Mittwoch, 20. November 2013

Lass einfach laufen


Als Angela Merkel 2009 ihre Traumhochzeit mit Guido Westerwelle vollzog, hatten die beiden damaligen Parteichefs den bisher unkonkretesten Koalitionsvertrag aller Zeiten unterschrieben. Die Einthemenpartei FDP („Steuersenkungensteuersenkungensteuersenkungen“) war in einer Situation, in der man sich keine Steuersenkungen leisten konnte de facto eine Nullthemenpartei. Westerwelle war darüber hinaus so unfassbar dämlich das vermeidlich repräsentativste Amt, nämlich das des Außenministers für sich zu reklamieren, obwohl er nicht nur keine Ahnung von Außenpolitik hatte, sondern auch noch ein gehöriges Desinteresse an der Materie mitbrachte.
Wir wissen ja heute, wie diese Koalitionsjahre für die FDP endeten.
Für Merkel ist so ein Blanko-Koalitionsvertrag, mit dem man aufgrund der Inhaltslosigkeit der Koalitionspartner bei jedem Thema beliebig oft den Kurs umkehren kann natürlich praktisch. Sie kann ohne Konsequenzen das Blaue vom Himmel herunterlügen.
Letztlich konnte man sich bei Merkel immerhin auf eins verlassen, das sogenannte

Sie beläßt es bei vagen Ankündigungen, wolkigem Gewaber und einigen konkreten Aktionen, die sie für die Zukunft „ausschließe.“

Merkel treibt planlos vor sich hin - durch ihren aberwitzigen ZickZack- und Hinhaltekurs hat sie die Eurorettungsaktion zigfach verteuert. 
Ihr abstruses Spardiktat würgt die Konjunkturen diverser Nationen ab.
 So ein Rezept hätte sie nie für Deutschland gewollt. Hier reagierte sie 2008/2009 völlig gegenteilig auf die Krise; nämlich mit gewaltigen Ausgaben-Orgien, zwei dicken Konjunkturpakten und Geldrauswurfmaßnahmen wie der Abwrackprämie.

Die Chaotisierung der europäischen Finanzarchitektur durch Wolfgang Schäuble und Angela Merkel folgt einer Grundregel, die SPD-Fraktionsgeschäftsführer Oppermann sehr schön auf den Punkt brachte, nachdem der eben noch endgültig auf maximal 218 Milliarden Euro begrenzte Haftungsrahmen von Merkel doch auf 280 Milliarden
aufgeblasen wurde.

Wieder einmal, so Oppermann, komme das "Merkel'sche Gesetz" zur Anwendung: Je vehementer die Kanzlerin etwas ausschließt, desto sicherer ist, dass es später doch eintritt. Der Ärger der Genossen erscheint verständlich, denn es ist beileibe nicht das erste Mal, dass Merkel in der Schuldenkrise eine Position revidiert. Im Gegenteil: Die meisten Bundesbürger haben angesichts des Hü und Hott längst den Überblick verloren. Sie registrieren nur noch, dass die Summen, für die sie einstehen sollen, immer astronomischer werden und dass mittlerweile halb Europa auf ihre Kosten zu leben scheint. Wut, Frust und Missverständnisse haben ein Maß erreicht, das geeignet ist, die Demokratie in ihren Grundfesten zu erschüttern.    Die Hauptschuld daran trägt die Kanzlerin, der es nicht gelingt, mit den Bürgern so zu kommunizieren, wie es die Schwere der Krise von ihr verlangt. Keine Fernsehansprache, keine Rede zur Lage der Nation, stattdessen Gemauschel in Hinterzimmern nebst anschließender Kurskorrektur.

Griechenlandumschuldung, Wehrpflicht, Atomkraft, Mehrwertsteuer, Gesundheitsreform - wohin man auch blickt; man kann sich stets darauf verlassen, daß das was die Kanzlerin als absolut alternativlos einnordet doch nicht kommt, sondern eher das Gegenteil dessen angepeilt wird.

Die Koalition aus CDU/CSU und FDP „funktionierte“ zwar nicht in dem Sinne, daß sie vernünftige Regierungsarbeit ablieferte, aber immerhin konnte man tausende Pöstchen besetzen, weil formal eine sogenannte Regierung gebildet wurde.
Möglich wurde das durch die inhaltliche Belanglosigkeit in Kombination mit einem gemeinsamen Feind und dem unbedingten Willen zur Bildung einer Lobbyistophilen Truppe aus Politplatzhaltern.

Mit der SPD versucht es Merkel wieder auf ihre bewährte Weise: Den Koalitionsverhandlungen guckt sie desinteressiert zu, als ob sie das alles nichts anginge.
Sollen sich doch die Unterhändler auf irgendwas einigen; sie fühlt sich ohnehin an keine Absprachen gebunden, weil sie konkurrenzlos ist.
Was kümmert sie also ihr dummes Geschwätz von gestern?
Nur weil sie im TV-Duell mit Steinbrück klipp und klar erklärte mit ihr werde es keine PKW-Maut geben, ist das ja noch lange kein Grund nicht als erstes eine PKW-Maut einzuführen.
Der geistig retardierte Urnenpöbel beurteilt Merkel positiver denn je – es ist die SPD, die in Umfragen schon wieder absackt.

Ein interessantes Phänomen, denn im enttäuschenden Koalitionsgeschacher punktet nach Ansicht der Hauptstadtjournalisten lediglich die SPD. Die BILD behauptet, Gabriel habe sich in 10 von 12 Punkten gegen die CDU-Kanzlerin durchgesetzt.
Es mag sich wie eine SPRINGER-Kritik an der Kanzlerkandidatin Merkel lesen, aber in Wahrheit hilft BILD damit der Regierungschefin und ihrem Plan eine dritte Amtszeit zu bestehen.
Während die FDP sich der Merkelschen Unbestimmtheit hingab und sich für Dienstwagen und Titel gerne als Stimmvieh missbrauchen ließ, haben die Sozis ihrer Basis das entscheidende Wort überlassen. Die SPD-Basis aber hasst Merkel. Einen Sozi wie mich dazu zu bringen ausgerechnet Merkel die fehlenden Stimmen bei der Kanzlerwahl zu liefern, kann nur gelingen, wenn ich das Gefühl hätte, meine Sozen hätten der CDU-Chefin gewaltige Zugeständnisse abgerungen, also die Union komplett über den Tisch gezogen.
Im Bestreben die SPD-Stimmen für ihre Kanzlerwahl zu bekommen, ist es für Merkel also nur förderlich, wenn der Boulevard den Eindruck erweckt, die SPD dominiere die Koalitionsverhandlungen.

Fragt sich nur, ob sie das tatsächlich tut.
In Wahrheit sieht es leider bisher ziemlich nach dem Muster schwarzgelb aus.
Zu allen wichtigen Themen hatte man damals Arbeitsgruppen oder Prüfkommissionen eingesetzt; insgesamt fast 100 Stück.
Sie waren aber ein reines Placebo für den Wähler.
 Viele Kommissionen, wie zum Beispiel die zur Vereinheitlichung und Vereinfachung der Mehrwertsteuer tagten in vier Jahren Koalition nicht ein einziges mal.
Pflegereform oder Einkommenssteuer wurden ebenfalls über die volle Legislatur komplett ignoriert.

Es spricht einiges dafür, daß Merkel es wieder so halten will.
Die Koalitionsunterhändler haben zusätzliche Ausgaben in Höhe von mindestens 50 Milliarden Euro beschlossen; schließen aber gleichzeitig Steuererhöhung und größere Neuverschuldung aus. Soweit waren CDU und FDP auch schon und erstarrten anschließend vier Jahre lang handlungslos,

 Bei den strittigen Themen einigte man sich bisher maximal auf den kleinsten gemeinsamen Nenner; die großen Brocken klammert man einfach aus.

Das katastrophale und mutmaßlich verfassungswidrige U25-Hartz-Sanktionsgesetz, welches Jugendliche in die Obdachlosigkeit treibt und ihnen endgültig alle Chancen nimmt, steht nicht zur Debatte.

Millionen geringverdienende Privatversicherte, die wie ich durch groteske Versicherungslobbyförderung in Armut getrieben werden, ignorieren sowohl SPD als auch CDU und CSU. Es ist erbärmlich wie sich die ganz ganz große Koalition um das Thema Krankenversicherung drückt und die Beitragszahler weiterhin im Stich läßt.

Auch bei der Euro-Rettung fällt den Schwarzroten nichts ein, Die SPD sieht tatenlos zu wie weiterhin Steuermilliarden an die Banken fließen, obwohl Merkel bekanntlich versprochen hatte, daß dies nicht mehr geschehe.
Und auch der xeno-, islamo- und homophobe BM Friedrich wird wohl weiter im Amt bleiben und seine Schnüffelei noch ausweiten.
Ich habe auch noch nicht gehört, daß Merkel und Kauder akzeptiert hätten die verbrecherischen Waffenlieferungen in die ganze Welt zu stoppen.

In 2012 wurden insgesamt 16.380 Anträge auf Rüstungsexporte gestellt, davon wurden genau 118 Anträge abgelehnt – über 99% der Anträge wurden also positiv beschieden.
[….]
 Die Nummer eins unter den Empfängern deutscher Rüstungsexporte ist erstmals Saudi Arabien (1,237 Mrd. Euro). Unter den Top 10 der Empfängerländer sind außerdem noch Algerien (Platz 3, 287 Mio. €), Korea (Platz 8, 148 Mio.), Singapur (Platz 9, 146 Mio.), Vereinte Arabische Emirate (Platz 10, 124,8 Mio.).

Der Anteil der Entwicklungsländer an den tatsächlich erfolgten Kriegswaffenexporten ist auf 21% gestiegen (Vorjahr: 13%).

[….] Die deutschen Waffenexporte sind völlig außer Kontrolle, 2012 wurden mehr Rüstungsexporte genehmigt als je zuvor. Es gibt kaum noch Grenzen für die deutschen Waffenschmieden. Über die Hälfte (55%) aller Genehmigungen wurden für Lieferungen in Drittländer erteilt. Das zeigt: Fast jede Waffe darf in fast jedes Land der Welt geliefert werden.
Dass Saudi Arabien jetzt erstmals die Nummer 1 unter den Empfängerländern ist, zeigt erneut die Skrupellosigkeit der deutschen Außenpolitik: Mit hehren Worten steht die Regierung Merkel auf der Seite der Reformer in der arabischen Welt, mit ihren Rüstungsexporten unterstützt sie die Unterdücker und Despoten. Nur konsequent, dass auch Algerien und die Vereinigten Arabischen Emirate zu den Top 10 der Empfänger gehören.
Wir beobachten seit 2005 eine große Koalition der Rüstungsexporteure – da haben CDU/CSU, SPD und FDP in den letzten Jahren gemeinsam alle Rekorde gebrochen. Angela Merkel ist die Kanzlerin der Waffenexporte.

Ich weiß noch gar nicht was aus meinem Herzensthema „Doppelte Staatsbürgerschaft“ wird, aber selbst wenn sich dort die SPD zu 100% durchsetzen sollte (was nicht wahrscheinlich ist), werde ich wohl den Koalitionseintritt meiner Partei ablehnen.

Es sei denn ich hätte aus demoskopischen Quellen die Gewissheit, daß bei einer Neuwahl die CDU noch einmal zulegen würde, daß womöglich die FDP wieder reinkäme und die Sozis weiterschrumpften.
Dann schon lieber JETZT schwarzrot.