Helmut Schmidt ärgerte sich die Pest über Jimmy Carter, weil
der extrem fromme Erdnussfarmer sich nie festlegen mochte und einmal getroffene
Absprache häufig wieder umwarf.
Den Nato-Doppelbeschluss vom Dezember 1979 hatte der
deutsche Kanzler daher quasi im Alleingang durchgesetzt.
Der US-Präsident mochte noch nicht mal die atomaren
Mittelstreckenwaffen in die SALT-II-Gespräche einbeziehen.
(SALT oder START mögen für die heutige Jugend
unbekannte Akronyme sein; wer wie ich in den frühen 80ern zur Schule und zu den
gewaltigen Friedensdemos ging, dem ging „Strategic Arms Limitation Talks“ oder „Strategic Arms Reduction Treaty“ ganz selbstverständlich auf den
Pausenhof von den Lippen.)
In einer rein bipolaren konfrontativen Welt, die schon
einige Male außerordentlich knapp an einem Atomkrieg vorbei geschlittert war,
lag Deutschland genau im Zentrum des Interesse; die Grenze zwischen Warschauer
Pakt und Nato lief buchstäblich genau durch das Land.
Die Atomraketen-Politik hatte absolute Priorität und ohne
die USA ging es nicht.
Als Carter plötzlich auch noch von frommen antisowjetischen
Hinterwäldlern gedrängt auf einmal die Olympischen Spiele von Moskau 1980
boykottieren wollte – in dem totalen Irrglauben das ZK der UdSSR dadurch vom
Afghanistankrieg abbringen zu können, versuchte Bonn alles, um Washington
diesen Unsinn auszureden.
Vergebens. Wider seiner eigenen festen Überzeugung schloss
sich Deutschland dem Boykott an, um sich damit US-treu zu erweisen, nachdem Schmidt
und Genscher die USA schon beim Doppelbeschluss bis zum Äußersten gereizt
hatten.
Wie sich die Welt in den folgenden 40 Jahren gewandelt hat!
Inzwischen sehen wir den Afghanistan-Feldzug der Roten Armee
ganz anders. Es war immerhin ein legaler Krieg.
Die kommunistische Demokratische Volkspartei Afghanistans
(DVPA) unter Nur Muhammad Taraki forcierte ab 1978 die Säkularisierung des
Landes. Die USA und die CIA unterstützten hingegen sehr intensiv
fundamentalistische Kräfte des Islam; 30 islamistische Mudschahedin-Gruppen.
Taraki bat immer wieder inständig und flehend um sowjetische
Militärhilfe, um die Taliban unter Kontrolle zu bringen.
Lange lehnte Moskau ab, bis es die CIA so viele Milliarden
Militärhilfe an die Islamisten geliefert hatte, Taraki von ihnen ermordet wurde
und ein Sturz in die muslimische Steinzeit drohte. Am 25. Dezember 1979 schließlich marschierte
die neue sowjetische 40. Armee unter Marschall Sergei Sokolow die Grenze, um dem
neuen afghanischen Regierungschef Hafizullah Amin zu stützen und das Leiden der
Zivilbevölkerung unter den Mudschahedin-Gruppen zu beenden.
Die bittere Ironie ist, daß dieser Vorstoß fast erfolgreich
war und den einzigen jemals realistischen Versuch darstellte Afghanistan zu
säkularisieren, demokratisieren und zu befrieden.
Die USA verhinderten dies, indem sie unter anderem einen
gewissen Osama bin Laden als Mudschahedin-Kämpfer nach Afghanistan schickten.
Inzwischen haben die USA selbst Afghanistan angegriffen –
diesmal aber gegen den Willen der Regierung Kabuls - stehen seit fast 20 Jahren
in dem Land und sind nicht ansatzweise so erfolgreich wie die Rote Armee in den
1980ern dabei die von ihnen selbst hoch gerüsteten Taliban-Fanatiker zu bekämpfen.
Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn man Breschnew einfach
machen lassen hätte.
Die geopolitischen Entscheidungen Amerikas haben sich in
Afghanistan – wie in allen muslimischen Ländern, in die sie sich einmischen –
als katastrophale Fehlgriffe erwiesen.
Helmut Schmidt allerdings behielt Recht. Der NATO-Doppelbeschluss,
gegen den ich damals auf die Straße ging, war letztlich erfolgreich.
Russland ist heute nicht mehr die Sowjetunion und aus
gänzlich anderen Gründen gefährlich.
Aber Europa kann heute seine eigene Russland-Politik betreiben.
Die USA sind heute Trumpistan.
Früher gab es ideologische Politik in Washington und auch strategische
Fehlentscheidungen. Aber die USA waren auch ein verlässlicher Partner, mit dem
zusammen man viel erreichen konnte.
Die Trump-Administration fällt noch nicht einmal mehr
falsche strategische Entscheidungen, sondern handelt vollkommen erratisch und
irre.
Der Vertrauensvorschuss ist endgültig dahin. Der 45.
Präsident ist derartig verblödet, daß sogar Nummer 43, der 2001 in Afghanistan
und 2003 in den Irak einmarschieren ließ, heute wie eine Lichtgestalt wirkt.
Unglücklicherweise ist nicht nur Trump verrückt, borniert
und völlig ungebildet, sondern seine gesamte Crew besteht aus enthirnten
Lügnern, so daß es auf keiner Regierungsebene noch Ansprechpartner gibt.
Wenn die USA 10.000 Soldaten aus Deutschland abziehen,
erfährt Merkel das aus der Zeitung.
Zusammenarbeit mit den USA ist nicht mehr möglich. Drei Jahre
versuchte man es mit Trump auf verschiedenen Gipfeln, nahm Rücksicht auf seine
nur maximal 100 Sekunden anhaltenden Aufmerksamkeitsspanne, präsentierte Beschlussvorlagen
in simplen bunten Bilderchen, damit auch Trump folgen konnte. Aber auch das war
vergebliche Liebesmüh, wie der G7-Gipfel im kanadischen La Malbaie zeigte. Justin
Trudeau gab sich am 8. und 9. Juni 2018 alle Mühe den US-Amerikaner zu
besänftigen; es kam zu einer gemeinsamen Abschlusserklärung. Aber Trump flog
vorher ab, um sich mit seinem neuen Busenfreund Kim-Jong Un zu treffen und widerrief
noch im Flugzeug all das, was er wenige Stunden vorher unterschrieben hatte.
Der G7-Gipfel von 2020 sollte turnusgemäß in den USA
stattfinden.
Ende Mai sagte Merkel allerdings ihr persönliches Erscheinen ab.
Die Corona-Epidemie ließe das nicht zu.
Trump tobte derart, daß er deswegen 10.000 Mann aus
Deutschland abzog und damit das Pentagon zur Verzweiflung brachte. Dumm wie
Trump, Pence und Pompeo sind, wußten sie nämlich nicht, daß die amerikanischen
Stützpunkte in Rheinland-Pfalz für die USA sehr viel wichtiger als für Deutschland sind.
Aber was für ein Reputationsverfall.
Undenkbar, daß Helmut Schmidt einer Einladung des US-Präsidenten nicht gefolgt wäre – selbst als es der ungeliebte Carter war.
Undenkbar, daß Helmut Schmidt einer Einladung des US-Präsidenten nicht gefolgt wäre – selbst als es der ungeliebte Carter war.
Trumps Ansehensverlust ist hingegen vollständig und
irreversibel.
Unter dem Druck der ungünstigen Wahlumfragen wollte Trump
nun ein G7-Treffen eine Nummer kleiner, also auf Ministerebene, statt auf der
Ebene der Regierungschefs abhalten. Das sollte etwas Glanz in seine Hütte
bringen, während Joe Biden, der Amt-lose in seinem Keller hocken muss.
Die Antwort aus Deutschland kam prompt: Kein Bock!
[….] Die US-Regierung ist erneut mit dem Versuch gescheitert, trotz der
Coronakrise ein Treffen von Spitzenpolitikern der sogenannten G7-Staaten in
Washington zu organisieren. Wie der SPIEGEL aus deutschen und amerikanischen
Regierungskreisen erfuhr, wollte die US-Regierung die Außen- und Finanzminister
der G7 am 29. Juli in die US-Hauptstadt einladen. [….] Aus Berlin allerdings kam sehr schnell eine Absage. Weder Außenminister
Heiko Maas noch sein Kabinettskollege Olaf Scholz sagten für das Treffen in den
USA zu. Stattdessen signalisierte man, Deutschland werde maximal
Staatssekretäre schicken. [….] Trump
wollte mit dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs ein Zeichen der
"Normalisierung" der Corona-Lage in seinem Land setzen, wie er auf
Twitter schrieb.
Unter den europäischen G7-Staaten wird vermutet, dass die Einladung an
die Finanz- und Außenminister mitten im US-Wahlkampf demselben Ziel dienen
sollte: Die Anwesenheit von zwölf Ministern aus Deutschland, Frankreich,
Großbritannien, Italien, Japan und Kanada hätte Trump als Erfolg verbuchen
können. [….]
So einen drastischen Autoritätsverfall Washingtons konnte man sich bis vor wenigen Jahren nicht vorstellen.
Selbst die Minister der treuesten Verbündeten zeigen
desinteressiert den Mittelfinger, wenn „der mächtigste Mann der Welt“, der „leader of the free world“ ruft.
Da bleibt dem US-Präsidenten wieder einmal nur eine Nacht
des rage-tweetings, um Dampf abzulassen.