Frieden
schließt man nicht mit Freunden.
Mit
befreundeten Menschen zu sprechen, mit ihnen Friede-Freude-Eierkuchen-Bilder zu
produzieren, die dann wie eine Leistungsshow der Jacketkronen-Hersteller wirken,
kommt beim Wahlvolk gut an.
Wähler
lieben Harmonie und Gleichklang.
Aber
Wähler sind eben auch doof.
Sehr
viel interessanter und wichtiger ist es natürlich dahin zu gehen wo es weh tut.
Da wo man nicht auf Zustimmung trifft, gegensätzliche Positionen vertritt und
Vorurteile abbaut.
Große
Politiker tun das.
Ich
erinnere an die Grüne Antje Vollmer, die sich schon vor 30 Jahren in die Höhle
des Löwen wagte, um mit Erika Steinbachs rechts-revanchistischen
Nazi-Schönrednern ins Gespräch zu kommen.
Grüne,
Linke und Sozis meiden das braune Vertriebenen-Gesochs üblicherweise wie die
Pest. Stattdessen werden dort konservative CSU‘ler abgefeiert, die sich ohne
eine politische Leistung zu erbringen dann mit absoluten Mehrheiten gesegnet
sehen. Kuschen und Feigheit belohnt der Urnenpöbel; politischen Mut à la Vollmer
nicht.
All die Loblieder auf
die Vertriebenen, all die Gesänge von der Verständigung, all das Gesäusel von
der ausgestreckten Hand - verpufft, vergessen in diesem einen Moment, da der
46. Sudetendeutsche Tag an seinem Wendepunkt steht.
Wie immer werden dem
Publikum der Hauptkundgebung an diesem Wochenende zunächst die Ehrengäste vorgestellt,
eine lange Prozedur. So betet der Mann am Mikrophon ein kleines christsoziales
Who's who? herunter, bevor er in aller Unschuld zum entscheidenden Satz anhebt:
"Und wir begrüßen die Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Dr. Antje
Vollmer und Hans Klein."
Mitten im Satz bricht
Protestgeheul los. Nicht nur ein paar Pfiffe gegen die Grüne Antje Vollmer,
nein, ein wütendes Gebrüll; nicht von ein paar Krakeelern, sondern von einer
unüberschaubaren Menge, von Zehntausenden; nicht von jung-lauten Protestierern,
sondern von braven Rentnern, die sich am Morgen mühsam die langen Treppen der
U-Bahn-Schächte neben den Münchner Messehallen heraufgequält hatten. So stehen
sie nun da, recken die Fäuste gen Himmel und brüllen, was die Lungen hergeben,
minutenlang. Ein paar Betagte, puterroten Kopfes, schreien: "Hängt sie
auf!" - "Stellt sie an die Wand!"
Auch Gerd
Schröder war einer, der den Mut hatte ausgetretene Pfade zu verlassen und sich
die Höhle des Löwen zu wagen.
Anders
als es heute oft dargestellt wird, betrieb Schröder schon zu Beginn seiner
Kanzlerschaft ein strammes Reformprogramm und beendete das fröhliche Prassen
und Schuldenmachen der Regierung Kohl-Merkel.
Er bekam
heftigen Gegenwind, ließ sich aber ganz im Gegensatz zu seiner unablässig
umfallenden Nachfolgerin nicht umpusten.
Im
Gegenteil; er vertrat seine Positionen sogar auf dem erzkonservativen Bauerntag, der üblicherweise für Sozialdemokraten ähnlich verlockend wie ein
Bad in siedender Gülle ist.
Leise grummelte er
unterdessen vor sich hin: "Ich kann''s nicht mehr hören, dieses Geschimpfe."
Dann bahnte sich
Gerhard Schröder zwischen Transparenten und pfeifenden Landwirten hindurch den
Weg ans Rednerpult. Der Ring der Sicherheitskräfte schloß sich um ihn,
Regenschirme standen bereit, um den Regierungschef vor tieffliegenden
Agrarprodukten zu schützen.
Das war auch nötig.
Denn was ein Grußwort für den Deutschen Bauerntag in Cottbus werden sollte,
geriet zu einer imposanten Schweiß-und-Tränen-Fanfare - und erboste die 3000
Landwirte zutiefst.
Nach drei Minuten
wischte Schröder sein Redemanuskript fort und brüllte gegen die tutende Menge
an, die wegen der geplanten Einschnitte bei der Altersversorgung, wegen höherer
Versicherungsprämien und Dieselpreise tobte - und sich überhaupt wegen künftig
sinkender EU-Subventionen schlecht behandelt fühlt.
Doch der Kanzler ließ
sich von den erzürnten Bauern nicht schrecken. "Ich bin nicht gekommen, um
eine einzige der Maßnahmen zurückzunehmen", verkündete er.
Die Halle wütete, doch
Schröder verließ die Bühne in Jubelpose. Er hat die Tonlage für die Sommerpause
angegeben. Die Botschaft: Wer versucht, Brocken aus dem Sparpaket von
Finanzminister Hans Eichel zu brechen, der wird scheitern.
Vollmer
und Schröder sind so gesehen auch GROßE Politiker, weil sie wie Sadat, Rabin
und Gorbatschow nicht stromlinienförmig-amöbig durch die politische Landschaft
mäanderten, sondern große Schritte dahin unternahmen, wo es wehtut.
Meister
dieses Fachs sind aber auch Hans-Jürgen Wischnewski und Egon Bahr, die in
tatsächlich feindlicher Umgebung agierten und Überzeugungsarbeit leisteten.
Für so
eine Rückgrat-Politik braucht es charismatische Persönlichkeiten, die
einerseits eine führende Rolle übernehmen können und andere mitreißen,
andererseits aber auch ein tiefes Gespür für den Gegner haben und diesen nicht
verprellen. Mediokren Polit-Flaschen wie John Major, José María Aznar oder Angela
Merkel kann eben nie etwas Bahnbrechendes gelingen, wie die von Nelson Mandela
oder Zoran Đinđić oder Jitzchak Rabin eingeleiteten Friedensprozesse.
Kurzsichtige
und risikolose Politik à la Merkel erspart dafür in der Regel einige Gefahr für
Leib und Leben.
42 mal wurde ein Attentat auf Hitler versucht
- keins klappte.
Attentate treffen ja ohnehin immer die Falschen - erstaunlich oft sind es doch eher „die Guten“, die fanatische Hasser wegballern, wohingegen die schlimmsten Diktatoren oft Jahrzehnte hindurch ungehindert ihr Unheil anrichten können.
Was wäre denn gewesen, wenn es 1968 nicht Bobby Kennedy erwischt hätte und dieser statt Nixon Präsident geworden wäre?
Wie könnte es zwischen Israelis und Palästinensern stehen, wenn nicht ein rechtsextremer Widerling am 4.11.1995 Jitzchak Rabin erschossen hätte und dementsprechend auch Sharon nicht provozierend auf den Tempelberg (2000) gestapft wäre?
Man möchte noch 13 Jahre später in Tränen ausbrechen. Ja, es erwischt eher die Hoffnungsträger und die Lücken sind nicht zu füllen - was uns der "liebe Gott" wohl damit sagen will???
Attentate treffen ja ohnehin immer die Falschen - erstaunlich oft sind es doch eher „die Guten“, die fanatische Hasser wegballern, wohingegen die schlimmsten Diktatoren oft Jahrzehnte hindurch ungehindert ihr Unheil anrichten können.
Was wäre denn gewesen, wenn es 1968 nicht Bobby Kennedy erwischt hätte und dieser statt Nixon Präsident geworden wäre?
Wie könnte es zwischen Israelis und Palästinensern stehen, wenn nicht ein rechtsextremer Widerling am 4.11.1995 Jitzchak Rabin erschossen hätte und dementsprechend auch Sharon nicht provozierend auf den Tempelberg (2000) gestapft wäre?
Man möchte noch 13 Jahre später in Tränen ausbrechen. Ja, es erwischt eher die Hoffnungsträger und die Lücken sind nicht zu füllen - was uns der "liebe Gott" wohl damit sagen will???
Zoran
Đinđić am 12.03.2003, die potentielle EU-Kommissionspräsidentin Ylva Anna Maria
Lindh am 11.September 2003, Sven Olof Joachim Palme am 28.02.1986, Muhammad
Anwar as-Sadat am 06.10.1981, Indira Gandhi 31.10.84, Muhammad Baqir al-Hakim
am 29.08.2003 oder auch Benazir Bhutto am 27.12.07.
Charismatische,
große Politiker sind auch in der Lage in persönlichen Gesprächen viel zu erreichen.
Ich
denke da an das legendäre Zusammentreffen des Ehepaars Schmidt mit Leonid
Breschnew, das mitten im kalten Krieg und großer Angst vor den sowjetischen
Atomraketen ganz wesentlich zur Entspannung beitrug.
Als Staatsmann wusste
Schmidt: In privater Umgebung mit Bücherwand, Heimorgel und Hausbar taut so
mancher Gesprächspartner auf. Der Mensch Schmidt zeigte aber auch mit Stolz
seine bescheidenen Wohnverhältnisse. Leonid Breschnew wunderte sich bei seinem
Besuch 1978, dass es keine Mauern vor dem Anwesen der Schmidts gab, wie er es
aus den Privilegierten-Siedlungen in Moskau kannte. "Als wir ihm
klargemacht hatten, dass hier kleine Angestellte wohnen und das eine
Genossenschaftssiedlung ist, hat er sich ausgeschüttet vor Lachen",
erinnert sich Loki Schmidt.
(HHAbla
22.12.2008)
Helmut
Schmidt ist mit Sicherheit auch einer dieser Charismatiker, der anderen zuhören
und sie überzeugen konnte.
Darüber
ist der frömmelnde Weltpolitik-Zwerg Jimmy Carter übrigens immer noch wütend.
Er konnte dem scharfen Intellekt Schmidts nichts entgegensetzen und mußte sich
immer wieder gegen seinen Willen in von Schmidt geplante Beschlüsse einfügen.
Heute
wissen wir auch was Hellmut Schmidt von Carter hielt: Wenig bis nichts.
Carter
verstand die Zusammenhänge nicht und war vor allem aber nicht verlässlich. Auf
inneramerikanischen Druck kippte er immer mal wieder international getroffene
Absprachen.
Gerhard
Schröder hat offensichtlich im persönlichen Umgang ähnliches Geschick. Es ist
vielfach beschrieben, wie er in kleineren Runden auch politikferne
Intellektuelle und insbesondere Künstler durch seine Bildung und enorme
Auffassungsgabe beeindruckt.
Das diametrale
Gegenteil ist auch hier Angela Merkel, die intellektuell und musisch nie über
Volkschulniveau hinauskam. Sie verblüfft in privaten Treffen ebenso mit ihren
ungepflegten Fingernägeln, wie mit frappierendem Desinteresse.
Christoph
Schlingensief über seinen Abend im Kanzleramt:
Das war erschreckend.
Da sitzen ihr [Merkel
- Red] Henning Mankell und Tilda Swinton
beim Kaffeetrinken gegenüber, und sie stellt keine Fragen. Da wird nur gefragt,
ob man noch ein Stückchen Kuchen möchte. Im Büro zeigte sie uns so eine
potthässliche Marmorplatte mit Kamelen an der Tränke, die ihr irgendein
Ölscheich geschenkt hatte. Das mussten wir uns alle angucken. Und als ich mal
auf das Adenauer-Porträt von Kokoschka zuging, was wirklich ein schönes Bild
ist, dann sagte sie nur: “Ja, aber machen Sie es nicht kaputt, Herr
Schlingensief, ha, ha, ha.” Mankell, Tilda und Wayne Wang haben hinterher
unabhängig voneinander gefragt: “Ist die immer so?”
Es
spricht Bände, daß Merkel trotz ihrer gewaltigen Erfahrung mit Gipfeln noch nie
irgendein Durchbruch gelungen ist.
Sie
erzielt stets nur Scheinergebnisse mit allerkleinster Münze.
Niemand
wird verletzt, niemand wird etwas abverlangt, niemand nützt es was.
Merkel
ist wenigstens so klug, daß sie auch gar nichts anderes will – außer hohlen
Scheinlösungen, die in Wahrheit nichts bedeuten.
Wesentlich
dümmer ist da Alexander Dobrindt, der in völliger Verkennung seines eigenen Intellekts
tatsächlich dachte er könne im persönlichen Gespräch den mächtigen EU-Kommissar
Siim Kallas von seinem Maut-Konzept überzeugen.
An sich
ist das legitim. Ein Helmut Schmidt könnte mit einem sinnvollen Konzept auch die
Meinung eines bockigen EU-Oberen ändern.
Dorbindt
ist aber erstens doof und hat zweitens ein doofes Konzept – so klappt es auch
nicht im Vieraugengespräch.
Wenn es überhaupt je
eine Hoffnung gab, dass ein Wandertrip mit dem Brüsseler Verkehrskommissar die
Dobrindtsche Maut würde retten können, dann ist auch die jetzt hin. Diesen
Freitag und Samstag hatte sich Alexander Dobrindt (CSU) mit Siim Kallas im
Schloss Elmau einquartiert, vor Alpenpanorama wollte der Bundesverkehrsminister
dem widerspenstigen Kommissar seine Mautpläne erläutern. […]
Zu Beginn der Woche
melden sich die CDU-Chefs aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, Armin
Laschet und Thomas Strobl, sie lehnen eine Maut in grenznahen Gebieten ab - aus
Sorge um Tourismus, Einzelhandel und Handwerk an den Grenzen. Es ist ein
Problem, das Dobrindt bis dahin immer abgetan hat. […] Sigmar Gabriel hat dafür diese Woche seine ganz eigene Offensive
gestartet. Eine Kommission aus Bankern, Versicherern und Wissenschaftlern soll
nach Wegen suchen, wie sich mehr privates Kapital für die Verkehrsinfrastruktur
einsammeln lässt. Dobrindt, dessen Haus seit Langem an solchen Konzepten
bastelt, wusste von dem neuen Zirkel nichts.