Ströer setzte 2017 den ehemaligen Spiegel-Online-Chef Florian Harms als T-Online- Chefredakteur ein, der die neue Berliner Zentralredaktion leitet.
Gelegentlich verblüfft T-Online News mit ausführlichen Recherchen zu Themen, in die sich andere Medienhäuser nicht reinknien.
Lars Wienand tauchte tief ein in das düsterbraune Fränkische AfD-Milieu und dabei insbesondere auch die rassistische Burschenschaft Teutonia, der AfD-Politiker Daniel Halemba, 22, MdL, entstammt.
Ich empfehle dringend den T-Online-Artikel vom 20.11.2023, in dem genau nachgezeichnet wird, wie Rassisten und SS-Bewunderer vom äußersten rechten AfD-Flügel die wenigen noch halbwegs demokratischen AfD-Politiker verdrängten und die Wahllisten so manipulierten, daß echte Nazis wie Halemba zum Zug kamen.
Die bayerischen Wähler sehen entweder nicht so genau hin oder es stört sie ohnehin nicht. Am 08.10.2023 wählten sie 14,7% AfD (zusätzlich die den Hitlerphilen 15,8% der Liste Hubsi). Das waren 2.000.435 Stimmen für die AfD (2.163.849 für die FW). Die Halemba-AfD gewann zehn Sitze hinzu, kommt nun insgesamt auf 32 Mandate in Bayern.
T-Online ging dankenswerterweise noch genauer der Frage nach, was das eigentlich für eine Burschenschaft ist, die von Würzburg aus die Strippen der AfD-Bayern zieht.
Dem Artikel entnehme zwei Neologismen aus der AfD-Sprachwelt, in der Anglizismen verboten sind, aber auch zwei neue sympathische deutsche Verben entstanden: „Rumhitlern“ und „abhitlern“.
Sie beschreiben die Lieblingstätigkeit eines bayerischen AfD-Volksvertreters: In einem Keller voller NSDAP- und SS-Devotionalien antisemitische Sprüche skandieren, Nazi-Rockmusik mitgrölen und zu Hitler-Büsten masturbieren.
Und zwei Millionen Bayern wählen solche Leute dann gleich ins Parlament!
[….] Das Teutonenhaus in Würzburg – hier finden sich Gästebucheinträge mit einem "Sieg Heil" und Himmler-Befehl überm Bett des Jung-Abgeordneten Daniel Halemba. Wie lebt es sich in der extrem rechten Burschenschaft? […..] Hier unten gibt es eine Tapetentür, nicht unbedingt eine Geheimtür, aber unauffällig. Sie führt in einen vergleichsweise kleinen Raum. Freundlich könnte man ihn Traditionsraum nennen, weniger freundlich Nazi-Partykeller. Staubig war es hier, Hakenkreuz-Wimpel hingen dort, sagt einer, der dort war, auch ein rassistisches Plakat in der Optik des Dritten Reichs. Ein Tisch steht im Raum, eine eher schäbige Bar und eine Musikanlage, aus deren Boxen schon manches unsägliche Lied dröhnte. "Da kann gepflegt 'rumgehitlert' werden", berichtet der frühere Besucher t-online. "Es dringt wenig nach oben und nach draußen." Von hier könnten Polizisten aber einige der NS-Devotionalien und antisemitischen Schriften weggetragen haben, als sie am 14. September das Haus durchsuchten.
NS-Symbole auf Fotos aus dem Haus waren der Anlass für die Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. "Abhitlern" hat auch schon mehrfach zu Ärger mit den Nachbarn geführt, laut mitgegrölter Rechtsrock ebenso. […..]
Wie diese AfD tickt, ist nur zu offensichtlich. Dort, wo sie am extremsten auftritt und wie in Thüringen von einem Hitler-Fan geführt wird, der Texte aus „Mein Kampf“ in seinen Reden verwendet, hat sie am meisten Erfolg, könnte den nächsten Ministerpräsidenten stellen.
Optimismus kann ich für Deutschland und Europa und die Welt nicht mehr aufbringen. Das Bestcase-Szenario wäre entschlossener Widerstand der Anständigen und Demokraten, um den Untergang noch etwas zu verzögern; sich den Braunen und Social-Media-Trollen noch etwas länger in den Weg zu stellen.
Gewinnen wird aber das Pack und die Welt unweigerlich in Diktaturen, Verwahrlosung, Brutalität, Krieg und Umweltzerstörung führen.
[….] Hinter uns liegt ein kräftezehrendes Jahr und das neue, nicht weniger fordernde, wirft bereits seine Schatten. Der Wahlsieg des rechtsextremen Geert Wilders in den Niederlanden, von Javier Milei, eines antidemokratischen Anarchokapitalisten, in Argentinien und die mögliche Wiederwahl des Archetypen des autoritären Antidemokraten in Form von Donald Trump in den USA geben die Stoßrichtung vor: Antidemokratie und Menschenfeindlichkeit haben Konjunktur und manchmal kommt es mir vor, als wäre Deutschland das letzte Einhorn ohne rechtsextreme Regierungsbeteiligung.
Die Europa- und Kommunalwahlen im Juni ‘24 in Ostdeutschland könnten das ändern. Rechtsextreme Erfolge an der Wahlurne wären ein weiteres Fanal für die Szene und würden die Prognosen für die drei ostdeutschen Landtagswahlen im Herbst wohl eher verbessern. In allen ostdeutschen Bundesländern liegt eine rechtsextreme Partei in den Umfragen an erster Stelle. Ein rechtsextremer Ministerpräsident scheint nicht mehr ausgeschlossen.
Wir haben aber den Eindruck, dass vielen noch nicht bewusst ist, wie entscheidend vor allem die kommunalen Wahlen werden, denn die Auswirkungen für die Demokratie vor Ort sind erheblich. Für uns Demokrat*innen ist es kurz vor 12. […]
(Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, 30.11.2023)
Es gehört wohl zu Reinfranks Job so zu schreiben. Aber ich befürchte, er stellt die Situation viel zu optimistisch dar.