Dienstag, 27. April 2021

Annalena, die Öde

 Während Linke der SPD noch 20 Jahre später nachtragen, daß sie eine völlig richtige Reform machte, die nahezu einmütig als Ursache der anschließenden Wirtschaftskraft und der extrem sinkenden Arbeitslosenzahlen angesehen wird, vergessen sie kurioserweise ganz schnell, daß die Grünen die Hartz-Gesetzgebung ebenso wie die Gewerkschaften nicht nur mittrugen, sondern massiv bewarben. Viele Grüne waren damals radikaler als die SPD.

Nach 2005 waren sie nur leider nicht ehrlich und ließen ganz gern die SPD die Prügel kassieren, während sie auf einmal so taten, als wären sie nicht dabei gewesen. Der damalige starke Mann, Außenminister und Vizekanzler Joschka Fischer zog absolut mit Schröder an einem Strang.

Nur ist Fischer jetzt vergessen, während Schröder als ewiger Buhmann herhalten muss.

Grüne mit Rückgrat  und linkem Profil wie Jürgen Trittin, der sich traute unangenehme Wahrheiten auszusprechen, wurden sukzessive in der grünen Partei entmachtet und durch fromme Merkel-Freunde à la Katrin Göring-Eckardt und den konservativen Cem Özdemir ersetzt.

Als großer Trittin-Freund bedaure ich das sehr. Ihn hätte ich gern als Kanzler erlebt.

Die gegenwärtigen Grünen haben aber aus Trittins klaren Ansagen gelernt, daß der Wähler das absolut nicht hören will. Veggie-Day, 5Mark-für-den-Liter-Benzin, Flugverbote, Tempolimit.

Das sind gar keine guten Narrative, um die demoskopischen Zahlen noch oben zu puschen.

Also gibt es jetzt nur noch Nettigkeiten und falls mal einer konkret nachbohrt, fängt Baerbock das Schwurbeln an wie eine Reinkarnation Helmut Kohls.

[…..] Annalena Baerbock muss aus Floskeln Inhalte machen.  Nach 20 Minuten stellte der ProSieben-Moderator der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock eine einfache Frage: Was ist ein gutes Gehalt für Pflegerinnen und Pfleger? Es folgte eine Antwort, wie man sie von Politikern kennt: wortreich und nichtssagend. Es gebe große Unterschiede in der Bezahlung, sagte Baerbock. Man müsse genau hinsehen, aber eine tarifliche Bindung müsse schon sein. Keine Zahl, nur Nebel.  Annalena Baerbock ist eine Kandidatin des Ungefähren, die Aura des Aufbruchs ist wichtiger als Fakten, das Karma entscheidender als das Konkrete. Eine Strategie, die zunächst nachvollziehbar ist. Die grüne Kandidatin will der breiten Mitte, wie sie es nennt, ein Angebot machen. Sie steht für ein frisches Lebensgefühl, einen Bruch mit politischen Konventionen, einen Neuanfang. Sie trifft damit die Sehnsucht vieler, die nach 16 Jahren Angela Merkel müde sind, erschöpft auch von der trägen Coronapolitik und den testosteronschweren Machtkämpfen in der Union.  [….]

(Martin Knobbe, SPIEGEL-Leitartikel, 24.04.2021, 17/2021)

Ekelhafterweise ist das gar nicht dumm von Baerbock, sondern eine erfolgreiche Strategie, um Menschen von den Grünen zu überzeugen.

Es ist aber dennoch eine ärgerliche Form der Wähler-Weiterverdummung.

(…..) Der Gipfel der grünen Politikverweigerung war die umstrittene Abstimmung am 21.04.2021 zur „Bundesnotbremse“. CDU, CSU und SPD steckten dafür viel Kritik ein, die AfD rotierte auf Hochtouren, um die Aluhutszene fest an sich zu binden, die FDP reichte Verfassungsbeschwerde ein. Sämtliche Ärzte, Fachleute und Virologen befürworteten die Notbremse nicht nur, sondern hielten sie für zu schwach. Die Linke stimmte zusammen mit AfD und FDP dagegen.

Die Grünen aber mit ihrer Abgeordneten Annalena Baerbock zeigten maximale Unverantwortlichkeit, dachten nur an ihre Wahlchancen und nicht etwa an das Wohl des Landes, indem sie sich enthielten. Bloß niemanden auf die Füße treten, bloß nichts sagen, auf das man festgenagelt werden kann, bloß keine Position beziehen.

15 Monate Pandemie und die Grünen haben dazu leider keine Meinung. Sie haben nicht nur keine eigenen Vorschläge, sondern sie können noch nicht mal sagen, ob sie die Groko-Pläne ablehnen oder unterstützen. (….)

(Genosse Trend, 26.04.2021)

Der aktuelle SPIEGEL mit seiner Baerbock-Titelgeschichte ist aber unter dem Strich ein pures Grünen-Werbeheft. Das Titelbild der möglichen nächsten Kanzlerin ist meiner Ansicht nach nahezu perfekt. Sie wirkt seriös, sympathisch. Locker und gleichzeitig entschlossen.  Besser hätte es keine Profi-Werbeagentur ausleuchten können.

Als besonderen Coup gibt es eine persönliche Story des SPIEGEL-Redakteurs Malte Müller-Michaelis, der 2001 zusammen mit Baerbock Politikwissenschaft studierte und eng mit ihr befreundet war.

Er liefert die intimen Einblicke, die die Grünenchefin immer vermeidet.

Ein kleiner Einschub an dieser Stelle: Ich finde es gut und richtig wie konsequent sie ihr Privatleben aus der Politik raushält. Und ich finde es natürlich erbärmlich schlecht, daß fast alle Medien darüber orakeln wie sie den schweren Job einer Kanzlerkandidatin bloß bewältigen soll, obwohl sie doch Mutter wäre! Das ist im Jahr 2021 eine echte Unverschämtheit. Nicht ein Journalist hat je gefragt, wie Laschet und Söder die Arbeit schaffen könnten, obwohl sie doch Kinder haben.  Ich bin kein Freund davon Frauen vorzuziehen, weil sie Frauen sind. Aber diese Mutter-Fragen sind eigentlich ein Indiz dafür, daß es immer noch notwendig ist Frauen zu fördern.

Müller-Michaelis lässt es nun ordentlich menscheln und da er sein Lenchen ganz offensichtlich immer mochte und auch immer noch mag, hilft er ihr in der Phase der gesteigerten Medienaufmerksamkeit, indem er die Facette an ihr ausleuchtet, die sie sonst nicht zeigt.

Da Baerbock zufällig in derselben Stadt und an derselben Uni wie ich studierte, ging ich mit einem besonderen Interesse an den Artikel.

Aber was für eine Enttäuschung! Die Grüne Hoffnung war offensichtlich der langweiligste Durchschnittsstudent, den man sich vorstellen kann.

Es wimmelt nur von Klischees, die ich schon als 18-Jähriger Student so schrecklich fand, daß ich das niemals mitgemacht hätte.

Wohnung in der hippen ultraangesagten Schanze.

Jedes Wochenende in der Kaiserkeller-Disco, Große Freiheit 36. Für die Nicht-Hamburger – das ist unter 1.000 Läden auf dem Kiez sicher der Langweiligste, in den sich nur Touristen und Jugendliche aus der Vorstadt verirren. Ganz schlimm.

[….] Über die wichtigsten Fragen unserer Studienzeit herrschte in der kleinen Gruppe meist Einigkeit, ohne dass es großer Debatten oder gar einer Befragung der Basis bedurft hätte. Zum Beispiel darüber, dass wir uns Woche für Woche donnerstags ab 22 Uhr im Kaiserkeller trafen, um bei dem immer selben Alternative-Rock-Mix das Wochenende einzuläuten. Drei Akkorde, Gitarre, Schlagzeug, Bass, Bier – mehr brauchten wir nicht für einen gelungenen Abend. Die Playlist eines Kaiserkeller-Abends könnte ich heute noch zusammenstellen. Eines der Lieder, bei denen Annalena garantiert auf die Tanzfläche hüpfte, war »Nobody's Wife« von Anouk. […..]

(MMM, SPIEGEL, 24.04.2021)

Es gab nichts zu diskutieren für Baerbock, die sich damals „Lenchen“ nannte und dazu frönten sie nicht nur den langweiligsten Freizeitbeschäftigungen, sondern auch noch immer den gleichen!

Aber es kommt noch übler. Ihr Hobby war FUSSBALL SPIELEN und auch außerhalb blieb die immer gleiche Gruppe der Kommilitonen offenbar immer zusammen, verreiste auch zusammen und zwar in das Ole-von-Beust-Reichenparadies Sylt. Mehr Klischee geht nicht.

OK, doch, sie heiratete früh, schön spießig, im Brautkleid mit Schleier.

Damit sind wirklich alle Punkte abgearbeitet, mit denen man sich für eine RCDS-Karriere qualifiziert. Langweiliger geht es nicht mehr. Solche Studenten habe ich an der Hamburger Uni gemieden wie der Teufel das Weihwasser.

Anschließend ging es natürlich ebenso straight weiter. Praktikum bei der Europaabgeordneten Elisabeth Schroedter, Hocharbeiten zur Büroleiterin, eigenes Bundestagsmandat, Aufstieg in der Partei.  Glücklich verheiratete Cis-Hetero-Frau und Mutter und zahlendes Kirchenmitglied, die nie auch nur einen zehnminütigen Umweg in ihrer Karriere beschritt.

Nein, all das disqualifiziert sich natürlich nicht als Kanzlerkandidaten.

Aber diese extrem glatten Karrierepolitiker ohne einen einzigen Bruch in der Biographie sind mir suspekt.   Ich habe lieber Schröder- oder Fischer-Biographien mit vielen Umwegen, die enorme Erfahrungen aufweisen und die eigentlich für sie vorgesehenen Lebenspfade verließen. Die mussten sich durchbeißen und haben sich gegen enorme Widerstände durchgesetzt.  Ich glaube, letztere haben eine größere Problemlösungskompetenz als eine Baerbock, bei der noch nie irgendetwas schwierig war und nie etwas schief ging.

 Das wolkige Programm der Grünen ist leider auch keine Hilfe.

[…..] Solardächer sollen Standard werden – alles freiwillig? Kurzstreckenflüge sollen unnötig, Langstreckenflüge verringert werden – wird Reisen wieder zum Privileg der Reichen? Die Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr sollen verdoppelt werden – auf wessen Kosten?  Ach ja, die Kosten: Die Grünen streben finanzielle Verbesserungen in vielen Bereichen an. Sie wollen das Geld aus einer CO2-Abgabe an die Bürger weiterreichen und trotzdem jährlich 50 Milliarden Euro unter anderem in klimaneutrale Infrastruktur investieren. Die Schuldenbremse im Grundgesetz soll dafür aufgeweicht, eine Vermögensteuer eingeführt werden. Reicht das? Woher kommt das restliche Geld? Und wer trägt den Schuldenberg wieder ab? […..]

(SPIEGEL, Nr.17, 24.04.2021, s.6)