Donnerstag, 16. Februar 2017

Volkscharakter

Die gängigen Klischees über nationale Volkseigenschaften können natürlich gar nicht stimmen, weil Völker aus Individuen bestehen und somit eine pauschale Betrachtung a priori zum Scheitern verurteilt ist.

In Wahrheit frönt man nur den eigenen Vorurteilen.
Liebt man beispielsweise Holland (so wie ich) und ißt einen besonders schmackhaften holländischen Käse, merkt man sich diesen den eigenen Erwartungen entsprechenden Befund: Ja, die Holländer können das eben.
Kaut man aber auf einem abgepackten Jung-Gouda ohne Eigengeschmack, speichert man es nicht als holländisch ab.

Es ist mit nationalen Vorurteilen wie bei den politischen Internetfilterblasen – man läßt nur die Informationen in die Großhirnrinde diffundieren, die dem eigenen Weltbild entsprechen und sortiert die widersprechenden Meldungen in ohnehin schon verkalkte Hirnzellen ein, die bald absterben.

Völker bestehen nicht nur aus einzelnen Individuen, sondern auch aus höchst unterschiedlichen Sub-Landsmannschaften.
Ein junger Mecklenburger hat vielleicht keinerlei Gemeinsamkeiten mit einer oberbayerischen Seniorin.
Der italienische Südtiroler Unternehmer kann nichts mit verarmten sizilianischen Bauern anfangen.
Ein evangelikaler Redneck aus Alabama lebt in einem anderen Universum, als der gebildete Bostoner Hipster.

Die extreme Heterogenität Amerikas ist geradezu zum Charakteristikum der USA geworden. Die 65 Millionen Clinton-Wähler stehen den 62 Millionen Trump-Fans unversöhnlich gegenüber.
Man ist sich nicht nur gesellschaftlich und politisch völlig uneins, sondern kann sich noch nicht einmal mehr auf ein gemeinsames Fundament verständigen, weil es völlig unterschiedliche Ansichten darüber gibt was eigentlich „die Realität“ ist.

That said, folgen nun einige meiner liebsten National-Vorurteile:

Deutsche haben einen grauenvollen Musikgeschmack. Das führt beispielsweise dazu, daß sie beim ESC immer Letzter werden müssen, solange der deutsche Teilnehmer vorher per Telefonvoting ermittelt wird.

Verblüffenderweise ist das auf den britischen Inseln und in den USA ganz anders.
Dort gelangen daher immer wieder Personen mit überwältigenden Stimmen in die Charts, die dann auch sofort international erfolgreich werden.
In Deutschland hingegen hält man Sarah Connor, Helene Fischer, Roy Black oder Peter Maffay für großartig und wundert sich, daß diese im Rest der Welt keine Platten verkaufen.

Deutsche haben kein Gefühl für Mode. Der gemeine Teutone zieht sich legendär schlecht an; ist daher im Ausland schon vom Weiten aufgrund der kurzen Hosen und der Socken/Sandalen-Kombi als solcher zu erkennen. Besonders bizarr erscheint mir das deutsche Gesetz zu sein, nach dem man ab 60 nur noch beige tragen darf und dabei Gesundheitsschuhe und Steppwesten verwenden muß.
Eigenartigerweise sind in dieser Beziehung Amis und Briten kaum besser.
In Modefragen geschmackssicher sind hingegen Iberer, Italiener und Franzosen.
Nicht nur dominieren Franzosen und Italiener die internationale Modedesigner-Szene; auch das gemeine Volk weiß sich zu kleiden.
Nicht mal im provinziellsten Dorf Frankreichs findet man eine Frau, die so geschmacklos angezogen ist, wie man das in Berlin jeden Tag auf der Straße sieht.
Portugiesen und Spanier aller Stände und jedes Alters verfügen über einen natürlichen Schick. Verfolgt man eine Hochzeit des spanischen Königshauses im TV sind alle spanischen Gäste fantastisch angezogen – im Gegensatz zum entsprechenden Event bei den Windsors.
Aber genauso wird jeder einfache Portugiesische oder Italienische Bauer eine einigermaßen sitzende lange Hose und ein gebügeltes weißes Hemd in seinem Garten tragen, während Deutsche privat im Garten aussehen, als ob sie sich bei einem Lumpensammler eingekleidet hätten.

Eine tiefsitzende Design-Unfähigkeit der Deutschen bemerkt man aber auch an der Architektur oder den Autos.
Es wird mir immer unverständlich bleiben, wie international so erfolgreiche Automobilkonzerne solche häßlichen Plump-Karren wie einen VW-Jetta, einen BMW mit diesem Dutt hinten drauf (530gt) oder den albernen Flunder Mercedes GLS bauen.
Muß das sein? Können die nicht auch hübsche Autos herstellen?
Sieht man sich hingegen einen Alfa Romeo an, merkt man bei jedem Detail, daß „die Italiener“ eben Geschmack haben. Die Dinger sehen immer gut aus.

Italiener haben eben Kultur. Die müssen nicht durch doofe deutsche Tugenden wie Effizienz und Stabilität langweilen.
Italienische Käse schmecken, Italienische Anzüge sitzen, Italienische Schuhe passen, Italienische Accessoires überzeugen und Italienische Weine überzeugen.

Italien gilt als Eurokrisenstaat, italienische Waren erfreuen sich gleichwohl weltweit wachsender Beliebtheit: 2016 erwirtschaftete das Land einen höheren Exportüberschuss als je zuvor.
Italien hat 2016 wegen der steigenden Nachfrage nach seinen Produkten aus Japan und China einen Exportüberschuss in Rekordhöhe erzielt. Er lag bei fast 52 Milliarden Euro, wie das Statistikamt Istat am Donnerstag in Rom mitteilte. 2015 hatten die Ausfuhren die Importe lediglich um knapp 42 Milliarden Euro übertroffen. Nach Deutschland (257 Milliarden Euro) und den Niederlanden (60 Milliarden Dollar) weist Italien damit den dritthöchsten Handelsüberschuss in der Europäischen Union aus.[…..]