Vor einem Vierteljahrhundert tobte der Krieg in Bosnien-Herzegowina. In dem multiethnischen Teilstaat des ehemaligen Jugoslawien ging es genozidal zu. Man wollte sich nicht nur gegenseitig besiegen, sondern den anderen auslöschen. Auf einer Fläche in etwa so groß wie Niedersachsen leben heute noch 3,3 Millionen Bosnier. Die Hälfte von ihnen sind muslimische Bosniaken, ein knappes Drittel orthodoxe Serben und 15% katholische Kroaten. Dazu kommen weitere 17 anerkannte Minderheiten und natürlich leben all diese Gruppen eben nicht fein säuberlich voneinander getrennt, sondern wild durcheinander. Sie sind normale Menschen, die sich verlieben und multiethnische Familien bilden.
Wer da mit faschistischer Ideologie „aufräumen“ und „ethnisch reinigen“ will, ist nicht nur ein amoralischer Völkermörder, sondern auch noch zum Scheitern verurteilt.
Die gut acht Millionen Russen in der Ukraine (fast jeder fünfte Einwohner) leben eben nicht separiert im Osten, sondern mit den Ukrainern vermischt, bilden russisch-ukrainische Familien. Multiethnische Staaten können nicht prosperieren, wenn die Bevölkerung in einer Form der Apartheid gegeneinander lebt. Es geht nur miteinander. Anders als CSU, CDU und AfD glauben, ist auch Deutschland nicht nur ein Einwanderungsland, sondern ein multikulturelles Land. War immer ein multikulturelles Land. Wer wie Merz und Merkel die „deutsche Leitkultur“ preist, versündigt sich. Ein Modus Vivendi durch gewaltige Trennmauern wie in Palästina funktioniert ebenso wenig, wie die Vorherrschaft einer Ethnie in Ruanda oder Myanmar.
So wie rassistische Politik und „Ausländer raus“-Ideologie der QTrumpliKKKans das 330-Millionenvolk der USA zerstören, wird auch das 3,3-Millionenvolk der Bosnier durch antiethnisches Gedankengut ruiniert.
Bosnien-Herzegowina kommt nicht zur Ruhe.
[….] Die Bundeswehr schickt erstmals nach zehn Jahren wieder Soldaten nach Bosnien und Herzegowina. [….] Der Auftrag für die Bundeswehr lautet bei ihrer Rückkehr in das Balkanland ganz ähnlich wie damals: Die Deutschen sollen zum einen aus der Hauptstadt Sarajewo die Ausbildung der Streitkräfte unterstützen. Zum anderen aber den Kontakt zur Bevölkerung pflegen, als eine Art Frühwarnsystem wirken, sollten sich die Spannungen verschärfen. Das geschieht, indem die Soldaten Teil der EU-Verbindungs- und Beobachtungsteams werden, auch "Liaison and Observation Teams" genannt. [….] Auch in die Teilrepublik Srpska soll ein deutsches Team entsandt werden. In jene Unruheregion also, die als eine Art Achillesferse des brüchigen Friedens auf dem Balkan gilt: Hier nämlich betreibt der Anführer der bosnischen Serben, Milorad Dodik, die Abspaltung dieser Region und den Anschluss an das von ihm als "Mutterland" gesehene Serbien. […]
Ohne Hilfe von außen geht es nicht und so schickt die Internationale Gemeinschaft seit vielen Jahren einen „Hohen Kommissar“ in den Balkan-Staat. Üblicherweise ist das ein ehemaliger Minister eines EU-Landes.
[….] Wer Christian Schmidt besuchen will, muss zuerst die Schutzwälle seiner Festung im Zentrum Sarajevos überwinden. Das unscheinbare Bürogebäude ist von hohen weissen Mauern umgeben. Einlass erhält nur, wer dem Wachmann glaubhaft seine Identität bestätigt, seine Tasche durchleuchten lässt und die Prüfung des Metalldetektors besteht. Erst dann wird die Audienz beim Hohen Repräsentanten für Bosnien-Herzegowina gewährt. Die Sicherheitsvorkehrungen kommen nicht von ungefähr. Christian Schmidt ist – theoretisch – ein mächtiger Mann. Als Hoher Repräsentant für Bosnien-Herzegowina ist er im Besitz der sogenannten Bonner Befugnisse: Er kann in Bosnien-Herzegowina Gesetze erlassen, Amtsträger absetzen oder neue Behörden schaffen. Für manche ist der «High Rep» ein Garant für Frieden und Stabilität. Das war auch die Idee des Amtes, als es 1995, am Ende des Bosnienkriegs, mit dem Abkommen von Dayton geschaffen wurde. Andere sehen darin eine vom Westen entsandte, koloniale Aufsicht, die wegen ihrer faktischen Bedeutungslosigkeit überflüssig geworden ist. [….]
Wir ahnen schon; es ist wie immer bei Angela Merkels großen Personalentscheidungen. Sie sind fürchterlich, weil sie die größten Deppen Deutschlands, die auf ihrer Ebene total versagten, nach oben entsorgt. Christian Wulff, Günther Oettinger, Ursula von der Leyen sind solche Beispiele.
Ausgerechnet einen rechtsdrehenden Ex-CSU-Bundesminister der Kategorie Scheuer/Dobrindt/Seehofer nach Bosnien-Herzegowina zu entsorgen, war einer dieser klassischen Merkel-Fehlgriffe.
Der 64-Jährige Mittelfranke war von 2014 bis 2018 Lobby-höriger Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, wurde aber in seinem Zusatzjob als kommissarischer Verkehrsminister (2017) als Glyphosat-Schmidt berühmt, als er entgegen der Linie der Bundesregierung auf Geheiß der Chemie-Lobby, für die Verlängerung der EU-Zulassung der Killer-Chemikalie sorgte.
Als typisches CSU-Gewächs liegt ihm Diplomatie fern. Wir erinnern uns an die Brüll-Attacken und Ausraster, die CSU-General Stephan Mayer im Mai dieses Jahres zu Fall brachten.
Auch der HIGH REP Schmidt gibt öffentlich das Rumpelstilzchen, wenn er intellektuell überfordert ist.
[….] Als er von einer Reporterin gefragt wurde, ob er bereit sei, im Vorfeld der Parlamentswahlen Anfang Oktober Änderungen des Wahlgesetzes qua seiner Vollmachten durchsetzen zu wollen, und was er zu der Kritik sage, an seinen Äußerungen über die fehlende Repräsentanz der bosnischen Kroaten - beides Vorwürfe, mit der Schmidt seit vielen Wochen immer wieder konfrontiert wird - brach es aus ihm heraus:
„Müll! Völliger Müll! Ich stehe hier nicht, ich sorge mich um dieses Land. Dies ist eine Stadt, in der Menschen ihr Leben verloren haben, und wir sind nicht hier, nur um politische Spielchen zu machen. Mir steht es mit diesen Beleidigungen bis hierher"
Und Schmidt weiter: "Tut mir leid, so deutlich zu werden. Mir steht es mit diesen Beleidigungen bis hierher, die völlig falsch sind!" Mit einer Handbewegung über dem Kopf machte er deutlich, bis wohin ihm es stehe. […]
Die Bosnier sind wirklich geschlagen. 25 Jahre Krieg und nun auch noch ein aussortierter CSU-Brüllaffe als Chef.
[….] Der Brüllauftritt des CSU-Politikers Christian Schmidt in Bosnien und Herzegowina zeigt: Das Amt des Hohen Repräsentanten gehört abgeschafft. Die EU sollte den Balkanstaaten dringend Angebote machen. Sonst profitiert Moskau. [….] CSU-Mann Schmidt ist offenbar gewillt, seine Vollmachten auszuschöpfen. Im Juli kündigte er an, das bosnische Wahlgesetz ändern zu wollen. So soll unter anderem eine Dreiprozenthürde eingeführt werden, was wohl vor allem nationalistisch-kroatische Kräfte stärken würde. Bei vielen Bürgerinnen und Bürgern in Bosnien und Herzegowina sorgte der Vorstoß für Empörung. Sie empfinden ihn als eine gefährliche Einmischung in die Angelegenheiten des Landes. Eine Einladung von Abgeordneten, seine Vorschläge im Parlament zu diskutieren, lehnte Schmidt ab. Als er diese Woche bei einer Pressekonferenz mit der Kritik an dem Gesetzentwurf konfrontiert wurde, rastete er aus. Auf einem Video der Veranstaltung ist zu sehen, wie er »rubbish, full rubbish!« brüllt, »Müll, großer Müll!«. [….] Der cholerische Auftritt wirft einmal mehr die Frage auf, ob Schmidt für den Job als Topdiplomat der geeignete Mann ist. Das Problem reicht jedoch weiter. In Wahrheit gehört das Amt des Hohen Repräsentanten abgeschafft. Es ist undemokratisch, neokolonial. Es ist eine Zumutung für die Menschen in Bosnien und Herzegowina. [….] ++Bosnien und Herzegowina und die anderen Länder auf dem Balkan brauchen eine Perspektive. Was sie nicht brauchen, sind aggressive Belehrungen von ehemaligen Bundestagsabgeordneten. [….]
Und Christian Schmidt selbst? Zeigt er vielleicht ein wenig Reue?
Weit gefehlt; er ist schließlich in der CSU. Er findet sich fabelhaft.
[…] Spitzendiplomat Schmidt findet seinen Wutausbruch genau richtig. Auf einer Pressekonferenz in Bosnien-Herzegowina irritierte Christian Schmidt mit einer Brüllattacke. Für seinen Wutausbruch habe er »überwältigenden Zuspruch von Bürgerinnen und Bürgern« bekommen, behauptet er nun. […]
Kann man sich nicht ausdenken.