Samstag, 27. März 2021

Der nächste Bundeskanzler.

In dem  Jahr vor den meisten Bundestagswahlen gab es entweder schon einen sehr wahrscheinlichen Sieger, oder es lief auf ein Duell zwischen bei Personen, die jeweils für eine ganz andere Koalition standen, hinaus.

Wer Ende dieses Jahres nach Angela Merkel regieren wird, läßt sich 2021 noch überhaupt nicht abschätzen.

Vielleicht wird die Regierungsbildung so kompliziert und langwierig, daß Merkel noch deutlich in das Jahr 2022 hinein geschäftsführend im Amt bleibt.

Die diesjährige Konstellation ist so viel komplizierter geworden, weil die Amtsinhaberin (anders als Helmut Kohl 1998) nach 16 Jahren nicht noch einmal antritt, sich die traditionellen Bindungen an die Parteien auflösen, der klassische Wahlkampf der letzten 70 Jahre nicht möglich ist und zudem das Regierungsversagen in der Superkrise Corona den Frust des Wahlvolkes in nie dagewesenen Höhen treibt.

Es gibt verschiedene Faktoren, die den Sieg eines Kandidaten bei der Bundestagswahl befördern. Fragt man diese Kriterien ab, gibt es aber sehr unterschiedliche Antworten.

1)   Wer will unbedingt Kanzler werden?

Scholz, Laschet, Habeck, Merz, Spahn

2)   Wer gilt im Volk als Wunschkandidat?

Söder, Habeck

3)   Wer hat in seiner Partei den größten Rückhalt?

Söder

4)   Wessen Partei hat Chancen die Stärkste im nächsten Bundestag zu sein?

Laschet, Habeck, Merz, Spahn

5)   Wer kann in seiner Partei aus eigener Kraft nach der Kandidatur greifen?

Baerbock, Laschet

6)   Wessen Partei hat einen Kanzlerkandidaten?

Scholz

7)   Wessen Partei hat ein Wahlprogramm und Regierungskonzepte?

Scholz

8)   Wer hat Regierungserfahrung?

Scholz, Laschet, Söder, Spahn

9)   Wer hat sich bisher als kompetenter Regent erwiesen?

Scholz

10)Wer wird medial unterstützt, kann sich auf positive Presseberichte verlassen?

Habeck, Söder, Merz

11)Wer ist nicht persönlich oder als Parteichef in wählertoxische Maskenaffären verstrickt?

Scholz, Baerbock, Habeck

Daß ausgerechnet die (noch) mit Abstand größte Bundestagsfraktion CDU/CSU sechs Monate vor der Wahl nicht einen einzigen Satz eines Regierungsprogrammes geschrieben hat, nicht eine einzige Zukunftsidee vorweisen kann und schon gar nicht weiß, wer für sie antreten soll, ist gelinde gesagt, ungewöhnlich.

Wäre Söder CDU-Chef und Laschet CSU-Chef, wäre Söder sicherer Kandidat, aber im Binnenverhältnis der Unionsschwestern kann nicht der deutlich kleiner Partner zugreifen.

Zumal Söder als Kanzler nicht nur die kleinste der Koalitionsparteien führen würde, sondern auch die bequeme bayerische Sonnenkönigstellung los wäre und darüber hinaus vollkommen ungeklärt ist, wer dann Bayerischer Ministerpräsident wird.

Laschet sitzt der sehr viel mächtigeren Partei vor, die sich ohnehin nicht nur auf einen Landesregierungschef stützt, so daß die Nachfolge in Düsseldorf weniger schwierig wäre. Aber ihm trauen die CDU-Wähler den Job nicht zu und bleiben womöglich den Wahlurnen fern.

Kurios ist außerdem die Rolle seiner immer noch mächtigen Vorvorgängerin Merkel, die zwar zu schwach ist, um sich gegen die Länderchefs durchzusetzen, aber deren Wort beim Urnenpöbel immer noch viel gilt.

Sie wurde Jahrelang brutal von der CSU und ihren Parteichefs gequält, konnte sich nie richtig wehren, weil sie deren Stimmen brauchte.

Daß die Kanzlerin Seehofer und Söder, aber auch den CDU-Rechtsaußen und doppelt gescheiterten Merz hasste, galt bis vor kurzem als sicher. Sie wünsche sich also den ihr politisch sehr viel näheren Parteifreund Armin Laschet als Nachfolger und wolle den polternden Söder verhindern, hieß es.

In den letzten 12 Corona-Monaten zeigte sich Öffnungsfetischist Laschet aber in den MPKs so oft als intellektuell hoffnungslos überfordert und chaotisierte mit seinem Zickzack-Kurs die Beschlusslage, daß die Kanzlerin jedes Vertrauen in ihn verloren hat, sich stattdessen intern auf Scholz, Tschentscher und insbesondere Söder („Team Vorsicht“) stützt.

Die Lage ist also maximal verfahren.

Kurioserweise ist ausgerechnet die üblicherweise im Wahljahr vollkommen chaotisierte SPD konsolidiert. Das Wahlprogramm steht, der Kanzlerkandidat wurde schon lange auserkoren und ist ausnahmsweise sogar parteiintern ziemlich unumstritten. Seine persönlichen Sympathiewerte sind gut, seine Kompetenz und Intelligenz unstrittig.

Zu diesen rosigen Voraussetzungen passen nur die demoskopischen Werte von 15-17% nicht, die leider Lichtjahre von Gerd Schröder 41% von 1998 entfernt sind.
Da in der SPD alles so wunderbar geklärt ist, kann sie auch kaum mit medialen Paukenschlägen Aufmerksamkeit auf sich ziehen und die Umfragen beeinflussen.

Grüne und CDUCSU können hingegen durchaus mit einem kräftigen Schub rechnen, wenn sie endlich ihren Erlöser oder ihre Erlöserin präsentieren.

Für beide Parteien birgt das aber auch Risiken. Söder und Laschet stecken bis zum Hals in Maskenaffären, müssen mit bösen weiteren Enthüllungen rechnen.

Außerdem könnten sie bei weiterhin katastrophalem Pandemie-Management Frust auf sich ziehen. Wähler strafen gern ab.

Habeck und Baerbock sitzen in einer bequemeren Position. Sie tragen keinerlei Regierungsverantwortung, können nicht für Fehler verantwortlich gemacht werden. Allerdings sind beide Dampfplauderer und haben im Eifer schon katastrophale Wissenslücken offenbart. Habeck ausgerechnet bei einem Grünen Kernthema (Pendlerpauschale/Energiebesteuerung). Die ehemalige Trampolinspringerin Baerbock verhaspelte sich bei Kobalt (Kobold), pries und bejubelte die CDU bei ihrem 75. Parteijubiläum und ferndiagnostizierte Merkels Gesundheitszustand als Konsequenz des Klimawandels.

Beide Grünen reden gern und viel, drücken sich um eine Verdammung des starken Esoterik-Homöopathie-Schwurbel-Heilpraktiker-Flügels ihrer Partei.

Sobald eine/r als Kanzlerkandidat feststeht, steht er/sie unter verstärkter Beobachtung. Jeder Versprecher wird durch die sozialen Medien gereicht.

Je nach Pandemiegeschehen könnte so ein windiges Image den Wahlchancen schaden.

Das könnte wiederum Olaf Scholz, dem Kandidaten mit den insgesamt schlechtesten Chancen, helfen.

Er zündet keine rhetorischen Feuerwerke, plappert aber auch nie sinnlos daher, weiß was er sagt.