Donnerstag, 25. Juni 2015

Shame on you, Europa.


Ist das mit Friedensnobelpreisen eigentlich genauso wie mit Dr.-Titeln; daß sie „verliehen“ werden und deswegen auch nicht einfach zurückgegeben werden können, sondern nur von der Institution, die sie verliehen hat auch wieder entzogen werden können?

Friedensnobelpreise werden ja aus sehr unterschiedlichen Gründen verliehen. Zum Beispiel um die Wandlung eines Falken zur Taube zu würdigen.
Oder auch, um einer Privatperson, die eher im Stillen wirkte Publicity zu geben.
Gelegentlich sind Friedensnobelpreise auch unstrittig, weil sie für jeden ersichtlich wirklich verdient waren.
Albert Schweitzer (1952), Martin Luther King (1964), Willy Brandt (1971), Anwar as-Sadat (1978), Elie Wiesel (1986), Michail Sergejewitsch Gorbatschow (1990), Nelson Mandela (1993) und Jitzchak Rabin (1994) waren, bzw sind solche Ausnahmemenschen.

2009 wollte Oslo sich offensichtlich in dem Glanz des eben erst gewählten Barack Obama sonnen. Das war in vielerlei Hinsicht großer Mist. Oslo blamierte sich, Oslo schadete Obama enorm, indem es seine Gegner von der GOP aufstachelte und Oslo wählte einen, dessen spätere Taten als Potus das Gegenteil von friedlich waren.

2012 war ich von der Entscheidung über den Friedensnobelpreis zunächst überrascht, ließ mich dann überzeugen.
In der Tat ist es nach 2000 Jahren Kleinstaaterei und permanenten Krieg tatsächlich so etwas wie ein Wunder, daß mitten in Europa seit 70 Jahren Frieden ist und sich die jüngere Generation gar nicht mehr vorstellen kann, daß nebenan über Jahrhunderte stets nur „der Erbfeind“ lebte, den man mit allen Mitteln bekämpfen mußte.
Die unglaubliche Symbolik dessen, daß sich Gerhard Schröder und Jacque Chirac auf verschiedenen EU-Gipfeln gegenseitig vertraten, daß man sich so gut kannte und sich so sehr vertraute, daß Chirac für Deutschland und später Schröder für Frankreich eine Stimme abgab, verursacht immer noch Gänsehaut.
Würden sich heute Paris und Berlin gegenseitig den Krieg erklären, stünde das Volk auf, um die eigenen Regierungen abzusetzen. Kein Soldat würde auf Soldaten des Nachbarlandes schießen.
Was für eine fundamentale Wende verglichen zu dem Zustand vor genau 100 Jahren als Franzosen und Deutsche sich massenhaft freiwillig meldeten und in beiden Ländern auf der Straße Jubelprozessionen losgingen, weil man sich so dermaßen für den Weltkrieg begeisterte.
Da kann man schon mal einen Nobelpreis für die EU rausrücken.
Sicherlich sollte der 2012er Preis auch ein Ansporn sein Europa weiter zu entwickeln; noch näher zusammen zu rücken.

Erstaunlich was dann doch noch alles schiefgehen konnte.
Ein Krieg in der Ukraine, der mitausgelöst wurde durch extrem schlechte, überhebliche und unüberlegte Russlandpolitik der EU.
Ein Europa der Ängste, das Millionen Wähler in Nord und Süd den Europafeinden und Rechtsextremen zutreibt, gestörte Beziehungen zwischen den engsten Partnern, Debatten über Grexit und Brexit, Brüsseler Entscheidungen, die einzelne Mitgliedsländern in den Ruin treiben und dazu auch noch perfide menschenfeindliche Flüchtlingspolitik, die Europas Südgrenze zu einem Friedhof macht.

Merkel, beliebteste Kanzlerin aller Zeiten trägt einen Großteil der Schuld an der Griechenlandkrise.
 Sie marschiert wider besseres Wissens in die Sackgasse und Europa guckt tumb zu.
Offensichtlich will man Athen und damit letztendlich auch Europa das Genick brechen.

Unmittelbar vor Beginn des EU-Gipfeltreffens haben die Kreditgeber der griechischen Regierung einen Forderungskatalog vorgelegt, den diese niemals erfüllen kann, ohne daheim von den Bürgern davongejagt zu werden. Sollte Premierminister Alexis Tsipras die auf neun Seiten aufgelisteten prior actions, also die am dringendsten durchzuführenden Maßnahmen, unterschreiben, käme dies einer Kapitulation seiner Regierung vor den Kreditgebern gleich […]
Die Botschaft der Experten von Europäischer Kommission, Zentralbank und Internationalem Währungsfonds klingt zwischen den akkurat und bis ins Detail aufgelisteten Forderungen unmissverständlich durch: Sie sind nicht bereit, auf die bisherigen Reformangebote der griechischen Regierung einzugehen. Sondern halten an den alten Vereinbarungen fest. Die in der Liste aufgeführten Forderungen entsprechen grundsätzlich den im Herbst 2012 von der konservativen Vorgängerregierung von Premier Antonis Samaras unterschriebenen Verpflichtungen des zweiten Rettungsprogramms für Griechenland. Also genau dem, was der linke Premier Tsipras verändern und eben nicht erfüllen wollte. Selbst die kleinen Annäherungen, die in den vergangenen Tagen erreicht wurden, sind wieder gestrichen. Statt weniger fordern die Kreditgeber mehr.

Es ist einfach nur erbärmlich was die großen Reichen mit Europa anstellen.
Der große Philosoph Habermas dringt nicht mehr durch.

[….] Weil für die deutsche Bundeskanzlerin schon im Mai 2010 die Anlegerinteressen wichtiger waren als ein Schuldenschnitt zur Sanierung der griechischen Wirtschaft, stecken wir wieder in einer Krise.
[….] Gewiss, in der Sache geht es um das sture Festhalten an einer Sparpolitik, die nicht nur in der internationalen Wissenschaft überwiegend auf Kritik stößt, sondern in Griechenland barbarische Kosten verursacht hat und hier nachweislich gescheitert ist. Aber in dem Grundkonflikt, dass die eine Seite einen Wechsel dieser Politik herbeiführen möchte, während sich die andere Seite hartnäckig weigert, sich überhaupt auf politische Verhandlungen einzulassen, verrät sich eine tiefer liegende Asymmetrie.
Man muss sich das Anstößige, ja Skandalöse dieser Weigerung klarmachen: Der Kompromiss scheitert nicht an ein paar Milliarden mehr oder weniger, nicht einmal an dieser oder jener Auflage, sondern allein an der griechischen Forderung, der Wirtschaft und der von korrupten Eliten ausgebeuteten Bevölkerung mit einem Schuldenschnitt - oder einer äquivalenten Regelung, beispielsweise einem wachstumsabhängigen Schuldenmoratorium - einen neuen Anfang zu ermöglichen.

Statt-dessen bestehen die Gläubiger auf der Anerkennung eines Schuldenberges, den die griechische Wirtschaft niemals wird abtragen können. Wohlgemerkt, es ist unstrittig, dass ein Schuldenschnitt über kurz oder lang unvermeidlich ist. Die Gläubiger bestehen also wider besseres Wissen auf der formellen Anerkennung einer tatsächlich untragbaren Schuldenlast.
[….]  Unsere Presse macht sich über den Akt der Umbenennung der Troika lustig; er ist tatsächlich so etwas wie eine magische Handlung. Aber darin äußert sich der legitime Wunsch, dass hinter der Maske der Geldgeber doch das Gesicht der Politiker hervortreten möge. Denn nur als Politiker können diese für einen Misserfolg, der sich in massenhaft vertanen Lebenschancen, in Arbeitslosigkeit, Krankheit, sozialem Elend und Hoffnungslosigkeit ausgebreitet hat, zur Rechenschaft gezogen werden.
[….] Diese Auflösung von Politik in Marktkonformität mag die Chuzpe erklären, mit der Vertreter der deutschen Bundesregierung, ausnahmslos hochmoralische Menschen, ihre politische Mitverantwortung für die verheerenden sozialen Folgen leugnen, die sie als Meinungsführer im Europäischen Rat mit der Durchsetzung der neoliberalen Sparprogramme doch in Kauf genommen haben.
Der Skandal im Skandal ist die Hartleibigkeit, mit der die deutsche Regierung ihre Führungsrolle wahrnimmt. Deutschland verdankt den Anstoß zu dem ökonomischen Aufstieg, von dem es heute noch zehrt, der Klugheit der Gläubigernationen, die ihm im Londoner Abkommen von 1953 ungefähr die Hälfte seiner Schulden erlassen haben. [….]

Nach zehn Jahren Merkel hat sich Europa in ein von Egoismen zersetztes St. Florians-Konglomerat verwandelt.

Noch widerlicher ist die allgemeine Xenophobie, die sich überall in Europa durchsetzt.

Kommen noch Touristen, wenn hier Ausländer rumstehen? In Österreich geben die rechten Ultras von der FPÖ den Ton an. Die etablierten Parteien eifern ihr nach. Über einen Verfall.
[….]  In Wien standen FPÖler jüngst direkt vor einem Flüchtlingsheim mit großen Schildern, auf denen zu lesen war: "Nein zum Asylantenheim". In Linz hielten jetzt übrigens Sozialdemokraten Schilder am Straßenrand hoch: "Sind Sie auch gegen ein großes Asylzentrum? Dann nicken Sie doch mal." Kriminalität, Zuwanderung und Asylfragen hatten im Wahlkampf in der Steiermark und im Burgenland eine herausragende Rolle gespielt. Wie viele Fremde kommen noch, wer muss wie viele aufnehmen, kommen die dann auch zu uns, sind wir noch sicher? Erst jetzt, da zwei Wahlen verloren sind und der Wahlkampf um Oberösterreich und Wien begonnen hat, werden endlich Asylgipfel angesetzt, Lösungen gesucht, macht der Kanzler das Ganze zur Chefsache, wird an Menschlichkeit und Solidarität appelliert.
Vorher hatte die Innenministerin Zelte aufstellen lassen, weil nicht genug Unterkünfte für die Asylbewerber zur Verfügung stünden. Als Signal, "dass wir der Sache nicht Herr werden, war das ein Turbo, ein Brandbeschleuniger", wie ein Wiener Politiker wütet. Monatelang habe man sich im Kabinett nicht für die steigenden Flüchtlingszahlen interessiert, "das war allen egal". Dann sei plötzlich Panik ausgebrochen. Die Diskussion habe aber nicht etwa der Frage gegolten, wie man das Problem konstruktiv angeht. Sondern wie "Österreich möglichst unattraktiv für Flüchtlinge wird" - eine Politik, die der Nachbar Ungarn derzeit mit besonders spektakulärer Verve exerziert.
[….] Dass die Konkurrenz der FPÖ hinterherrennt, sie gar imitiert, das ist der eigentliche Erfolg der FPÖ. So stark ist derzeit praktisch keine rechtspopulistische Partei in Europa, nicht mal der Front National in Frankreich oder Jobbik in Ungarn, schon gar nicht Vlaams Belang in Belgien oder die Freiheits-Partei von Geert Wilders in den Niederlanden, auch nicht die dänischen Rechtspopulisten, die gerade einen historischen Sieg errungen haben.
[….] Auch bundesweit rangiert die FPÖ mittlerweile ganz vorn, sie würde, wenn jetzt der Nationalrat gewählt würde, laut Umfragen wohl stärkste Partei Österreichs werden. Die früheren Volksparteien sind im Schock. Ist dies das Ende von Österreich, wie man es kennt?
[….] Auch die ÖVP verliert an Boden, Halt und Haltung. Im Wahlkampf in der Steiermark hatte ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer davor gewarnt, dass "Ausländer langsam das demokratische System unterhöhlen". Belohnt wurde er dafür mit dem Amt des Landeshauptmannes.  [….]

In Deutschland haben wir für tumbe rechtsradikale Ressentiments sogar mehrere eigenen Parteien: NPD, CSU und AfD.
Es gibt keine Peinlichkeit, vor der Crazy Horst, Erfinder der Anti-Ausländermaut zurückschrecken würde.

CSU-Chef Horst Seehofer hat am Donnerstag mit einem Interview zur Flüchtlingspolitik erheblichen Unmut verursacht. Der bayerische Ministerpräsident hatte darin "massenhaften Asylmissbrauch" beklagt und Bundespräsident Joachim Gauck kritisiert.
Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, warf Seehofer vor, "billigen Populismus auf dem Rücken von Flüchtlingen" zu betreiben. Linken-Chef Bernd Riexinger nannte den Ministerpräsidenten einen "Hinterwäldler". Auch die SPD kritisierte Seehofer heftig. Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte, der CSU-Chef spiele mit dem Feuer. Gerade in Zeiten, in denen sich "mancherorts brutaler Protest gegen Flüchtlinge zusammenrottet", sollten Politiker ihre Worte genau wägen, "statt wie Seehofer Ressentiments zu schüren und Stammtischparolen hinauszuposaunen".

Flüchtlinge, Menschen in Not, die unvorstellbares Grauen erlebt haben, sind im Europa des Jahres 2015, etwas vor dem man sich „abschottet“.
Die EU bündelt lieber die Kräfte, um Flüchtlingsboote zu zerstören – nachdem sie schon jeden anderen Weg blockiert hatte.
Menschen retten steht nicht auf der Tagesordnung der EU.

Gescheiterte Flüchtlingsquote  Triumph der Egoisten
[….] Große Geste ohne Folgen: Nach der Schiffskatastrophe im April, bei der 800 Flüchtlinge starben, versprach Europa eine bessere Migrationspolitik. Jetzt konnten sich die EU-Staaten noch nicht einmal auf eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge einigen - der Eigennutz hat gesiegt.

Im Poker um die Zukunft Griechenlands wäre eine Nachricht vom EU-Gipfel in Brüssel beinahe untergegangen: Europas Staats- und Regierungschefs lehnen eine Flüchtlingsquote für den Kontinent ab. Flüchtlinge sollen, wenn überhaupt, auf freiwilliger Basis in Europa umverteilt werden, aber keinesfalls nach einem festen Schlüssel.
[….] Ein Blick auf die kurze Karriere der Flüchtlingsquote genügt, um das Ausmaß des politischen Versagens zu begreifen. Die Forderung nach einer gerechten Verteilung von Asylbewerbern in Europa war eine Reaktion auf das Massensterben von Migranten an den EU-Grenzen. Mindestens 800 Flüchtlinge ertranken bei der bislang schlimmsten Schiffskatastrophe im Mittelmeer am 19. April.
[….] Zwei Monate nach der Havarie im Mittelmeer ist von der Agenda nicht viel übrig geblieben. Die EU-Staaten, die große, humanitäre Anstrengungen versprachen, konnten sich noch nicht einmal auf die Verteilung von 40.000 Flüchtlingen einigen. Nationale Egoismen haben über Menschlichkeit gesiegt. [….] Gemäß des Schlüssels hätte Portugal wenige Hundert zusätzliche Flüchtlinge beherbergen müssen. Deutschland, das reichste EU-Land, knapp 9000. Die türkische Grenzstadt Suruc nahm vergangenen Herbst innerhalb einer einzigen Woche 30.000 Syrer auf.

In Deutschland betrachten die C-Parteien verzweifelte Menschen in Not als Gefahr, vor der man sich schützen muß.

Flüchtlinge werden einkaserniert – zuweilen sogar in Gefängnissen und sogar ehemaligen KZs (!!!) – bewacht, drangsaliert, schikaniert, mit Stacheldraht umzäunt und mit Jahrelangem Arbeitsverbot belegt.
Ein Wahnsinn.

Das gelegentlich so hysterische Amerika macht es anders und VIEL besser.
Hier werden Flüchtlinge auch als Chance begriffen.
Sie werden auf US-Kosten LEGAL ins Land geholt, müssen anschließend aber die Kosten erstatten. Dies ist natürlich sehr viel billiger als die illegalen Schlepper rund um die EU kosten.
In den USA bekommen Flüchtlinge nicht nur KEIN Arbeitsverbot, sondern werden vom ersten Tag an ausdrücklich ermuntert zu arbeiten und sich selbst zu verwirklichen.

Die großartige  Isabel Schayani (2005-2014 Redakteurin bei MONITOR, jetzt Korrespondentin in NY) berichtete vor einigen Tagen im NDR von so einem Fall.

Utica ist eine Erfolgsgeschichte der besonderen Art. Die Stadt drohte zu zerfallen, doch Flüchtlinge bewahrten sie davor. Jedes Jahr kommen Hunderte Flüchtlingen nach Utica.