Es gibt mehr und mehr politische Themen, bei denen es, anders als früher, keine sachliche Diskussion mehr zwischen „Links“ und „Rechts“ gibt.
Das liegt einerseits in der Ermangelung einer gemeinsamen Streitplattform. Statt der Plenardebatten, oder von allen Bürgern gesehenen öffentlich-rechtlichen Formaten, haben sich die Informationsgewohnheiten durch die Digitalisierung in meinungshomogene Blasen verlagert. Wenn man sich aber stets in einem Umfeld befindet, in dem einem ohnehin alle zustimmen, verlernt man es, argumentativ für seine Sache zu werben und auf Gegenargumente einzugehen.
Andererseits wurde „die Rechte“ auf breiter Front von der Realität überrollt und kann selbst bei größter Seriosität nur noch Rückzugsgefechte führen.
Die Linke hat quasi inhaltlich gewonnen.
Das Problem gab es schon 100 Jahre bei gesellschaftlichen Reformen – Kinderrechte, Frauenrechte, Schwulenrechte, Selbstbestimmungsrechte, Tierrechte, etc, die von den Konservativen nur verzögert, aber nie ganz aufgehalten werden konnten.
Aber auch bei den sogenannten harten Themen, die niemand in den „und Gedöns“-Bereich einordnen würde, haben sich die Prognosen und Konzepte der linken Seite vollständig durchgesetzt.
Es ist unmöglich, seriös und faktenbasiert über den menschengemachten Klimawandel zu debattieren, weil er real und bewiesen ist.
„Trickle Down“ ist widerlegt und die enorme Reichtumskonzentration in unregulierten kapitalistischen Strukturen ist belegt.
Fossile Brennstoffe sind endlich, es gibt drastische Überbevölkerung, Verteilungsungerechtigkeit, Artensterben, Migrationsdruck. Die Meere sind überfischt, die Böden verdorrt, War on drugs ist gescheitert, deutsche Digitalisierung funktioniert nicht, der Fleischkonsum mussdrastisch eingeschränkt werden. Da können sich Lindner und Merz noch so sehr Rumpelstielzchen-artig zeternd die eigenen Beine ausreißen: Die politischen Konzepte der Konservativen gehören allesamt in die Tonne. Die gesamte Menschheit muss auf erneuerbare Energiequellen umsteigen, Ressourcen schonen, die Bevölkerungsexplosion stoppen, den Reichtum umverteilen. Die Alternative ist in allen Fällen der finale Exitus des Homo Sapiens.
Gegen den Umstieg auf ökologischere Heizmethoden, kann man sich zwar wehren, aber man kann die generelle Notwendigkeit des Vorhabens nicht faktenbasiert vertreten. Die FDP zeigt schon, wie sie mit diesem Dilemma umgeht: Sie streitet zwar weiterhin massiv gegen Klimaschutz, Wärmepumpen, Elektroautos oder Tempolimit, muss dafür aber öffentlich dreist lügen und Absprachen brechen.
Die US-Republikaner kennen das Problem schon lange – alle ihre Hauptthemen sind offensichtlicher Unsinn und schaden dem Land schwer: Bücherverbot, Entlassung der Milliardäre aus der Solidarität, Homo-Hass, AR15 für jeden, Verteufelung von Umweltschutz und Krankenversicherung.
Für kein GOP-Kernanliegen gibt es rationale Argumente. Daher versuchen es die QTrumpliKKKans erst gar nicht, sondern lügen entweder, wie gedruckt, oder verlegen sich auf bösartige persönliche Diffamierungen der Demokraten.
Der bayerischen CSU und bundesdeutschen CDU bleiben auch nur zwei Alternativen.
Einerseits das große Mea Culpa im Frank Schirrmacher-Stil; Wir lagen Jahrzehnte lang in jeder Hinsicht falsch, Grüne und SPD hatten Recht. Das sehen wir jetzt ein und unterstützen Scholz und Habeck.
Bürgerliche Werte: „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“
Im bürgerlichen Lager werden die Zweifel immer größer, ob man richtig gelegen hat, ein ganzes Leben lang. Gerade zeigt sich in Echtzeit, dass die Annahmen der größten Gegner zuzutreffen scheinen.
(Frank Schirrmacher, FAZ, 15.08.2011)
Wie wahrscheinlich ist aber so ein Statement von Söder und Merz? Rhetorische Frage. Daher wenden sie sich der zweiten Alternative zu: Lügen und hetzen.
Beispiel Fleischkonsum. Laut Welternährungsorganisation FAO entstehen fast 15% der Treibhausemissionen durch Fleischproduktion. Bis 2100 werden damit 1356 Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalente verursacht, die 2.000-fache Menge des gesamten in Deutschland in einem Jahre emittierten CO₂s. Wer aber wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), eine unabhängige Beratungsinstitution auch nur darüber nachdenkt, wie man weniger Fleisch essen könnte, verfallen die konservativen schon in einen Lügensturm.
[…..] 1. Die DGE hat noch gar keine Empfehlungen ausgesprochen.
2. Die DGE werde, sagte DGE-Präsident Bernhard Watzl zu »Kontraste«, »so eine Empfehlung definitiv nicht machen«.
3. Was auch immer die DGE dann Anfang 2024 veröffentlicht, ist eben eine Empfehlung. Keine Vorschrift, kein Gesetz und schon gar kein Verbot.
4. Die DGE ist eine unabhängige Einrichtung, sie wird weder vom Landwirtschaftsministerium noch von »den Grünen« gesteuert.
All das ficht aber zum Beispiel bayerische Wahlkämpfer absolut nicht an. Markus Söder (CSU) rief bei der berüchtigten Anti-Wärmepumpen-Erweckungsveranstaltung vergangenes Wochenende in Erding ins Publikum (sic): »Eine zwangshafte Veganisierung Deutschlands und Bayerns macht keinen Sinn.« Und dann, fast schon Comedy: »Ein Leben ohne Schweinebraten mag möglich sein, aber nicht sinnvoll.«
Söder, Aiwanger und »Bild« lügen einträchtig. Das sind bittere Nachrichten für Vegetarier und den Großteil der Menschheit, dessen Diät keinen bayerischen Schweinebraten enthält – lauter sinnlose Existenzen. Vor allem aber ist alles, was Söders gespielter Empörung zugrunde liegt, schlicht gelogen, und das weiß der Mann selbstverständlich. Kein »Zwang«, schon gar nicht zur »Veganisierung«, ja, nicht mal eine Empfehlung. Söder schlug einmal mehr auf Strohmänner ein.
Er war nicht der Einzige, auch der Bundestagsabgeordnete Oliver Vogt von der CDU wiederholte die Lüge von der »Empfehlung« und produzierte sogar ein satirisch gemeintes Video zum Thema.
Witzig! Auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert »25 Quadratkilometer« Aiwanger ignorierte die Information, dass es keine 10-Gramm-Empfehlung gibt und auch keine geben wird. Er behauptete weiter öffentlich, demnächst sei es dann »ein Gramm«, also – witzig! – »ein Mehlwurm«. Auch Aiwanger lügt sein Publikum ständig an, ohne mit der Wimper zu zucken. Der Präsident des bayerischen Bauernverbands rief dem Erdinger Publikum sogar zu: »Esst Fleisch fürs Klima!« […..]