In der Politik läuft vermutlich
viel weniger nach Plan als man denkt.
Ein erfolgreicher
Politiker ist einer, der es schafft nie überrumpelt da zu stehen.
Im Idealfall gelingt es
ihm a posteriori so zu tun, als wären die gegenwärtigen Entscheidungen seit
langer Zeit von ihm so geplant gewesen.
Merkel ist die Großmeisterin
in diesem Geschäft, die eine für sie extrem unglückliche Entwicklung, wie die
Kernschmelzen von Fukushima kurz nachdem sie die Atomkraftwerklaufzeiten in
Deutschland verlängert hatte, einfach umdeutet zu ihrer Energiewende.
Dabei ist es für mich nach
wie vor erstaunlich, daß es Merkel überhaupt nicht schadet immer wieder das
diametrale Gegenteil ihrer bisherigen Pläne als ihre neue Strategie auszugeben.
Seit Thomas Oppermann das Merkelsche Gesetz postulierte, stiegen ihre Popularitätswerte kontinuierlich an und kratzen gegenwärtig an der 80%-Marke.
Sie beläßt es bei vagen Ankündigungen, wolkigem
Gewaber und einigen konkreten Aktionen, die sie für die Zukunft „ausschließe.“
Merkel treibt planlos vor sich hin - durch ihren aberwitzigen ZickZack-
und Hinhaltekurs hat sie die Eurorettungsaktion zigfach verteuert.
Ihr abstruses Spardiktat würgt die Konjunkturen
diverser Nationen ab.
So ein Rezept hätte sie nie für Deutschland
gewollt. Hier reagierte sie 2008/2009 völlig gegenteilig auf die Krise; nämlich
mit gewaltigen Ausgaben-Orgien, zwei dicken Konjunkturpakten und
Geldrauswurfmaßnahmen wie der Abwrackprämie.
Die Chaotisierung der europäischen Finanzarchitektur
durch Wolfgang Schäuble und Angela Merkel folgt einer Grundregel, die
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Oppermann sehr schön auf den Punkt brachte,
nachdem der eben noch endgültig auf maximal 218 Milliarden Euro begrenzte
Haftungsrahmen von Merkel doch auf 280 Milliarden
aufgeblasen wurde.
Wieder einmal, so Oppermann, komme das
"Merkel'sche Gesetz" zur Anwendung: Je vehementer die Kanzlerin etwas
ausschließt, desto sicherer ist, dass es später doch eintritt. Der
Ärger der Genossen erscheint verständlich, denn es ist beileibe nicht das erste
Mal, dass Merkel in der Schuldenkrise eine Position revidiert. Im Gegenteil:
Die meisten Bundesbürger haben angesichts des Hü und Hott längst den Überblick
verloren. Sie registrieren nur noch, dass die Summen, für die sie einstehen
sollen, immer astronomischer werden und dass mittlerweile halb Europa auf ihre
Kosten zu leben scheint. Wut, Frust und Missverständnisse haben ein Maß
erreicht, das geeignet ist, die Demokratie in ihren Grundfesten zu
erschüttern. Die Hauptschuld daran
trägt die Kanzlerin, der es nicht gelingt, mit den Bürgern so zu kommunizieren,
wie es die Schwere der Krise von ihr verlangt. Keine Fernsehansprache, keine
Rede zur Lage der Nation, stattdessen Gemauschel in Hinterzimmern nebst
anschließender Kurskorrektur.
Griechenlandumschuldung, Wehrpflicht, Atomkraft,
Mehrwertsteuer, Gesundheitsreform - wohin man auch blickt; man kann sich stets
darauf verlassen, daß das was die Kanzlerin als absolut alternativlos einnordet
doch nicht kommt, sondern eher das Gegenteil dessen angepeilt wird.
Unglücklicherweise lernt die
SPD nicht aus diesem Vorbild und läßt sich immer noch für einzelne
Entscheidungen von vor zehn Jahren öffentlich massakrieren.
Da die Sozis jetzt mit der
ungeliebten CSU in einem Koalitionsboot sitzen und sich dafür von entsetzten Parteimitgliedern
wie mir rechtfertigen müssen, sollten sie aus Seehofers Sudel-Suada etwas machen.
Da die Sozis jetzt mit der
ungeliebten CDU in einem Koalitionsboot sitzen und sich dafür von entsetzten Parteimitgliedern
wie mir rechtfertigen müssen, sollten sie aus Merkels peinlichem Schweigen zu dem Pofalla-Versorgungsmauscheljob
etwas machen.
Es ist nämlich die
Gelegenheit sich zu profilieren und Deutschland die Regierungsdaseinsberechtigung
der SPD zu demonstrieren: WIR SIND DIEJENIGEN; DIE DEM XENOPHOBEN TREIBEN
EINHALT GEBIETEN!
Das können wir, weil wir
am Kabinettstisch sitzen und Merkel uns braucht.
Hätten wir uns verweigert
und säßen schmollend in der Opposition, hätten CDU und CSU mit ihrer
Ausländerhetzte freie Hand.
Aus einem verzagten Arsch
kommt kein fröhlicher Furz.
(Daß ich einmal Luther
zitiere….)
Statt jetzt peinlich wie
die Kanzlerin in Deckung zu gehen, sollten Nahles und Gabriel sofort
Pressekonferenzen einberufen und sich mit äußerster Schärfe gegen die
Bahnpersonalie Pofalla und den xenophoben CSU-Kurs stellen.
Sie sollten sich an die
Spitze der Bewegung setzt und mit den Muskeln spielen.
Denn die Empörung ist ja
längst da – sogar in der CDU und in der Bahn-AG ist man wütend auf Merkel und
Pofalla.
Aber statt diese Energie
für sich zu nutzen und den Protesten eine Stimme zu geben, sind die
Sozen-Minister alle gerade mit Eierschaukeln und Versteckspielen beschäftigt.
Wie erbärmlich.
Unerwarteter Gegenwind für
Ex-Kanzleramtschef Pofalla:
[….] Im
Aufsichtsrat der Bahn formiert sich offenbar Widerstand gegen die geplante
Berufung des ehemaligen Kanzleramtschefs Ronald Pofalla in den Vorstand des
staatseigenen Unternehmens. Nach Informationen des SPIEGEL wollen Teile des
Aufsichtsrats verhindern, dass die Führungsspitze weiter aufgebläht wird.
"Unser Ziel ist es eigentlich seit
längerem, die Zahl der Vorstände zu reduzieren", sagte ein
Aufsichtsratsmitglied. "Deshalb wird das Upgrade für Pofalla mit
Sicherheit nicht einfach durchgewinkt." Offenbar hat Pofalla seinen
Wechsel in den Bahnvorstand schon seit längerem geplant. Nach Aussage eines
Bahn-Insiders wird in dem Unternehmen bereits seit mehr als einem halben Jahr
darüber gesprochen, einen Vorstandsposten für Regierungskontakte zu schaffen.
Dabei sei von Anfang an der Name Pofalla im Spiel gewesen. [….] Auch in
der eigenen Partei stößt der Karriereschritt des Christdemokraten auf
Vorbehalte. Der baden-württembergische CDU-Fraktionschef Peter Hauk riet
Pofalla, sein Bundestagsmandat niederzulegen. Da es sich bei der Bahn um ein
Unternehmen in Staatsbesitz handele, müsse "eine Interessenkollision auch
dem Anschein nach vermieden werden", sagte Hauk der "Welt". [….]
In der Causa „Seehofer
goes NPD“ wäre es sogar noch viel angebrachter, wenn die SPD das peinliche
Schweigen der Kanzlerin aufgriffe und sich mit Macht gegen den braunen Bayern
stellte.
Denn alle sachlichen
Argumente sprechen gegen den CSU-Kurs. Seehofer lügt schlicht und ergreifend.
Er will rechtslastige
fremdenfeindliche Stimmungen im Volk nutzen und anheizen.
Immer die aktuelle Situation zur
Entscheidungsbasis machen, das hat Seehofer zu seinem politischen Leitmotiv
erhoben. Und die Lage ist: Viele Deutsche haben Angst vor der Zuwanderung.
Meinungsforscher, deren Arbeit Seehofer nicht selten zur Grundlage seiner
Entscheidungen macht, geben ihm jedenfalls recht - wenn auch nur teilweise.
So äußerten 49 Prozent der Teilnehmer
einer Stern-Umfrage im Mai 2013 Vorbehalte gegen die wachsende Zuwanderung, vor
allem aus EU-Krisenstaaten. Eine Umfrage des German Marshall Fund im September
2013 ergab: 72 Prozent haben Vorbehalte gegen illegale Einwanderer.
Zugleich hielten aber knapp 75 Prozent
ausländische Zuwanderer für wichtig, weil sie fehlende Arbeitskräfte
kompensierten. Und genauso viele meinten, Immigranten bereicherten die deutsche
Kultur. Ähnlich klingt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2012:
Demnach ist eine deutliche Mehrheit einerseits der Ansicht, Zuwanderer seien
erwünscht. Ihnen müsse mit mehr Toleranz und Offenheit begegnet werden. Andererseits
sagten 64 Prozent der Befragten, Zuwanderung führe zu zusätzlichen Belastungen
der Sozialsysteme. Bei Befragten über 60 Jahre lag dieser Wert sogar bei 72
Prozent.
Für Seehofer heißt das: Die CSU macht
die diffuse Angst zu ihrem wichtigsten Anliegen.
Die Fakten sprechen aber
eine klare andere Sprache. Daß die SPD damit nicht längst in die Offensive
gegangen ist, halte ich für einen unverzeihlichen moralischen, aber auch politisch-taktischen
Fehler.
[….]
Kurz
vor Weihnachten fasste das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
(IAB), das der Bundesagentur für Arbeit untersteht, Erkenntnisse über die
bereits gut 360.000 in Deutschland lebenden Rumänen und Bulgaren zusammen. Das
Fazit: Deutschland profitiert von der Zuwanderung durch Rumänen und Bulgaren -
und zwar erheblich.
[….] Insgesamt waren laut IAB zur
Jahresmitte nur 7,4 Prozent der in Deutschland lebenden Rumänen und Bulgaren
ohne Arbeit - damit liegen die Zuwanderer sogar etwas unter dem Durchschnitt
der Bevölkerung.
Die eingewanderten Rumänen und Bulgaren
sind meist jung, gut die Hälfte hat einen Berufs- oder Hochschulabschluss. Sie
beziehen nur halb so häufig Kindergeld wie andere Ausländer. Sie bekommen
selten Arbeitslosengeld oder Rente, zahlen aber viel in die Renten- und
Sozialkassen ein. Unterm Strich bleibe "ein positiver Nettobeitrag der in
Deutschland lebenden Migranten", stellten die IAB-Forscher schon im Sommer
fest.
Dieser Beitrag werde steigen, wenn 2014
weitere 100.000 bis 180.000 Rumänen und Bulgaren nach Deutschland kämen. Auch
dank der Polen, Rumänen und Bulgaren seien 2012 "zum ersten Mal seit 15
Jahren" wieder genug Einwanderer nach Deutschland gekommen, um die
Alterung der Deutschen aufzufangen, so der Sachverständigenrat für Integration
und Migration. [….]
Daß nicht die gesamten
SPD-Spitze geschlossen wie ein Mann gegen Seehofer steht und der Bevölkerung
die genannten Zahlen präsentiert ist unentschuldbar.
Die CSU lügt und gerade,
wenn man mit der Partei zusammen in der Regierung sitzt, muss man das deutlich
und laut sagen!
Fakt und Vorurteil
Die CSU warnt vor „Armutseinwanderern“,
die das deutsche Sozialsystem belasten. Doch das Gegenteil ist richtig. Rumänen
und Bulgaren, die hierzulande arbeiten, bringen dem Staat mehr Geld.
Glaubt man der CSU, hat am 1.Januar 2014
der Untergang des deutschen Sozialstaats begonnen: Seit Mittwoch können Rumänen
und Bulgaren unbeschränkt in Deutschland Arbeit suchen. Die Partei eröffnet den
Europawahlkampf mit Parolen wie „Wer betrügt, der fliegt“. Die CSU warnt vor
„Armutseinwanderern“, die nur kommen, um staatliche Leistungen abzugreifen. […]
Auf welche Sozialleistungen haben sie
Anspruch?
Deutschland ist in den ersten drei
Monaten grundsätzlich nicht verpflichtet, arbeitsuchenden EU-Bürgern
Sozialhilfe zu gewähren, danach setzen europäisches und deutsches Recht Hürden
für Neuankömmlinge, deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Ohnehin kam das
IAB in einer Untersuchung zu dem Ergebnis, Zahlen zu Beschäftigung und
Transferzahlungen ließen nicht auf pauschale „Armutszuwanderung“ schließen. [….]
Ist der Sozialstaat in Gefahr?
Nein. Arbeitende Einwanderer bringen im
Schnitt dem Staat Geld ein, weil sie Abgaben zahlen. Die Bertelsmann-Stiftung
hat die Zusatzeinnahmen für die deutsche Sozialversicherung gerade auf 14000
Euro pro Einwanderer beziffert. Aus Rumänien und Bulgarien kommen laut
Bundesregierung 0,6 Prozent aller Leistungsempfänger nach dem Sozialgesetzbuch
II. Das IAB widerspricht explizit dem Vorurteil, „dass kinderreiche Familien
aus Bulgarien und Rumänien in großem Umfang Kindergeld beziehen“. Der Anteil
der Bezugsberechtigten liege gar unter dem der Gesamtbevölkerung. [….]