern. Ob es Flugzwerg Merz und Porscheboy Lindner gefällt oder nicht: Wir müssen und wir werden weniger fliegen.
[….] Frankreich hat gerade Inlandsflüge verboten, sofern eine Strecke innerhalb von 2,5 Stunden per Zug zu schaffen ist.
Schweden und Dänemark haben angekündigt, dass alle Inlandsflüge ab 2030 emissionsfrei sein müssen, obwohl entsprechende Verkehrsflugzeuge noch nicht existieren. Norwegen will bis 2040 nachziehen.
Israel hat seine Airports für besonders emissionsstarke Maschinen wie den Jumbojet oder den A380 gesperrt
Der Amsterdamer Flughafen Schiphol will allen Privatflugzeugen Start- und Landeverbot erteilen, das war eine Forderung von Klimaaktivisten. Überdies will die Regierung die Maximalzahl der kommerziellen Flüge reduzieren. [….]
(Marco Evers, 09.06.2023, DER SPIEGEL 24/2023)
Was aber tun, wenn die Menschen weiter fliegen wollen?
Fluggesellschaften haben sich von Christian Lindner das EFuels-Gerede abgeguckt. Mit ökologisch erzeugtem Kerosin könne man doch umweltfreundlich fliegen.
Das ist aber unsinnig, denn erstens gibt es bei Weitem nicht die Kapazitäten, um genügen Flugtreibstoff zu erzeugen und zweitens muss man dafür immer, wie beim „E10“ Pflanzen abhacken, dafür womöglich erst Urwälder roden, um dann aus dem Holz und Fasern, die aus nichts anderem, als gespeicherten CO2 bestehen, das klimaschädliche Gas wieder freilassen und zudem die Photosynthese, also den Prozess, der CO2 aus der Luft holt und Sauerstoff erzeugt, beenden. Es bleibt also Irrsinn.
Wasserstoff bleibt ebenfalls erst einmal Utopie, da beim besten Willen nicht genug H2 auf ökologische Weise erzeugt werden kann und an den Flughäfen eine gewaltige H2-Logistik entstehen müsste. Aberwitzige Mengen des hochexplosiven Gases müssten an den menschlichen Hauptverkehrsknotenpunkten gelagert werden. Das wäre unter Sicherheitsaspekten aber völlig unmöglich.
Blieben noch Elektroflugzeuge, die tatsächlich in der Entwicklung sind; teilweise schon Testflüge absolvieren. Das klingt gut, setzt aber Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen voraus. Außerdem sind die Speichermöglichkeiten der besten Batterien immer noch so begrenzt, daß E-Flugzeuge nur sechs oder sieben Passagiere aufnehmen können – bei einer Reichweite von wenigen hundert Kilometern. Möglicherweise in naher Zukunft also tauglich, um reiche Leute schnell ökologisch von Hamburg nach Berlin zu bringen.
Nach Mallorca reicht es aber sicher nicht.
Es hilft also alles nichts; der Massenflugtourismus muss eingeschränkt werden. Die simpelste Maßnahme, um das zu erreichen, wären natürlich drastische Preiserhöhungen.
Nur, wie gestaltet man das sozial gerecht?
(….) Träfe das zu, was die AfD-Fans den Grünen unterstellten – Autos, Flugreisen, Fleisch nur noch für Bonzen und andere Superreiche, während das arme deutsche Volk zu Hause bleiben und Salat fressen muss – wäre der Umwelt und dem Klima übrigens tatsächlich geholfen.
Ein Steak 1000 Euro. Ein Flug nach Mallorca 50.000 Euro. Kinder bekommen nur gegen eine Gebühr von 1.000.000 Euro.
Ja, das wäre eine klimapolitisch höchst effektive Maßnahme, die allen Lebewesen letztendlich zu Gute käme.
Gerecht wäre das natürlich nicht, aber es ist nicht sehr schwer sich sozialverträgliche Modelle zu überlegen, die zu einer ähnlichen Konsumeinschränkung führten.
Man könnte beispielsweise ähnlich wie beim Emissionshandel jedem Menschen auf der Welt jährlich die Erlaubnis zum Verzehr einer geringen Menge Fleisch, ein paar Flugmeilen und alle 10 Jahre ein Kind zusprechen.
Diese individuellen Kontingente wären verkäuflich.
Wer sein Jahreskilo Rindfleisch nicht isst, könnte das Recht dazu an einen reichen Menschen verkaufen. Wer seine Flugmeilen nicht nutzen will, ebenso.
Damit könnte ein Superreicher immer noch nach Australien fliegen. Aber er wäre gezwungen seinen Reichtum erheblich nach unten umzuverteilen. (…)
(Fliegen, Flirten, Fleisch, 03.01.2019)
Bei der Kontingent-Idee ging ich allerdings davon aus, daß die allermeisten Leute gerne fliegen und verreisen. Aber die Flugmeilen sind noch sehr viel mehr auf ganz wenige Menschen konzentriert.
[….] So groß der Schaden, so winzig der Kreis der Verursacher: 89 Prozent der Menschheit sind im Jahr 2018 am Boden geblieben, die allermeisten davon waren sogar noch nie in der Luft. Etwa vier Prozent aller Menschen flog 2018 in andere Länder. Und nur rund ein Prozent der Erdenbürger nutzte das Flugzeug intensiv.
Diese ungefähr 80 Millionen Leute sind für mindestens die Hälfte der Umweltschäden durch die Fliegerei verantwortlich, wie der deutsche Mobilitätsforscher Stefan Gössling, 52, von der Linnaeus-Universität in Schweden vorrechnet.
In einer gerechten Welt müssten die Frequent Travellers nach dem Verursacherprinzip für das Malheur aufkommen, etwa in Form von steil ansteigenden Gebühren für jedes weitere Ticket. Mit diesem Geld könnte sogar die grüne Verwandlung der Luftfahrt finanziert werden. Doch die Realität ist anders: Die Airlines schenken ihren Vielfliegern Upgrades auf bequemere Sitze und Anreize, noch mehr zu reisen und noch mehr zu emittieren. [….]
(Marco Evers, 09.06.2023, DER SPIEGEL 24/2023)
Wir brauchen also weder eine teure Lösung, noch eine Technische.
Das Problem ließe sich politisch anpacken. Verbot der Bonusmeilenprogramme und die Ticketpreise könnten im quadratischen Verhältnis zu den jährlich zurückgelegten Meilen steigen.
Ein Flug nach Mallorca pro Jahre wäre beispielsweise so günstig, oder sogar günstiger als bisher sein.
Wer aber das vierte mal im Jahr zum Ballermann will, muss dann den achtfachen Ticketpreis löhnen. Der sechste Flug 32-fach usw.
So käme man schnell in Dimensionen, die auch Multimillionären wie Merz die Bahn schmackhaft machen.