Vanja
hat sich nicht ausgesucht welches Geschlecht er/sie hat.
Er/sie
wurde wie etwa 100.000 weitere Menschen in Deutschland weder als Mann noch als
Frau geboren.
Nicht in
die biblischen Schablonen zu passen bedeutete über Jahrtausende entweder gleich
getötet zu werden oder später gequält zu werden. In den letzten 100 Jahren
wurden schon Säuglinge rücksichtslos so operiert, daß sie zwangsweise häufig
sterilisiert und immer äußerlich in ein (meist falsches) Geschlecht gezwungen
werden.
Das ist
zutiefst menschlich, denn Menschen sind abartige, grausame und
vorurteilsbeladene Wesen, die das töten und quälen, was sie nicht kennen.
Auch ich
erfasste erst vor etwa 20 Jahren bei der Lektüre von und über Del Lagrace Volcano welche unfassbare
Grausamkeit heimlich, still und leise an tausenden Kindern jährlich begangen
wird.
Immerhin
erfreulich, daß es im Jahr 2017 kurz nach der „Ehe für fast alle“ (einige bleiben
weiterhin ausgeschlossen) nicht mehr erneut Jahrhunderte dauerte, bis
Intersexuelle auch rechtlich ein eigenes Geschlecht bekamen.
[….]
Bei Frauen ist es XX, bei Männern XY.
Vanja hatte nur ein X, mehr nicht. Die Ärztin war geschockt.
Vanjas Reaktion?
Verwirrt. Erschreckt. Aber auch einen Schritt näher bei sich selbst.
"Irgendetwas in mir hat ja gewusst, dass sich da keine Weiblichkeit
entwickelt." Nur: Wer oder was war Vanja nun? Die ärztliche Diagnose klang
nach Frau mit Defekt, sie könne eben keine Kinder kriegen: "45,X0,
numerisch pathologischer Karyotyp mit Monosomie X/Ullrich-Turner-Syndrom".
Das ist nur eine der diversen Varianten medizinisch unklarer
Geschlechtszuordnung; mal sind es die Gene, mal fehlende Enzyme oder hormonelle
Fehlsteuerungen.
[…..]
Die Mediziner empfahlen, Östrogen zu geben,
das weibliche Sexualhormon. Vanja sollte doch noch die Kurve zur Frau kriegen.
Letztlich entsprach
das einer rigiden Haltung, die sich im 19. Jahrhundert herausgebildet hatte.
Davor, etwa im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794, hatten Betroffene
bis zum 18. Lebensjahr das Recht, einen Irrtum der Eltern bei der
Geschlechtszuordnung zu korrigieren - das Recht also, das eigene Geschlecht zu
wählen, wenn auch nur zwischen zwei Möglichkeiten. Hundert Jahre später wurde
aus dem Wahlrecht eine behördliche Zuweisung: Einzutragen war das "wahre
Geschlecht" - im Zweifelsfall mussten die Mediziner entscheiden. Aus diesem Zwang zur Eindeutigkeit sollte
sich eine mitunter barbarische Praxis entwickeln. […..]
Woher
kommt diese extreme menschliche Bösartigkeit gegenüber völlig unschuldigen
Artgenossen?
Offensichtlich
aus der tiefen Borniertheit des Denkens.
Was der
Bauer nicht kennt, isst er nicht.
Es kann
nicht sein, was sein darf.
Mensch
ist zu denkfaul, um die gewohnten sprachlichen maskulin-feminin-Pfade zu
verlassen.
Dabei
wußte schon Marcel Reich-Ranicki wie eigenartig deutsche Grammatik ist.
In
Deutschland heißt es
die Männlichkeit
der Feminismus und
das Weib.
Und wer
hat noch nicht die verblüffte Reaktion eines Italieners erlebt, wenn man ihm
erzählt bei uns hieße es der Mond und
die Sonne, der Südländer aber „il sole“ als männlich und „la luna“ natürlich als weiblich kennt?
Und was
ist mit den verrückten Engländern und Amerikaner ganz ohne geschlechtliche
Artikel auskommen. Ihnen genügt „the“, bzw „a“. Was ist denn das für eine
Gleichmacherei?
Aber die
duzen ja auch jeden. Unverschämtheit.
Ist man
deutschsprachig aufgewachsen, wirkt es ausgesprochen absurd statt „er“ und „sie“
nur noch „es“ zu sagen.
Die
Gewöhnung ist der Schlüssel. Mensch ist zu träge und tumb, um sich an einen
anderen Sprachgebrauch anzupassen.
Insofern
bin ich auch nicht sehr optimistisch, daß die frommen Schweden es schaffen die
liebe Göttin zukünftig als Intersexuelle(n) anzusehen.
Anders
als bei Vanja kam man dem wahren Geschlecht Gottes allerdings nicht durch eine
Genanalyse auf die Spur, sondern durch Recherchen der Erzbischöfin Antje
Jackelén, der Chefin der Schwedischen Kirche. Es waren offensichtlich mal
wieder die verrückten 80er Jahre, als sich Männer schminkten und die Haare
hochtoupierten. Da fiel Gott glatt der Penis ab.
"Die Idee, dass wir eine inklusivere
Sprache brauchen, existierte bereits während der Arbeit zum Handbuch 1986.
Theologisch wissen wir, dass Gott jenseits unserer Geschlechtsbestimmungen ist.
Gott ist kein Mensch."
(Antje
Jackelén)
In
Deutschland kommen solche Pläne gar nicht gut an.
Vor
einigen Jahren hatten die theologische Blitzbirne Margot Käßmann und
ausgerechnet die ultrakonservative Familienministerin Kristina Schröder
eroiert, ob der deutsche, protestantische Gott ebenfalls eine Transe sein
könne.
Das ging
ihren Kabinettskolleginnen allerdings gewaltig auf die Eierstöcke.
[…..] Kristina
Schröder brachte einst als Familienministerin das religiöse Weltbild einiger
Mitmenschen ins Wanken. Auf die Frage, warum man eigentlich zu "dem lieben
Gott" bete und nicht "zu der Gott", sagte sie in der Zeit:
"Ganz einfach: Für eins musste man sich entscheiden. Aber der Artikel hat
nichts zu sagen. Man könnte auch sagen: das liebe Gott."
Diese Aussage der
CDU-Politikerin sorgte rund um Weihnachten 2012 für einigen Wirbel. Christine
Haderthauer von der CSU schimpfte, dass sie "dieser verkopfte Quatsch
sprachlos" mache. CDU-Kollegin Katharina Reiche beschloss: "Der liebe
Gott bleibt der liebe Gott!" Sogar die Bundeskanzlerin wurde aufgefordert,
sich zum göttlichen Artikel zu äußern. Ihr Sprecher Steffen Seibert erklärte
also: "Wer an Gott glaubt, dem sind die Artikel egal." Der Ausdruck
"der liebe Gott" habe in den Herzen vieler Menschen seit
Jahrhunderten einen Platz. [……]
Es ist
eben, wie immer eine Frage der Gewöhnung.
Wer
2.000 Jahre lang den Gott als „Vater“ ansprach, seine nackten männlichen Körper
am Kreuz betrachtete und schließlich auch all die Bilder vom ihm mit wallendem
Vollbart kannte, tut sich schwer damit eine grammatikalisch-angleichende
Operation vorzunehmen.
Und zu
was eigentlich? Ist Gott/Göttin nun ein Hermaphrodit, oder eher so was wie ein
Eunuch?
Papst Ratzi
schreibt seiner Biografie Jesus von Nazareth, Band eins, Seite 174, "Natürlich
ist Gott weder Mann noch Frau“ – und dachte womöglich dazu sondern eine zölibatäre Frauenverachterin mit einem Faible für bunte
Kleider – so wie ich.
Endgültig
geklärt ist der Sachverhalt leider immer noch nicht, weil Gott sich so selten
auf der Erde blicken lässt, seit Fotoapparate erfunden wurde.
Und auf
Facebook oder Twitter ist er auch nicht. So lange er uns kein Dickpick schickt, müssen wir also weiterrätseln.
[…..][…..]
In
Uppsala entschied das 251-köpfige Entscheidungsgremium der
evangelisch-lutherischen Kirche mit großer Mehrheit, künftig darauf
hinzuwirken, geschlechtsneutrale Begriffe für Gott zu verwenden. […..] Die Vorsitzende des Gottesdienst-Ausschusses
der Kirche, Sofija Pedersen Videke, sagte: "Gott ist viel größer als das
Geschlecht. Wir Menschen haben ein Geschlecht, aber Gott ist jenseits davon.
Egal, welche Bilder wir verwenden, wir können niemals alles abdecken, was Gott
ist." […..] Einig sind sich die
Theologen darin, dass Gott keinesfalls ein Neutrum sei. Sich Gott als Sache
vorzustellen oder unpersönliches Wesen widerspreche der Lehre und der
Auffassung von Gott als Person. Insofern beschwerte sich die Schwedische Kirche
auch bei einigen dänischen Zeitungen, die berichteten, dass in Gottesdiensten
nun das geschlechtsneutrale Personalpronomen "hen" für Gott
eingesetzt werden solle. Das Wort wurde erst 2015 ins Standardwörterbuch der
schwedischen Sprache übernommen, als Ergänzung zum männlichen "han" und
weiblichen "hon".
[……]