Samstag, 20. November 2021

Avifauna im Notwehrmodus

Die destruktivste Tierart aller Zeiten, der Homo Sapiens, leistet ganze Arbeit dabei, als Teil der Fauna den Rest der Fauna, aber natürlich auch die Flora auszurotten.

In den letzten Jahren starben so unterschiedliche Tierarten wie der der prächtige Giftfrosch, der Baiji-Delfin, die Pinta-Riesenschildkröte, das Westliche Spitzmaulnashorn, der Delacour-Zwergtaucher, der Pyrenäen-Steinbock oder der asiatische Gepard aus.

 [….] Das Artensterben sei neben der Klimakrise die größte Bedrohung weltweit, erklärte der WWF Deutschland. Eine Million Arten könnte demnach in den nächsten Jahrzehnten aussterben. Der WWF warnt vor dem größten Artensterben seit dem Ende der Dinosaurier-Zeit. Das Artensterben sei neben der Klimakrise die größte Bedrohung weltweit, erklärte der WWF Deutschland am Montag zum Tag des Artenschutzes am 3. März. Rund eine Million Arten könnten in den nächsten Jahrzehnten aussterben. Das zeigten auch die Zahlen der sogenannten Roten Liste: Von mehr als 112.000 untersuchten Arten würden mehr als 30.000 als gefährdet geführt. Nach Angaben des Naturschutzbundes (Nabu) verschwinden pro Tag etwa 150 Arten für immer vom Planeten. Das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten schreite fast 1.000 mal schneller voran als die Entstehung neuer Arten, sagte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger.  [….]

(FAZ, 02.03.2021)

Warnungen vom WWF und anderen Schutzorganisationen verhallen weitgehend ungehört. Nur weil Homo Demens jeden Tag 150 Arten ausrottet, ändert er doch nicht sein Konsumverhalten, verzichtet auf einen SUV oder seinen Mallorca-Trip. Die ganze Idiotie des Menschen zeigt sich darin, daß er einerseits aus Geiz und Gier entsetzliches Elend über Abermillionen Tiere der Lebensmittelindustrie bringt, weil er ständig billigstes Fleisch fressen will und nicht bereit ist auch nur wenige Cents mehr zu zahlen, um beispielsweise zu verhindern, daß 50 Millionen Küken in Deutschland jedes Jahr lebend geschreddert werden.

Andererseits betreibt er aber einen aberwitzigen Aufwand, wenn ein einzelnes Kätzchen sich auf einen Baum verirrt und gibt über fünf Milliarden Euro jährlich allein für Hunde- und Katzenfutter aus.

Ich behaupte, ein Vegetarier, der sich kein Haustier hält und die durchschnittlichen Futterausgaben von rund 40 Euro jährlich, einer Artenschutzorganisation spendet, die beispielsweise Regenwaldflächen aufkauft, um sie vor der Rodung zu bewahren, ist ein viel größerer Tierfreund als der Hundehalter.

Für 99,9% der Tier- und Pflanzenarten, die wegen uns Menschen jedes Jahr aussterben, interessieren wir uns nicht die Bohne. Einige wenige haben aber das Glück in der eindimensional menschlichen Perspektive als besonders schützenswert erachtet zu werden. Das betrifft zum Beispiel die noch in den 1980er und 1990ern im großen Stil todgeknüppelten weißen Robbenbabys, weil sie mit ihren schwarzen Knopfaugen und dem runden Gesicht perfekt unser Kindchenschema erfüllen.

In unseren Augen häßliche Tiere sind uns egal.

(….) Als in den 1980er Jahren weltweit die Empörung über das Totprügeln (das Fell sollte keine Einschusslöcher haben) von Robbenbabys hochkochte, konnte diese Form der Robbenjagd deswegen gestoppt werden, weil die niedlichen runden Babys mit dem weißen Fell und den Knopfaugen über das perfekte Kindchenschema verfügten. Vorher-Nachher-Bilder mit den blutigen abgezogenen Robbenkörpern waren ein so krasser Gegensatz, daß kaum ein Auge trocken blieb.

Gleichzeitig wurden viel mehr Haie brutal abschlachtet – 100 Millionen Exemplaren jährlich werden bei lebendigen Leib die Flossen abgeschnitten, um sie dann immer noch lebendig zum elenden Verrecken zurück in den Ozean zu werfen. Haifleisch schmeckt nicht besonders gut. Im Gegensatz zu Robben verfügen sie auch nicht über kuscheliges Fell. Haie haben ein Mundwinkelproblem. Die Mundwinkel sind nach unten gerichtet, so daß sie für den Homo Sapiens grimmig aussehen, während Delphine mit ihren nach oben gebogenen Mundwinkeln immer zu lächeln scheinen und uns gleich sympathisch sind.

Dabei sind Delphine als Warmblüter gefährlichere Jäger als Haie, sie verbrauchen wesentlich mehr Nahrung pro Kg Eigengewicht. Thunfische, höchst beeindruckende Jäger haben sogar eine noch viel schlechtere PR-Abteilung. Niemand stört es, wenn sie in riesigen Netzen umkommen, obwohl sie in vielen Meeren bereits vom Aussterben bedroht sind. Aber wehe, es befindet sich ein Delphin als „Beifang“ unter ihnen. Da drehen die Tierschützer durch. (….)

(Viecher und Ideologie, 04.01.2017)

Glück im Unglück haben auch sehr große Greifvögel, weil sie in der Mythologie fast aller Kulturen eine große Rolle spielen. Sie werden als majestätisch empfunden und daher von jedem dritten Staat als Wappenvogel verwendet. Wir rotten sie natürlich trotzdem durch die Zerstörung ihres Lebensraums oder die Vergiftung ihrer Nahrung aus, aber kurz bevor es sie gar nicht mehr gibt, tut es uns ganz furchtbar Leid. Dann lassen wir uns Arterhaltungsprogramme einiges kosten.

Andenkondor (Vultur gryphus) und Kalifornischer Kondor (Gymnogyps californianus) sind die beiden größten Vogelarten der beiden Amerikas und werden von den Einwohnern sehr verehrt.

Der kalifornische Kondor hat eine Flügelspannweite bis zu drei Metern, wiegt bis zu 14 Kilo; der nicht verwandte Andenkondor ist sogar noch etwas schwerer. Einst in ganz Südamerika verehrt, mussten nur die Christen in Form der Conquistadores kommen, die ihn intensiv bejagten und nah an die Ausrottung brachten.

In den USA war es vor allem die durch DDT und Blei vergiftete Nahrung, die den schwarzen Riesenvogel um ein Haar von der Erde tilgte. In den 1980ern und 1990ern gab es keine frei fliegenden Exemplare mehr.

[….] Though no definitive causes of the condors’ decline during the early 1900s have been established, it was likely the result of high mortality rates due to direct persecution, collection of specimens, and secondary poisoning from varmint control efforts and 1,1,1-trichloro-2,2-bis(p-chloro-phenylethane (DDT) (Snyder and Snyder 2005, D’Elia 2013).  Lead poisoning may have been a contributing factor, but was not recognized as such until after 1980.  Speculation that human nest disturbance and food scarcity were factors in the decline has been largely discounted (Snyder and Snyder 2005).  Active conservation efforts began in the 1930s, largely focused on habitat preservation.  Despite these efforts, the wild population of the California condor continued to decline.  A captive breeding program began in 1982 using eggs and chicks removed from the wild and a single captured adult condor, leaving an estimated 21 individuals in the wild.  No additional juvenile or adult condors were captured until 1986.  In the winter of 1984–1985, a population crash claimed six condors (40 percent of the wild population at that time), leaving only a single breeding pair in the wild (Snyder and Snyder 2000).  During 1986 and early 1987, after much controversy, all nine remaining adult and juvenile wild birds were captured in order to ensure their safety and preserve the species’ genetic diversity.  Along with the 13 wild eggs and four chicks from wild nests captured previously, plus Topa Topa (a California condor removed from the wild as a fledgling in 1967), a captive breeding stock consisting of 27 birds became the nucleus of the captive breeding program. California condors were absent from the wild until 1992 when the first eight captive-reared birds were released in southern California.  The reintroduction of birds continued in Arizona in 1996, central coastal California in 1997, northern Baja California, Mexico, in 2002, and Pinnacles National Monument, California, in 2003.  At the end of December 2012, there were 404 condors in the world; 235 of these were free-flying wild birds distributed among the five release sites.  The remaining 169 birds are used for captive breeding, inappropriate for release, or undergoing medical treatment. [….]

(U.S. Fish and Wildlife Service Pacific Southwest Region, June 2013)

Heute leben ganze 518 Tiere, davon 337 frei. Sie werden aufwändig überwacht und geschützt. Aus Federn, Kot und Eierschalen nehmen die Orinthologen Proben, um ein Genprofil jedes Individuums zu erhalten.

Dabei stellten sie Erstaunliches fest. Zur Not kann Frau Kondorin auch ohne Herrn Kondor einen kleinen Kondor bekommen.

[….] Er gilt als der teuerste Vogel der Welt: Dutzende Millionen Dollar haben die südwestlichen US-Bundesstaaten seit den 1980er-Jahren ausgegeben, um den Kalifornischen Kondor zu retten. [….] Am Himmel über Kalifornien und einigen Nachbarstaaten kreisen 30 Jahre nach ihrer Fast-Ausrottung wieder rund 500 Kondore aus einem Nachzuchtprogramm. Das teure und ausgeklügelte Unternehmen hat aber nicht nur eine seit Jahrtausenden auch von indigenen Völkern verehrte Vogelart zurück an den Himmel über Kalifornien gebracht: Es sorgt derzeit auch unter Wissenschaftlern für Furore. Denn die im Rahmen des Nachzuchtprogramms seit fast 35 Jahren laufenden genetischen Analysen praktisch aller in diesem Zeitraum lebenden Kondore verhalfen den Geierschützern der San Diego Zoo Wildlife Alliance zu einer Entdeckung, die nicht nur ihnen eine "Gänsehaut über den Körper" laufen ließ, wie sich Oliver Ryder erinnert. Der Leiter des auch in den USA noch recht jungen Bereichs der Naturschutzgenetik am Zoo von San Diego und seine Kollegen entdeckten, dass gleich zwei der Kondor-Küken aus dem Nachzuchtprogramm biologisch vaterlos zur Welt gekommen sind - per Parthenogenese oder "Jungferngeburt".[….]  Bei den Analysen der Proben zweier Küken zeigten sich aber sehr ungewöhnliche Ergebnisse, wie Ryder berichtet. "Keines der beiden Küken wies irgendeinen genetischen Beitrag eines männlichen Vogels auf, sie waren biologisch vaterlos", erzählt er. Das Erbgut beider Vögel, die in unterschiedlichen Jahren von verschiedenen Müttern gezeugt worden waren, war homozygot, also genetisch uniform, beide besaßen männliche Geschlechtschromosomen, aber alle Marker wurden nur von ihren Müttern vererbt. Der Gänsehaut-Moment kam, als Ryder diese Details zusammenzählte, die nur einen Schluss zuließen: "Sie waren eindeutig Parthenoten." Als Parthenoten werden Nachkommen bezeichnet, die natürlicherweise aus einer eingeschlechtlichen Fortpflanzung entstehen, bei der sich ein Embryo, der nicht von einem Spermium befruchtet wurde, weiterentwickelt und nur das genetische Material der Mutter enthält. [….] Noch spannender ist die Tatsache, dass die Mütter beider Vögel langjährige Partnerschaften mit Kondormännchen in ihren Zuchtkäfigen unterhielten und auf diese Weise auch zahlreiche Nachkommen auf sexuelle Weise zeugten. [….] Auch wenn die Kondorweibchen in San Diego nicht unbedingt auf die eingeschlechtliche Fortpflanzung angewiesen waren, so gehören sie doch zu den seltensten Vögeln der Erde. Wirkt hier vielleicht schon eine evolutionäre Überlebensstrategie? [….]

(Thomas Krumenacker, 17.11.2021)

Daß diese Parthenoten existieren und selbst keineswegs unfruchtbar sind, überrascht uns so sehr, weil noch nie eine ganze Art genetisch derart untersucht wurde.
Menschen sind offensichtlich immer noch zu primitiv, um nicht immer von sich auf andere zu schließen.

Wer weiß, wie viele Tierdamen es noch gibt, die im Zweifelsfall auch ohne den nervigen Gatten Kinder bekommen?