Dienstag, 17. Januar 2017

So ist Deutschland.



Die folgende Geschichte ist langweilig, unspektakulär und alltäglich. Das kennt jeder.
Leider muß ich mir das aus selbsttherapeutischen Gründen doch einmal von der Seele schreiben.

Es trug sich an einem kalten, feuchten Oktobertag zu, Tammox benötigte für eine neue Wohnung im ehemaligen Arbeiterstadtteil Barmbek, der zwar immer noch leicht schmuddelig, aber doch zentral gelegen und somit gentrifiziert-aufstrebend erwacht, für eine neue Wohnung etwas so Exotisches wie einen Internetanschluss.

Internet kennt Ihr nicht?
Macht nichts, erklär‘ ich Euch:

Das ist dieses Zeug, das junge Leute benutzen, um wie durch Zauberhand miteinander Schmuddelbilder und Katzenvideos auszutauschen. In Deutschland ist das freilich noch Neuland, aber als viertgrößte Industrienation der Erde soll man sich auch nicht immer allen modernen Erfindungen verweigern. Daher wollte ich Dinosaurier auch mal sowas haben.
Es geht um eine Wohnung in einem 1970 erbauten fünfstöckigen Mietshaus in einer lückenlos bebauten Straße.
Menschen dicht an dicht. Gut möglich also, daß ich gar nicht der erste bin, der dieses www-Zeug auch mal ausprobieren will.
Aber ich gebe zu, dieses Anliegen ist technisch anspruchsvoll.
An wen wendet man sich, wenn man einen ganz neuen Vertrag abschließen will?
Sich im Bekanntenkreis nach Erfahrungen umhören ist wegen des Paketdienste-Prinzips leider zum Scheitern verurteilt: Jeder hat schlechte Erfahrungen gemacht und jeder verflucht den Dienst, über den er sich zuletzt grün und blau ärgerte.

So ging ich dann letztlich auch vor. Nach dem Ausschlussprinzip.
Telekom und O2 kamen nicht in Frage, weil mich beide mit ihrem ungenügenden Service und der schlechten Qualität zur Weißglut gebracht hatten.
Mir gefiel die Idee einen kleinen, regionalen Anbieter zu nehmen, der auch Steuern zahlt und die Gewinne nicht an der Börse verzockt.
So fiel meine Wahl zunächst auf „Wilhelm Tel“, welches der kleinen Schleswig Holsteinischen Stadt Norderstedt gehört und mit einem Jahresumsätzchen von 50 Millionen Euro von den Titanen der Branche gar nicht wahrgenommen wird.
Willy Tel prüfte meinen Antrag eine Woche und teilte mir dann mit, in der Straße leider nicht aktiv zu sein; ich solle mir einen anderen Anbieter suchen.
DAS GEHT NICHT – da war er schon, dieser deutsche Satz.
Andere Kleine schieden auch aus. Also zurück zu den Großen. Widerwillig rief ich 1&1 an und fragte nach einem reinen Internetanschluss.
Auch hier die Antwort DAS GEHT NICHT!
So einen Tarif bietet 1&1 nicht, man muß immer mindestens ein Paket mit einem Festnetzanschluss und diversen Flatrates nehmen.
Also wendete ich mich nach Telekom, O2, Willytel und 1&1 an Vodafone – einfach, weil ich mit denen noch nie etwas zu tun hatte.
Auch dort gibt es kein reines Internet.
DAS GEHT NICHT bei Vodafone.
Am 29.10.2016 bestellte ich dann bei Vodafone das Paket RedInternet&Phone16DSL – von dem man mir versprach, es könne in 5 bis 6 Werktagen geschaltet werden. Prima. Geht ja flott.
Es verstrich aber erst der gesamte November, bevor ich einen Brief mit der Aufforderung bekam mich bis spätestens 05.01.2017 telefonisch bei der Vodafone-Hotline zu melden, anderenfalls zöge Vodafone das Angebot zurück.
Ach so verstehen die also ihre Kundenbeziehung.
Das ist scheinbar wie damals mit den Trabbis in der DDR. Man muß auf Knien rutschend voller Dankbarkeit buckeln, wenn man überhaupt so gnädig behandelt wird von ihnen etwas kaufen zu dürfen.
Nach nur etwa 30 Minuten in einer Warteschleife, wollte ein entfernt klingender Mann mit starkem sächsischen Akzent, den ich auch ob der lauten Hintergrundmusik kaum verstand, von mir die Telefonnummer des Vormieters wissen.
?
Von dem habe ich nur eine Handynummer? Muss der etwa zustimmen?
Nein, aber Vodafone mit seiner enormen IT-Power und dem Wissen eines Telekommunikationsriesen hatte in nur fünf Wochen festgestellt, daß in der betreffenden Wohnung früher einmal ein Telekomanschluss lag.
Die Telefonnummer bräuchte man, um die entsprechende Leitung im Haus identifizieren zu können.
Das kostete mich einige Mühe, den vorherigen Bewohner der Wohnung zu erreichen und dann erfuhr ich doch nur, er habe gar keinen Festnetzanschluss gehabt, da die Wohnung nur als Zweitwohnsitz genutzt worden war.
Aha. Wieder in die Warteschleife, wieder gräßliche Musik und debile Menuführung, um von dem nächsten Berater zu hören. DAS GEHT NICHT.
So könne er den Anschluß nicht schalten, wenn er gar nicht wisse in welche Wohnung er gelange.
Aha. Man nenne mich pingelig, aber ich hätte es schon gern, wenn mein Festnetzanschluß und mein Internetanschluß auch in meiner Wohnung wäre und nicht zwei Stock höher.
Der gute Mann versprach dann einen Technikertermin zu organisieren, aber keine Sorge, es dauere ja ohnehin bis die Hardware – der Router – angekommen wäre.
Der würde per Post in die neue Wohnung geschickt.
Mir gefiel das nicht, weil die Wohnung noch leer steht und/oder renoviert wird. Außerdem kenne ich da noch niemand, der ein Paket annehmen könne. Ob sie das Paket an eine DHL-Packstation schicken könnten? Die Antwort war, wenig überraschend: DAS GEHT NICHT!
Ich legte allen Honig auf meine Zunge und schaffte es schließlich die Hardware an meine alte Adresse schicken zu lassen, da ich sie als Rechnungsadresse ausgab. Da würde ich zwar auch tagsüber kaum anzutreffen sein, aber anders als bei der Lieferadresse, würde das Paket dann beim zweiten Zustellversuch zur Packstation geschickt werden.
Es verging auch der Dezember, bis ich draußen vor der Haustür einen zerschlissenen GLS-Zettel fand; ich möge mich beim „Friseur Oberschlesische Str.“ einfinden.
? Wat dat denn? Hatte ich noch nie gehört. Ist ca acht Kilometer von mir entfernt. Dauert im Berufsverkehr recht lange. Dort angekommen, konnte ich mich schlecht verständlich machen, da in diesem Friseurladen zwar keine Kunden, aber doch ein türkisches Radio auf 120 Dezibel rumlief.
Ich staunte nicht schlecht – auch wenn man von außen nichts erkennt, im Keller des Friseurladens befindet sich ein GLS-Lager, aus dem mir ein freunldicher junger Mann mit Uppercut und sehr viel Metall im Gesicht ein Vodafone-Paket heraussuchte.
Ein Wunder. Mein Router. Nur acht Wochen nachdem man mir versprochen hatte der Anschluss sei in sechs Tagen gelegt.
Nun hieß es wieder warten bis Vodafone einen Technikertermin ansetzt.
Schließlich nahte der große Tag.
Am 16.01.2016 kam eine Vodafone-Email:

Ihr Anschluss wird am 17.01.2017 zwischen 12 und 17 Uhr geschaltet. Seien Sie dann bitte zuhause.
Und bereiten Sie sich mit der Videoanleitung auf vodafone.de/dsl-anschaltung schon mal für Ihren Anschalttermin vor.
Freundliche Grüße
Ihr Vodafone-Team
Unser GigaVersprechen
Schnell. Vernetzt. Für Sie da.

Toll, mit Video.


Neben einigen Informationen, auf die ich mit sehr viel Grübeln womöglich selbst gekommen wäre, zB am Tag des Termins da zu sein, erfuhr ich auch Überraschendes.

Den Router sollte ich also selbst anschließen (klar, wenn schon ein Techniker extra ins Haus kommt, ist es logischerweise so, daß man die technischen Dinge vorher selbst erledigt haben soll) und außerdem wurde dieser ominöse Brief mit all den Zugangsdaten erwähnt, den ich natürlich nicht bekommen hatte.

Also wieder Hotline, Musik und schließlich die Aufforderung meine Telefonnummer einzutippen, damit man wisse um was es ginge.


Deswegen rufe ich ja an, weil ich den Brief mit den Nummern und Zugangsdaten nie bekommen habe.

Nach einer Flasche Baldrian und einigen Schreianfällen gelang es mir tatsächlich diesen Brief noch einmal per Email geschickt zu bekommen und auszudrucken. In die Mappe für morgen.

Heute der große Tag.
Ich fuhr zeitig los, um schon eine Stunde vorher vor Ort zu sein. Bei Technikern weiß man ja nie. Und ob des im Video offenbarten Vodafonschen Klingelschild-Fetischismus hatte ich mir zusätzlich ein Schild gedruckt und es an die Haustür geklebt. Sicher ist sicher.

Lieber Vodafone-Mann – sollte die Klingel nicht funktionieren,
wählen Sie bitte 01xxxx, damit ich Sie reinlassen kann.

Es wurde 12.00 Uhr, 13.00 Uhr, 14.00 Uhr, 16.00 Uhr, 17.00 Uhr und mir dämmerte langsam erneut verarscht worden zu sein.
Um 18.00 Uhr, nach sechs Stunden des sinnlosen Wartens in einer leeren und eiskalten Wohnung, zog ich zeternd und Vodafone verfluchend ab.

Später am heimischen Schreibtisch entdeckte ich eine weitere Email von Vodafone – abgeschickt um 16.50 Uhr:

Lieber Kunde,
Ihren Vodafone-Anschluss konnten wir heute leider nicht für Sie anschalten.
Wählen Sie bitte einen neuen Termin auf dsl.vodafone.de/termin. Oder rufen Sie uns dazu kostenlos an unter 08001721212.
Vielen Dank.
Freundliche Grüße
Ihr Vodafone-Team
Unser GigaVersprechen
Schnell. Vernetzt. Für Sie da.

Noch mal Hotline würde ich nicht überleben – also klickte ich auf den Terminlink, um zu erfahren, daß dieses der persönliche Bereich wäre, der nur mit Login-Daten zugänglich sei.
Also die Daten, die ich gestern in einer Zweitschrift bekommen hatte, frohlockte ich schon, um dann beim genaueren Lesen festzustellen, daß bei den entsprechenden Codes nur „xxxxxxx“ stand.

Also wieder Hotline.
30 Minuten Warteschleife, etc pp.
Ja, die Einlogdaten würden immer nur einmal rausgeben. In der Zweitschrift wären die Angaben immer geschwärzt.
Ach so, das trifft sich ja gut. Wenn ein Kunde keine Einlogdaten bekommen hat, schickt man ihm auch keine mehr.
Aber das kann mir ja egal sein, da der Techniker ohnehin nicht kam.

Ein neuer Termin käme frühestens am 26.01.2017 in Frage. Es wäre ja schließlich ein Zweittermin und da brauche man mindestens sechs Werktage Vorlaufzeit sagte die leicht entnervte Frauenstimme vorwurfsvoll.

Können Sie da nicht eine Ausnahme machen? Es ist schließlich nicht meine Schuld, daß der Termin platzte. Ich habe dort volle sechs Stunden ausgeharrt, hatte dadurch einen Verdienstausfall und benötigte den Internetanschluß allerspätestens ab dem 21.01.2017 – nachdem mir am 29.10. versprochen worden war, das ginge innerhalb von sechs Tagen.
Antwort:
Nein, DAS GEHT NICHT.


Ich gebe auf. Dieses Internet ist wohl doch zu exotisch und zu neumodisch.
Das kriegen sie hier offensichtlich nicht hin.