Es ist wie immer bei großen Fußball-Turnieren.
Ich freue mich über die gewonnene Zeit, weil ich so viele Zeitungseiten ignorieren, so viele Online-Meldungen wegscrollen und so viele TV-Berichte umschalten kann.
Dazu moniere ich ein bißchen die Kommerzheuchelei, mit der sich all die „Fans“ bedingungslos den extrem raffgierigen und korrupten Funktionärskraken (DFB, UEFA, FIFA) unterwerfen.
Und schließlich zitiere ich Schwennickes unvergessene Analyse des Bällchentreter-Phänomens.
Denn nichts finde ich idiotischer, ordinärer und nationalistischer als Fußball.
(…..) […..] Schwennicke […..] stellt sich der übergroßen Mehrheit der deutschen Fußballfans entgegen. Er versucht nicht nur die Angelegenheit auf Normalmaß zu schrumpfen – es ist nur ein Sport; es gibt keinen Grund, daß alle Politiker und Journalisten ununterbrochen Fußballmetaphern verwenden müssen, um sich volksnah zu zeigen – sondern zeigt den Mittelfinger.
[….] Ich finde Fußball doof. Nein, ich finde Fußball grässlich – und ungemein langweilig. Ein Reigen alter Männer steht am Rand und schreit herum, viele mehr oder weniger junge Männer rennen auf einer Wiese herum, erst alle nach links, dann Ballverlust, dann wieder nach rechts, Ballverlust, wieder nach links. [….] Dieses Spiel ist unästhetisch und ordinär. Schon der Klang, wenn der Ball getreten wird, macht mich übellaunig. Es ist ein zutiefst ordinäres Geräusch, es klingt so ähnlich wie die Schläge von Bud Spencer in den alten Prügelfilmen mit Terence Hill. Die Spieler haben keine Manieren, tun sich absichtlich weh, sind nicht nur furchtbar verschwitzt, sondern oft auch noch sehr verdreckt und vom Regen pitschenass und rotzen dauernd auf die Wiese. Manchmal sogar ins Nackenhaar eines Gegners. Das ist so unappetitlich. Viele Spieler sehen haarsträubend lächerlich aus, obwohl sie sich unwiderstehlich finden. Bei Bayern München gibt es einen, der hat sich sein glänzendes Hemdchen wie ein Ganzkörperkondom auf den Leib schneidern lassen, dazu tippelt er mit kleinen, wichtigen Schrittchen über den Platz, was so hühnerartig aussieht, dass man sich das Lachen verkneifen muss. Der Mann ist ein Star. Für mich ist er eine Witzfigur. Vollends peinlich wird es, wenn versucht wird, diesem primitiven Sport eine politische oder philosophische Überhöhung zu geben. Dieser Theweleitismus ist noch schlimmer als die plumpe Fußballleidenschaft, die nach schalem Bier riechend, am Wochenende grölend die Bahnabteile füllt. Das ist wenigstens authentisch und stimmig. [….]
Für diese wahren Worte werde ich dem CICERO-Chef ewig dankbar sein. Er hat so Recht; als Nicht-Fußballer gewinnt man so viel schöne Lebenszeit und erspart sich all die Frustration und schlechte Laune. (…..)
(Ordinär und national, 16.05.2018)
Nun läuft der National-Wahn gerade mal zwei Tage in Deutschland – es folgen also noch fast vier Wochen – da muss ich mich schon aus dem Fußball-Off melden, mich also gegen meinen Willen mit dem Mist beschäftigen, weil es abseits des sportlichen Aspekts, schon nach 48 Stunden genügend rassistische, widerliche, xenophobe Übergriffe gibt, daß man alle „die Welt zu Gast in Deutschland“-Sprüche einkassieren muss und die Vorstellung von einem gemeinsamen schönen Erlebnis ad absurdum geführt wurde.
Es ist eben keine Sportart, in der Individuen betrachtet werden, sondern es geht um die Nationalität einer „MANN-schaft“. Es ist noch nie etwas Gutes herausgekommen, wenn man die Dinge durch die nationalistische Brille betrachtet und anderen Menschen seine Nationalität ins Gesicht schreit.
„Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.
(Arthur Schopenhauer)
Vorhin grübelte ich wie eigentlich das Antonym zu „Patriotismus“ lautet.
Ich bin nämlich so gar kein Patriot und kann für patriotische oder gar nationale Gefühle (gegenüber Deutschland ODER Amerika) einfach kein Verständnis aufbringen.
Auch das Wort „Stolz“ liegt mir nicht. Insbesondere könnte ich keinen Stolz auf eine Nation empfinden, da ich Stolz immer mit einer eigenen Leistung verbinde.
Was aber ist weniger ein eigener Verdienst als der Zufall wo man geboren wurde?
Wie nennt man aber nun Menschen, die keine Patrioten sind?
Im Zweifelsfall googlen. Eine Internetsuche spuckt folgende Begriffe aus:
Vaterlandsverräter, Fahnenflucht, Verrat, Unzufriedenheit, Untreue, Falschheit, Wankelmut, Unbeständigkeit, Perfidie, Nestbeschmutzer, „Jemand der sich ganz schnell verpissen sollte. Er mag sein Land nämlich nicht“, Landesverräter, Idiot, Zecke,..
Nun bin ich noch unpatriotischer, nachdem ich sehe welche Konnotationen aktiviert werden, wenn man Menschen nach dem Gegenteil von Patriotismus fragt.
Das Abstoßende am Patriotismus ist also nicht nur das penetrante Sich-mit-fremden-Federn-schmücken, sondern die mehr oder weniger latent damit einhergehende Abwertung anderer Nationen, bzw der Nicht-Patrioten im eigenen Land.
Es stimmt eben, daß die Grenzen vom Patriotismus zum Nationalismus fließend sind und Letzterer ist einer der destruktivsten Ismen, den die Menschheit hervorgebracht hat. Immer wenn die Patriotismuskarte gespielt wird, folgt etwas Ekelhaftes. (…….)
(Patriotismus – Nein Danke 06.11.2013)
Ein so großes internationales Turnier nach AfDeutschland zu holen, war eine schlechte Idee.
Wir sind keine gastfreundliche Nation und zeigen uns gegenüber Minderheiten von unserer schlechtesten Seite.
[….] Zwei acht und zehn Jahre alte ghanaische Mädchen sind am Freitagabend im mecklenburgischen Grevesmühlen angegriffen worden. Sie waren auf dem Nachhauseweg vom Sport, als sie aus einer Gruppe von rund 20 Jugendlichen heraus attackiert wurden. Die Täter sollen der Achtjährigen ins Gesicht getreten haben, bestätigte die Polizei am Sonntag der taz. Diese geht von einem rassistisch motivierten Angriff aus.
Der Vater, der die Jugendlichen zur Rede stellte, sei ebenfalls attackiert worden. Er und seine leicht verletzte achtjährige Tochter mussten im Krankenhaus behandelt werden. Die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung, Volksverhetzung und Beleidigung laufen und die Polizei sucht Zeug*innen. In Grevesmühlen leben gut 10.000 Menschen. Am Wochenende war Stadtfest, das Grölen rassistischer Parolen zu dem Lied „L’Amour toujours“ offenbar inklusive, jedenfalls hat die Polizei entsprechende Anzeigen aufgenommen. [….]
Die Braunen haben Oberwasser, weil die anderen Parteien kein Rückgrat haben und ihnen hinterherlaufen. Das bekommen Gäste, Migranten, ausländische Fußballfans, POCs nun mehr denn je zu spüren.
Sommermärchen? Fest der Freude? Ja, schon, aber man möge dazu bitte weiß, deutsch und hetero sein. Alle anderen sind nicht so willkommen.
Es ist der klassische Patriotismus, den Mannschaftssportarten triggern: Er exkludiert.
[…..] Der rassistische Überfall auf zwei Mädchen mit ghanaischen Wurzeln stieß auf schockierte Reaktionen. Doch überraschend kommt er keineswegs in einem Land, in dem die AfD bei der EU-Wahl auf breiter Ebene deutliche Gewinne verbuchte, wo an Fenstern und an Autos wieder stolz die schwarz-rot-goldenen Flaggen wehen. Deutschland ist diesmal Gastland bei der Fußball-Europameisterschaft. […..] Zu dem „Wir“ gehören eben nicht alle – das bekommen die Menschen mit Migrationshintergrund zweifellos bei dieser Meisterschaft wieder zu spüren. So häufen sich schon jetzt Nachrichten über rechtsextreme Vorfälle aus dem Saarland, aus Neubrandenburg, Bremen und Warnemünde. Und das sind nur die bekannt gewordenen. Volksverhetzende Parolen, Hitlergruß und der umgetextete Partyklassiker „L’amour toujours“ gehören zum Repertoire der Rassisten.
Wie bedrohlich die Lage für People of Colour oder Queere ist, haben viele noch immer nicht verstanden oder wollen es nicht wahrhaben. Rechtsextremismus, rassistische Übergriffe, rechtsextremes Gedankengut sind zunehmend en vogue. […..] Die politischen Akteure müssen von Diskriminierung bedrohte Menschen schützen. Seid nicht länger schockiert, sondern achtet aufeinander. […..]
(Adefunmi Olanigan, 16.06.2024)
Also UEFA und DFB; brecht diese jetzt schon als Schande entlarvte Funktionärs-Peinlichkeit ab!