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Sonntag, 27. Juli 2025

Wenn die Richtigen sterben.

Zum Glück bin ich alt und habe keine Kinder. Das ist der einzige Trost, wenn ich an die Zukunft der Menschheit denke.

Für die Jung-Mütter/Väter, die auf der Straße ihre Kinderwagen umherschieben, fehlt mir jedes Verständnis.

Wie weit muss man sich von der Realität entfernt und in seine Hygge-Scheinwelt zurück gezogen haben, um auf die Idee zu verfallen, es wäre eine prima Idee, jetzt ein empfindsames Wesen zu produzieren, dessen Lebensspanne theoretisch bis ins 22. Jahrhundert reicht? Bis dahin sind definitiv alle Ressourcen verbraucht, die Hitze wird absolut lebensfeindlich sein. Mit höchster Wahrscheinlichkeit wird ein jetzt geborenes Kind in seinem Leben Opfer brutalster Verteilungskämpfe, Krieg, Überbevölkerung und Pandemien sein.

Nur wenn man die Augen fest verschließt und den eigenen Egoismus walten lässt, wünscht man sich diese Zukunft für seine Kinder. Oder man ist einfach blöd.

Ja, ich empfinde größtes Mitleid für die Menschen in Gaza, für die verhungernden Kinder. Aber was ist denn mit den Eltern los?


[….]  Sanaa sei anfangs gesund gewesen, sagt ihre Mutter Suad al-Lahham, 30, doch als sie sechs Monate alt war, habe es angefangen. Da sei ihre Tochter immer stärker abgemagert. »Wir haben alle möglichen Ärzte aufgesucht, Neurologen, Orthopäden, ein Zentrum für unterernährte Kinder, aber nichts half«, erzählt die Mutter am Telefon. Zuletzt habe sich der Zustand ihrer Tochter stark verschlechtert, sie habe Nahrung verweigert, sich kaum noch bewegt, geweint oder gespielt. »Wir wussten, dass sie jederzeit sterben könnte«, sagt die Mutter. »Trotzdem wollten wir die Hoffnung nicht aufgeben.«

Dann, am 17. Juli, sei Sanaa eingeschlafen, ihr Körper sei plötzlich eiskalt geworden, trotz der Hitze, die Arme und Beine steif. Die Augen, groß und grau, seien weit aufgerissen gewesen. Sanaa starb im Alter von einem Jahr und vier Monaten. Ihr Gewicht: weniger als zwei Kilogramm. [….] Auch ihre anderen drei Töchter, zwischen vier und acht Jahre alt, litten unter dem Mangel, sagt die Mutter. Die Kinder weinten den ganzen Tag und wiederholten ständig: »Wir haben Hunger.« Sie selbst wiege nur noch 47 Kilo, könne kaum gehen, ihr werde oft schwindelig. Dazu sei sie im vierten Monat schwanger.

»Unsere Kinder sterben vor unseren Augen«, sagt Suad al-Lahham. [….]

(SPIEGEL, 25.07.2025)

Im vierten Monat schwanger? Die Mutter lebt in der Hölle auf Erden. Vier hungernde unterernährte Kinder, von denen eins bereits VERhungert ist, weil es gar keine Nahrung gibt, und die Eltern poppen munter weiter, um noch mehr Kinder in Gaza zu bekommen?

Angeblich ist der Mensch das einzige Säugetier der Erde, welches auf lebensfeindliche Bedingungen mit gesteigerter Vermehrung reagiert. Zootiere, die unter schlechten Bedingungen gehalten werden, stellen die Vermehrung ein. Nur Homo Demens ist zu doof dazu. Je niedriger die Lebenserwartung, desto mehr rammeln die Menschen ohne Verhütung. In den reichen Industriestaaten, in denen es Gesundheitsversorgung und ausreichend Nahrung gibt, sinken hingegen die Geburtsraten. Dort lässt man sich von fiesen Geronten regieren, denen die Zukunft ihrer eigenen Gattung offenkundig egal ist.

(….) Das Leben ist nicht fair. Sich gesund ernährende, sportliche, freundliche Menschen fallen mit 40 oder 50 tot um, Kinder sterben an Krebs oder Mukoviszidose, richtig gute Parteigeneralsekretäre werden unter dem enormen Stress psychisch so krank, daß sie mit 35 Jahren die Politik verlassen müssen.

Andererseits sind da die undisziplinierten Fettsäcke, die saufen und rauchen, aber mit einer geradezu übermenschlichen Gesundheit gesegnet sind, so daß sie bis weit hinein in ihr achtes Lebensjahrzehnt nahezu ungehindert aktiv sind.

Der amtierende Ministerpräsident Franz Josef Strauß war 73 Jahre alt, als er volltrunken zechend an seiner eigenen Kotze erstickte. Der Dreizentner-Mann Helmut Kohl fühlte sich bei seinem Abschied als Kanzler mit 68 Jahren noch viel zu fit und war bis zu einem fatalen Sturz nach einer Knie-OP im Jahr 2008 (mit 78 Jahren) noch topfit.

Wladimir Putin, seit 25 Jahren „Chef von Russland“, wird im Oktober 73 Jahre alt und scheint trotz immer wieder auftauchender Gerüchte, geistig absolut auf der Höhe zu sein. Der Fastfood-Fresser Trump ist bekanntlich 79 Jahre alt. (….)

(Gesundheit, 21.07.2025)

Zum Glück bin ich, wie eingangs schon erwähnt, kein Teen oder Twen.

Schon als nicht persönlich Betroffener, treibt mich die zukunftsfeindliche Politik der Merze und Trumps in die Depression. Wie muss es sich anfühlen, zu der Generation zu gehören, die deren Desaster-Entscheidungen ausbaden muss, wenn die jetzt regierenden Ego-Geronten längst unter der Erde liegen?  Immerhin haben einige ihr Haltbarkeitsdatum schon klar überschritten.

Die einzige Hoffnung der ganz Jungen, sich nicht mit den aufgetürmten Staatsschuldenbergen, des geplünderten Rentensystems, der absurden Umverteilung hin zu den Überreichen, dem Atommüll, extremen Migrationsdruck und der ruinierten Infrastruktur plagen zu müssen, besteht in einem vorzeitigen kollektiven Klima-, Kriegs- oder Pandemie-Exitus der Gattung Mensch. Aber wir finden Extinction Rebellions, FFF oder „Klimakleber“ viel zu radikal und wollen weiter Verbrenner fahren, während EU-Chefin von der Leyen Trump in Schottland den Hintern küsst, nachdem dieser in drastischen Worten erklärte, Europa müsse die schrecklichen Windräder unbedingt abbauen.


Mit diesen geriatrischen Irren an den Regierungsspitzen ist der Untergang der menschlichen Zivilisation beschlossene Sache.

(….) Ajatollah Ali Chamenei, seit 36 Jahren im Amt, ist 86, Trump 79 und Bibi 75. Putin, nach einem Vierteljahrhundert Amtszeit, „erst“ 72. Recep Tayyip Erdoğan, 71, klammert sich mit seit 22 Jahren als Ministerpräsident, bzw Präsident an den türkischen Chefposten.

Der frische neue Bundeskanzler ist (fast) 70, aber ganz offensichtlich auch schon so senil, daß er dauernd irgendeinen hanebüchenen Unsinn von sich gibt. (…)

(Gerontokratie, 18.06.2025)

Zum Glück bin ich nicht nur alt und Antinatalist, sondern auch Atheist.

Sonst würde ich mich fragen, wieso der Liebe Gott, Jahwe, Allah überhaupt die senile Bande in den Regierungspalästen vergisst, während er alle 13 Sekunden ein Kind auf dieser Erde elendig  verhungern lässt.

Ein gerechter, allmächtiger oder gar liebevoller Gott müsste ganz anderen Typen in die Hölle heimrufen.

Aber möglicherweise setzt ja selbst bei Gott derzeit ein kleiner Erkenntnisprozess ein. Es werden doch auffällig viele prominenten Rassisten und Nazis einkassiert.

Jean-Marie Le Pen starb im Januar 2025.

Der ultrakonservative britische Thatcher-Helfer Norman Tebbit gab am 08.07.2025 den Löffel ab.

Am 16.07.2025 folgte der ultrakonservative Wirtschaftsweise und langjähre IW-Chef Gerhard Fels Tebbit ins Grab.

Felix Baumgartner krachte am 17.07.2025 final auf den Boden, am selben Tag tat auch Udo Voigt, langjähriger NPD-Chef seinen letzten braunen Atemzug

Nur einen Tag später sattelte der erzreaktionäre schwulenhassende Pariser Kardinal Vingt-Trois die Hühner.

Am 19.07.2025 fuhr Edwin Feulner, der rechtsextreme langjährige Chef und Gründer der Heritage Foundation, in die Hölle hinab.

Hulk Hogan starb am 24.07.2025.

Heute kratzte der Neonazi und Holocaustleugner Horst Mahler ab.

So kann es weitergehen.


 

Samstag, 19. Juli 2025

Kirchen und Faschos

Die konservativen Kirchen, (aber auch Moscheen und Synagogen), gehen weltweit wieder einmal ein Bündnis mit rechtsautoritären, antidemokratischen Kräften ein.

Das ist Jahrhunderte eingeübte Praxis. Bischöfe an der Seite absoluter Monarchen, bestialischer Kriegsherren, faschistischer Staaten in Europa, rechtsextremen Militärdiktaturen Südamerikas und nun wieder Hand in Hand mit Trump, Orban und Putin.

Sie beefeuern gegenwärtig maßgeblich den Aufstieg rechtspopulistischer Kräfte, weil sie im Schatten Putins oder Orbans a) ihre Pfründe sichern und b) ihre menschenrechtswidrigen Amoralvorstellungen durchdrücken können, die in aufgeklärten Gesellschaften keine Mehrheiten mehr finden.

In der Causa Frauke Brosius Gersdorf zeigt sich das widerliche Agieren der Dunkelkatholiken in Reinkultur. Sie vermögen es, gemeinsam mit der AfD, die CDUCSU vor sich her zu treiben. Auf diese Weise setzen sie beispielsweise ihre illiberale und heuchlerische Schwangerschaften-Position durch, die von über 80% der Bevölkerung nicht (mehr) geteilt wird. Ähnlich funktioniert es mit der drastischen menschenhassenden Homophobie der US-Kirchen, die sie mit den Trumpanzees in praktische Politik umsetzen, obwohl die Mehrheit der US-Amerikaner längst ihren Frieden mit schwulen und lesbischen Paaren gemacht hat.

Man darf nie vergessen, wie völlig moralisch verkommen und verlogen, rechtsextrem schwurbelnde Periodika, wie z.B. die katholische Tagespost, sind. Sie erscheint wöchentlich mit einer gedruckten Auflage von 11.000 Exemplaren.

Daraus beziehen Gössl, Oster, Woelki und die CDU-Katholidioten ihre Fehlinformationen.

Putin und Kyrill, Trump und Dolan, Merz und Woelki, Orbán und Erdö, Kaczyński und Wojda verstärken sich gegenseitig. So können sie ihre Macht sichern und ihrem Hass auf Arme und Minderheiten frönen. Sie sind symbiotische Parasiten.

Ultrarechte Homohasser-Kleriker bekommen Aufwind und hetzen unter dem Jubel der Online-Kommentatoren.

Dankenswerterweise zeigt die österreichische Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl diese Mechanismen anschaulich auf und erklärt, wie man sich wehren kann.

[….] Seid schnell, seid scharf [….] Konservative tappen immer wieder in dieselbe Falle. Sie rennen Rechtsextremisten hinterher und betreiben Kulturkampf. Fünf Regeln, um das zu verhindern.

Wieder einmal bricht die Union die politischen Gepflogenheiten und stößt die anderen Parteien vor den Kopf. Wieder einmal gibt es tagelang aufgeregten politischen Zirkus. Deutschland drohen nun lang anhaltende österreichische Verhältnisse. Doch Deutschland muss nicht dieselben Fehler machen.  [….]

(Natascha Strobl, 19.07.2025)

Der Durchmarsch der Rechtspopulisten in den Demokratien der Welt scheint also für die Religiotischen Institutionen sehr lohnend zu sein.

[….]  SZ: Viele Religionswissenschaftler halten die Abkehr vom Glauben für ein speziell westeuropäisches Phänomen.

Detlef Pollack: Säkularisierungsprozesse gibt es auch in vielen Ländern Lateinamerikas, Nordafrikas und Asiens, sogar in Ländern wie den USA, Iran oder Polen, die bislang als religiöse Hochburgen galten. Umfragen zufolge verstehen sich in Iran nur noch 40 bis 50 Prozent der Menschen als Muslime, 22 Prozent bezeichnen sich als religionslos, neun Prozent sogar als Atheisten.

SZ: Dabei regiert in Iran ein Regime, das alle Mittel nutzt, um den Islam durchzusetzen.

Detlef Pollack: Am Beispiel Iran zeigt sich die Ambivalenz einer Theokratie. Als Chomeini 1979 theokratische Machtverhältnisse einführte und die Massen ihm zujubelten, konnte er die Religion zur Stabilisierung seiner Herrschaft nutzen und mit ihr das Nationalbewusstsein stärken. Ähnlich funktioniert das derzeit in Russland, wo die Russisch-Orthodoxe Kirche nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine enge Allianz mit dem Staat eingegangen ist und erfolgreich Identität stiftet. Russland ist deshalb eines der wenigen Länder, in denen Religion in den letzten Jahrzehnten wichtiger geworden ist. Das Blatt wendet sich, wenn Religion zur Repression eingesetzt wird. Dann richtet sich der Protest der Bevölkerung oft nicht nur gegen das autoritäre Regime, sondern auch gegen die Religion.

SZ: Unzufriedenheit mit der Politik schadet dann auch der Religion?

Detlef Pollack: Das sehen wir sogar in den USA, wo die Evangelikalen eine enge Verbindung zum rechtspopulistischen Lager eingegangen sind. Das löst bei religiös moderaten Bürgern eine Gegenbewegung aus. Viele gehen nun nicht nur zu den konservativen politischen Einstellungen auf Distanz, sondern auch zu dieser Art von Religiosität. In den USA haben wir es mit einem Anstieg der Konfessionslosen von fünf Prozent in den 90er-Jahren auf jetzt ungefähr 30 Prozent zu tun. [….]

(Pollack-Interview, SZ, 19.07.2025)

Der Teufel kommt, er hilft uns aus, und sagt uns:
„Gott ist tot
The Lord ist fort
Gott ist tot
The Lord ist fort

Der gläubige Religionswissenschaftler Pollack macht dem hohen Klerus also wenig Hoffnung. Ja, sie haben derzeit ihren Zugang zur Macht gesichert, indem sie sich mit den rechtspopulistischen, xenophoben Strömungen verbünden.

Ihre kontinuierlichen weltweiten Niedergang kann das aber nur scheinbar aufhalten, da sich aufgeklärte Menschen in halbwegs gesicherten Verhältnissen immer von dem religiösen Bullshit abwenden werden.

[….] Detlef Pollack: Das Gegenteil ist der Fall. Die Religion erfährt derzeit einen dramatischen, historisch beispiellosen Bedeutungsrückgang. Wir waren äußerst erstaunt, als wir die Daten sichteten für die Neuauflage unseres Buches „Religion in der Moderne“, das vor zehn Jahren erstmals erschien. Inzwischen ist Säkularisierung unübersehbar zum zentralen Trend geworden.  [….]

(Pollack-Interview, SZ, 19.07.2025)

Es ist einer der wenigen Lichtblicke dieser Jahre, daß die Kirchenaustrittswelle nicht mehr auf Westeuropa beschränkt zu sein scheint, sondern entgegen des oberflächlichen Eindrucks, auch auf den anderen Kontinenten an Fahrt aufnimmt.

[….] SZ: In Deutschland gehört nur noch die Hälfte der Bevölkerung einer der großen Konfessionen an. Der Kirchgang gilt mittlerweile als leicht skurril. Wieso ist Deutschland so kirchenfern?

Detlef Pollack: Deutschland ist eher der Standardfall der Säkularisierung als ein Ausnahmefall, [….] Ansonsten tragen bei uns wie in den meisten Ländern Westeuropas vor allem Prozesse der Modernisierung zum Bedeutungsverlust der Religion bei.

SZ: Was verstehen Sie unter Modernisierung?

Detlef Pollack: Mehr als nur Industrialisierung, Urbanisierung oder Wohlstandswachstum. Modernisierung bedeutet auch kulturelle Pluralisierung, Relativierung von Wahrheitsansprüchen, Toleranz, ein größeres Vertrauen in das Individuum, Autoritätskritik, Institutionenskepsis. In modernen westlichen Gesellschaften legen die Menschen Wert auf ihre Entscheidungskompetenz und wehren alle Bevormundungsversuche ab. [….] Noch vor 50 Jahren waren die Kirchen im Westen in den antitotalitären Grundkonsens der Gesellschaft eingebunden und mit politischen und zivilgesellschaftlichen Organisationen eng verflochten. Diese Verbindung hat sich gelockert. Für den Kontakt mit der Kirche bedarf es heute rein religiöser Motive. Dass man aus Gründen der politischen Opportunität oder um Kundenkontakte zu knüpfen zur Kirche hält, spielt immer weniger eine Rolle. [….]  Wir haben gesamtgesellschaftlich eine Tendenz zu liberalen, postmaterialistischen Werten, zu Selbstbestimmung, zur Gleichberechtigung der Geschlechter, zu Akzeptanz von Homosexualität. Wenn die Kirche nicht mit der Zeit geht, würde sie noch mehr Menschen verlieren und nur wenige gewinnen. [….] Trotz aller Probleme und Krisen leben wir in relativ gesicherten Verhältnissen. Die moderne Gesellschaft hält viele Partizipations- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten bereit, nicht nur in der Freizeit, sondern auch im Beruf. Unmerklich verschiebt sich so die Aufmerksamkeit von der Frage nach den ersten und letzten Dingen unseres Lebens zu der Frage, was man im Hier und Jetzt tun möchte. [….]

SZ: Evolutionspsychologen argumentieren, dass es ein Grundbedürfnis nach Religion gibt.

Detlef Pollack: Wenn über 50 Prozent der Menschen in Deutschland sagen, dass ihnen religiöse Fragen nichts bedeuten, ist es schon ziemlich gewagt zu behaupten, alle Menschen seien von Natur aus religiös veranlagt.

SZ: Wie geht es weiter mit der Religion?

Detlef Pollack: Der Tendenz nach geht es weiter nach unten. Wie wir wissen, nimmt zuerst die Bedeutung der religiösen Praktiken ab, die Zeit und Kraft kosten, also Gebet und Kirchgang. Dann folgen die Kirchenmitgliedschaft und der Glaube. [….]

(Pollack-Interview, SZ, 19.07.2025)

Donnerstag, 15. Mai 2025

Die Funktionärin

Es gibt so viele verschiedene Klischee-Männer die widerlichsten Art: Der Fußballfan, der Gerüstbauer, der homophobe Vater, der CSU-Politiker, der Gender-feindliche Boomer, der Alt-68er, der Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht-Ordnungsamtler, der Schrebergarten-Aufseher, der Profi-Balkongriller, der Berufsoffizier, der Früher-war-alles-besser-Onkel mit den cringen Ansichten.

Vermutlich sind Frauen noch nicht lange genug in gesellschaftlichen Machtpositionen, um eine ähnlich negativ konnotierte Klischee-Fülle auszubilden. Frauenklischees zeichnen eher Figuren zum Auslachen oder Bedauern: Die dumme Blondine, die Influencerin mit grotesk aufgespritzten Lippen und Brüsten, das Doofchen, das nicht Auto fahren kann. Es gibt aber immerhin ein paar Klischee-Frauen, denen ich auch mit herzlicher Abneigung verbunden bin:
Ganz schlimm sind Berufsmütter, die als Elternsprecherinnen in der Schule rumlungern und den Lehrern auf die Nerven gehen. Und das Übelste überhaupt: minimal gebildete evangelische Karriere-Theologinnen, die das Publikum mit unterirdisch verblödeten Büchern und Kolumnen schockieren.

(….) Evangelische Theologie ist heutzutage ziemlich weiblich, aber das ist wahrlich kein Aushängeschild für den Feminismus. Da sich gebildete und intelligente Menschen beiderlei Geschlechts ohnehin von der Kirche abwenden, bleiben offenbar keine durchschnittlichen Frauen der rapide schrumpfenden Kirche als Pfarrerinnen erhalten, sondern es sind die geistig Schlichtesten, die sich zu Geistlichen entwickeln.

(…..) Frappierend ist insbesondere die Unfähigkeit dieser Kategorie der Plapper-Bischöfinnen über ihren eigenen Tellerrand hinauszublicken.

Genau wie Kollegin Käßmann, nimmt auch Breit-Keßler stets sich selbst und ihr eigenes Leben zum Maßstab.

In ihren Texten erzählt sie aus ihrer Familie, ihrem Alltag, beschreibt was ihr gefällt und überträgt das dann flugs auf alle anderen.

Die ganze bischöfliche Theologie ließe sich auf den Kernsatz: „Seid alle so wie ich, dann wird alles gut!“ reduzieren.  Auch in der heutigen Kolumne geht das so. (….)

(Kirchenaustrittswochende 24.03.2016)

Die frömmelnden Frauen im Norden halten sich ebenfalls streng an dieses Muster.

  Den Begriff Schuld kann man auf viele Arten und Weisen betrachten [….] Ich erinnere mich noch gut an eine Situation, in der ich als Kind einen Freund aus Wut beschuldigt habe, etwas getan zu haben, und er dann eine Strafe von seinen Eltern erhielt, die er eigentlich gar nicht verdient hatte. Ich hatte hinterher Scham-und Schuldgefühle, konnte schlecht schlafen. Als mein Kumpel mir vergab, fühlte ich mich wie von einer Last befreit.  [….] Und vielleicht kann auch der Glaube helfen, wenn man sich sicher ist, dass Gott immer zu einem hält, egal was man gemacht hat.

  (Sabine Tesche, Himmel & Elbe, Februar 2017)

 „Und wo bleibt das Positive?“, wurde der Schriftsteller Erich Kästner seinerzeit  immer wieder gefragt, wenn er seine zeitkritischen Gedichte und Kolumnen veröffentlichte. [….] Witze, die mitunter gerade aufgrund ihrer Arglosigkeit, in der sie daherkommen, umwerfend wirken, uns erheitern und im selben Moment zum Nachdenken bringen. Zu diesen gehört für mich jener: „Was sagt eine Schnecke, die auf dem Rücken einer Schildkröte sitzt? – Hui!“ Das ist nicht nur einer der besten Schneckenwitze, die ich kenne. Er ist darüber hinaus auch tiefsinniger, als er zunächst klingt. Ich sehe zumindest sofort die Schnecke vor mir, der der Fahrwind die Fühler um die Ohren schlenkert. [….]

(Pröbstin Astrid Kleist)

[….] wenn ich in die Kirche gehe, ist für mich der Segen am Schluss des Gottesdienstes immer ein Höhepunkt. Weil er Kraft gibt, vielleicht   Auch beruhigend ist. Ich habe danach immer das Gefühl, unter Gottes Schutz zu stehen – zumindest für den Tag oder den Anfang der Woche [….] Manche empfinden es als Segen, Freunde oder eine nette Familie zu haben. Und das Schönste ist, jeder kann ihn geben: Die Eltern ihrem heiratswilligem Sohn, die Ehefrau ihrem Mann auf den Arbeitsweg, eine Kollegin einer anderen für eine Reise.[….]

(Sabine Tesche, Himmel und Elbe, 2016)

„Ich musste sofort an die Worte meiner Mutter denken: Auch in brenzligen Situationen ruhigbleiben.“ Entscheidend ist zudem ein festes Wertegerüst, ein Glaube oder eine Hoffnung. Kürzlich erzählte mir eine Freundin, sie stecke in Gedanken jede gute Erfahrung in ihrem Leben in einen imaginären „Mutmachkoffer“. Bei Bedarf schöpfe sie aus diesem Fundus, wenn sie verzagt sei und sich selbst Mut zuspreche. Ganz ähnlich ist es mit unserer christlichen Tradition:  Sie ist ein unerschöpflicher Fundus von Mutmachgeschichten.

(Bischöfin Kirsten Fehrs, Februar 2016)

Ich lese gerade begeistert ein Buch über Hummeln. [….] Nicht nur, dass die pummeligpelzigen Tierchen die Gesetze der Erdanziehung überlisten und darin ein Wunder sind. Wie viele Abermillionen von Tomaten, Gurken und Johannisbeeren werden jährlich durch sie bestäubt! Was für einen riesigen Nutzen wir von diesen putzigen Lebewesen haben, war mir bis dahin nicht bewusst.[….]

(Pröbstin Astrid Kleist, Juni 2016)

Die norddeutschen Top-Theologinnen erstaunen nicht nur mit der sagenhaften Banalität ihrer Gedanken, sondern auch mit einer geradezu unheimlichen Unfähigkeit zur Abstraktion. Sie scheinen allesamt überhaupt nicht über ihren eigenen Horizont hinausblicken zu können und sehen die Gesellschaft als glückliches Abziehbild der 1950er Jahre, als der Mann arbeiten ging, die glückliche Hausfrau ihm auf dem Weg ihren Segen wünschte und alle zufrieden in die Kirche gingen.

Andere Lebensentwürfe, die nicht der Bilderbuchfamilie entsprechen kennen sie gar nicht; echte Probleme wie Drogen, Depressionen oder Gewalt kommen ihnen gar nicht in den Sinn. (….)

(Die kleinen Freuden genießen, 18.03.2017)

Denis Scheck 2013

Eins der extremste Beispiel für diese Gattung denkferner Theologinnen ist die mittlerweile 59-Jährige Podcasterin Petra Bahr aus Lüdenscheid; von 2017 bis 2025 Regionalbischöfin für den Sprengel Hannover der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.

(….) Diese Promi-Theologinnen – dazu gehört insbesondere auch die Ethik-Rätin Petra Bahr mit ihrer einmaligen gedanklichen Schlichtheit – projizieren aber ihre eigene simple Gedankenwelt nicht nur auf alle anderen, sondern sie ignorieren auch hartnäckig die Realität.

Die heutige „Himmel und Elbe“-Ausgabe behandelt das Thema „Rituale“.

Schon das ist eine sagenhaft öde Schwerpunktsetzung. Wer hat schon einmal einen Theologen gehört, der nicht irgendwann anfängt das Mantra von der Wichtigkeit der Rituale aufzusagen?

Das ist nur zu verständlich in einer konfessionsfreien Welt, in der niemand mehr auf die Kirche hört, aber dennoch bei Tod, Geburt und Hochzeit einen Pfaff dabei haben wollen. Das sind die entscheidenden Schnittstellen für die Geldmaschine Kirche, um die Menschen dazu zu bringen zu zahlen.

Ausgerechnet im Dezember, kurz vor Weihnachten, die Rituale zu beschwören ist in etwa so einfallsreich wie Socken, Parfum und Krawatten zu verschenken.

Ich stolpere aber auch deswegen über das Thema, weil ich selbst ganz Ritual-frei lebe und es ausgesprochen unsinnig finde zum Geburtstag oder dem Tod der Mutter oder des Vaters ein Ritual zu absolvieren, um Gefühle auszudrücken.

Im Gegenteil, ich halte Rituale eher für Ablenkungen, die das rationale Denken blockieren und zudem oft mit Zwang vollzogen, so daß die Teilnehmer unangenehm berührt werden. (….)

(Theologische Ödnis, 08.12.2020)

Die Bahrsche erschien schon vor zehn Jahren, ob ihrer massiven Verblödung, auf meinem Radar.

(….) Dr. Bahr, 52, Landessuperintendentin in Hannover, echauffiert sich gar fürchterlich über das weltliche Fasten.

Dabei handele es sich um eine Mode der Einfältigen und Doofen, die irgendwie ihre innere Leere zu füllen trachteten.

 […..] Keine Schokolade, kein Netflix und keine negativen Gedanken. "Sieben Wochen ohne" passen zum Partytalk und an den Rand des Elternabends. Manche Gespräche klingen wie ein Bieterwettbewerb. Fasten zwischen Aschermittwoch und Ostern ist zur Mode geworden, ein selbstauferlegter Rigorismus mit unheiligem Ernst. Es geht nicht mehr nur um Konsum, Kalorien und Komfort. Es geht um Lebenssteigerung, ja Erlösung. Viel ist vom Ich die Rede, das unter der Lebensstil-Adipositas des "Zuviel" ächzt. Die Fastenzeit gehört in dieser Deutung dem abgelenkten, schwachen, faulen, schwerfälligen Geist. Das Ich muss leiden. [….]

(P. Bahr, SZ, 16.03.2017)

Eine typische Evangeliban-Herangehensweise: Eine Beobachtung aus ihrem persönlichen Umfeld wird als empirische Studie angesehen und verallgemeinert. Ich kenne zum Beispiel niemand, der fastet. In meinem Hamburger Umfeld tut das keiner. Daraus würde ich aber nicht ableiten, daß generell niemand auf der Welt fastet.

Anders Frau Bahr, die flugs einen regelrechten Hype durch alle Gesellschaftsschichten ausgemacht haben will.

Nun ist die Frau „Landessuperintendentin“ und bei so einem Superlativ-Ungetüm ist das christliche „Ätsch, ihr Atheisten!“ natürlich nicht weit.

Netflix- und Schokoladen-Fasten ist nämlich nicht nur irgendeine Mode, sondern auch noch eine Schlechte. Das Original-Fasten der Christen sei viel angenehmer und besser. Das wäre weniger brutal und gnadenlos.

[…..]Selbsterlösung ist im Christentum unmöglich. Deshalb sind Bußzeiten Zeiten der Gnade, nicht der selbstverordneten Gnadenlosigkeit. Wer in christlichem Geist fastet, genießt die Ausnahmen von den Regeln: auf Reisen, bei Festen, in Trauer oder am Sonntag. Die säkular-religiösen Fastenregeln sind da viel strenger als jede klösterliche Vorschrift. […..]

(P. Bahr, SZ, 16.03.2017)

Diese Kurve bekommt jede Theologinnen-Kolumne:
Erhobener Zeigefinger, IHR macht es falsch und ich Christin bin viel besser. Ätsch. Besonders ärgerlich ist so ein apodiktischer Satz wie Die säkular-religiösen Fastenregeln sind da viel strenger als jede klösterliche Vorschrift, da es sich dabei um reine Erfindung handelt, die auch noch schwurbelig unsinnig daher kommt.

Das Bahr-Oxymoron „säkular-religiös“ impliziert, daß wir Atheisten und heimlich immer noch an die überlegene Religion anlehnen. Damit verknüpft sie aber auch noch eine völlig aus der Luft gegriffene „Fastenregel“.

Als ob es einen Papst-artigen Ober-Atheisten gäbe, der sich Fastenregeln ausdenke, denen wir nun alle zu folgen hätten.

Blanker Humbug. Es gibt keine Regeln für den temporären Verzicht auf Schokolade und Netflix.

Theologin Bahr versteht grundsätzlich nicht, was Freiheit des Individuums bedeutet, so sehr ist sie in ihr kirchliches Regelwerk verstrickt.

Um ihre eigene erbärmliche Abhängigkeit von einem Märchenbuch voller menschenfeindlicher und absurder Regeln schönzureden, postuliert sie einen phantastischen Popanz: Die Säkularen haben noch viel bösere Regeln als wir!

Whataboutism – die letzte Rettung, wenn einem Ideologen gar kein positives Argument für seinen eigenen Wahn mehr einfällt.

Und hier kommen wir zum Kern der Bahr-Kolumne: Sie schreibt aus einer tiefen Verletzung heraus. Sie führt sich auf wie eine enttäuschte Verkäuferin eines Markenprodukts, die hilflos zusehen muss wie ihre ehemaligen Kunden zu den NoName-Produkten wechseln.

Dabei nimmt sie irrigerweise an, ihre Produkte wären generell unverzichtbar. Wer die Kirchen verlasse, fühle eine innere Leere, sei unausgefüllt, suche nun verzweifelt nach einem anderen Lebenszweck, müsse die hinterlassene Lücke unbedingt irgendwie füllen. Ohne das metaphysische Gerüst kann im Bahr-Oberstübchen niemand existieren und daher wäre er gezwungen sich ein unzureichendes Substitut zu suchen.

So mildern Kirchisten den Trennungsschmerz gegenüber den vielen Hunderttausenden, die jedes Jahr ihren Verein verlassen.

 Aus Bahrs Sicht gehen die nicht, weil sie die Kirche nicht brauchen. Nein, wer die Kirche verlasse, werde von anderen minderwertigen Lehren angezogen.

Theologen betrachten Atheismus immer gern als Alternative zur Religion. Als einen anderen quasi religiösen Player. Das ist selbstverständlich auch blanker Unsinn. Atheismus ist so sehr eine Religion wie Asexualität eine Sexpraktik ist.   Ich bin nicht verzweifelt, weil ich Atheist bin und suche nun händeringend nach Halt.

Bahr begreift es nicht und kann als typische Christin natürlich nicht anders, als auch noch nachzutreten: Ihr seid doof und müsst nun zur Strafe leiden, weil ihr die tolle Kirche verlassen habt, Ätschi!

[…..]  Die wechselseitige Kontrolle der Fastenprogramme in Freundeskreisen hat bisweilen etwas Sektiererisches. "Wie, du fastest nicht?", bekommt zu hören, wer fröhlich zum Weinglas greift. Die Offenheit, mit der über die Fastenprogramme geredet wird, scheint proportional zur artikulierten Kirchenfremdheit zu wachsen. Kaum ist der Mensch der Kirche als vermeintlicher Moral- und Strafanstalt mit großer Geste entkommen, wird die Bestrafungsapp fürs Smartphone zum maßgeschneiderten Strafgericht. […..]  Der Abschied vom Christentum hinterlässt eine diffuse Sehnsucht nach Lebensintensivierung und ein neues Flagellantentum im Namen der gesteigerten Selbstwahrnehmung. Hart und unerbittlich wird der alte zum neuen Menschen perfektioniert, Fasten ist die neue Bußübung. Buße ist ein Wort aus der abgelegten Welt des Christentums, das der Sache nach aber seine beste Zeit noch vor sich hat. Das Christentum stört nämlich die Selbsterlösungshoffnungen, welche die neuen Bußprediger schüren, die sich heute Life-Coaches nennen. Buße meint: weniger bequem, weniger satt, weniger abgelenkt von den zentralen Lebensfragen zu sein. Wer will ich sein, wer könnte ich sein, was ist aus mir geworden? Buße als Übung muss nicht in gedrückter Stimmung passieren, mit Chorälen in Moll und verordneter Traurigkeit. Die Zeit vor Ostern ist kein auf Dauer gestellter Karfreitag, keine Zeit der Angstlust, die sich aus sicherer Distanz in wohligem Schauer dem Bild des gefolterten Christus aussetzt. [….]

(P. Bahr, SZ, 16.03.2017) (…)

 (Einfältige, einfache Evangelibanin, 27.03.2019)   

Was macht man nun mit so einer 59-Jährigen selbstverliebten Frau mit unheilbaren Mitteilungsdrang, die über keinerlei nutzbare Expertise verfügt, aber einfach nicht die Klappe halten will?

Zum Glück kommt für Bahr die Merz-Dobrindt-Regierung gerade richtig. Da spielt Kompetenz keine Rolle.

[…..] Die Entscheidung, die Regionalbischöfin Petra Bahr zur Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu ernennen, ist ein weiterer Beleg dafür, dass die neue Bundesregierung nicht an einer weltanschaulich neutralen Politik interessiert ist, sondern im Gegenteil kirchliche Akteure gezielt aufwertet und damit die Verflechtung von Staat und Religion bedenklich vertieft. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein hoher geistlicher Würdenträger ein wichtiges politisches Amt bekleidet.   Nach der heftig kritisierten Entscheidung, mit Wolfram Weimer einen Mann zum Kulturstaatsminister zu ernennen, der Religion als Segen für die Gesellschaft feiert und "radikale Atheisten" für die Schrecken des Zweiten Weltkriegs verantwortlich macht (der hpd berichtete), deutet die Berufung Bahrs zur beamteten Staatssekretärin auf eine religiöse Aufladung zentraler Politikfelder hin, mit der der Katholik Friedrich Merz eine konservative Wende in Deutschland einleiten möchte. […..] Die Personalie Petra Bahr, die im Bildungsministerium als Staatssekretärin fungieren soll, ist besonders brisant. Mit der Petra Bahr, die seit 2017 in Hannover als Regionalbischöfin tätig ist, erhält eine bedeutende Kirchenvertreterin Einfluss auf die Schulpolitik – ein Bereich, in dem Fragen zur Stellung des Religionsunterrichts, zu weltanschaulicher Neutralität und zum Umgang mit Diversität besonders sensibel behandelt werden müssen. Es steht zu befürchten, dass Bahr als Vertreterin der evangelischen Kirche den konfessionellen Religionsunterricht stärken und Versuche blockieren könnte, ihn durch integrative Ethikmodelle zu ersetzen. Das wäre ein klarer Rückschritt für all jene, die sich für ein pluralistisches und inklusives Bildungsverständnis einsetzen – eines, das die weltanschauliche Vielfalt unserer Gesellschaft realistisch abbildet.

Petra Bahr ist in der Vergangenheit wiederholt durch äußerst kirchenfreundliche Äußerungen aufgefallen, für Atheismus hat sie wenig Verständnis. In ihrer 2018 erschienenen Schrift "Wie viel Religion verträgt unsere Gesellschaft?" warnt sie eindringlich vor dem Laizismus, dem sie eine geistige Nähe zum jakobinischen Terror unterstellt – ein fragwürdiger Vergleich, der Kritiker religiösen Einflusses auf politische Belange in eine radikale Ecke rückt. Bahr beklagt zudem, dass der "militante Atheismus" eines Richard Dawkins oder Michael Schmidt-Salomon die Gefahr des Laizismus verkenne. Diese Argumentation stellt die kritische Auseinandersetzung mit religiöser Macht unter Generalverdacht und untergräbt bewusst die Idee einer säkularen Gesellschaft. […..]

(Ralf Nestmeyer, 09.05.2025)

Sonntag, 20. April 2025

Theologencrash

 Die AfD-Freundin Julia Klöckner stand schon immer weit rechts in der CDU.

Mit gerade mal 29 Jahren stieg die studierte Theologin und Winzerin 2002 in den CDU-Parteilandesvorstand von RP auf. Von 2010-2022 amtierte sie als Landesvorsitzende und setzte als Spitzenkandidatin gleich zwei Landtagswahlen hintereinander in den Sand, indem sie sich 2011 und 2016 mit einem xenophoben Kurs rechts von ihrer Nemesis Angela Merkel inszenierte. Eine bemerkenswerte Leistung in dem konservativen Flächenland des Helmut Kohl.

Für die Niederungen der Landespolitik konnte sich die 2002 in den Bundestag gewählte Lügnerin allerdings nie richtig erwärmen und mauschelte sich zielstrebig in ein Ministeramt. Mit parlamentarischen Regeln nimmt sie es ohnehin nicht so genau. Das beweist eindrücklich ihr Tweet aus der offiziellen Zählkommission zur Bundespräsidentenwahl 2009, als sie 15 Minuten vor der offiziellen Bekanntgabe des Ergebnisses schon Köhlers Wahl ausplauderte.

Die Nestlé-Lobbyisten vertritt das gesamte Potpourri des Stahlhelm-Parteiflügels:
Sie war für TTIP und Glyphosat, betrachtet als radikale Lebensschützerin Embryonen als Personen, wettert gegen Stammzellenforschung, will Queeren die Adoption verbieten, streitet populistisch für ein Burka-Verbot in Deutschland – obwohl es keine Burka-Trägerinnen in Deutschland gibt. 2015 bildete sie die Antipode zu Merkels Flüchtlingspolitik, forderte Obergrenzen, statt Grundgesetz. Sie will Pestizideinsatz in der ökologischen Landwirtschaft, betäubungslose Ferkelkastration und Kükenschreddern. Klöckner agitierte auf Nestlés Geheiß gegen die Lebensmittelampel und sabotierte den Nutriscore. Dabei steckte sie eine peinliche Pleite bei einer Foodwatch-Klage ein und wurde 2022 vom Verwaltungsgericht Köln verurteilt, weil sie als Ministerin 2018 einen Bericht des Max-Rubner-

Instituts zum Nutriscore erst verheimlichen wollte und dann manipulierte.

Der Klimawandel ist für Klöckner bloß ein Modetrend, dem man hinterherlaufe, bis sich etwas anderes en vogue sei.

[….] Existenzielle Krisen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine bemerkenswerte Klarheit schaffen. Allerdings nur, wenn man akzeptiert, dass ein katastrophaler Ausgang droht.

Das ist bekanntlich gerade der Fall. "Der Klimawandel ist unser dritter Weltkrieg", schrieb der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz diese Woche im "Guardian".

Die relevanten politischen Akteure hierzulande wissen das längst, die Wähler sowieso. International gilt, mit wenigen Einschränkungen, das Gleiche. Es gibt überwältigende wissenschaftliche Evidenz. Manche Leute wollen all das nicht glauben, manche wiegeln ab, manche sind der Meinung, dass ihr Reichtum sie schon irgendwie vor den schlimmsten Folgen bewahren wird.

Der Klimawandel ist aber, anders als zum Beispiel Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner es diese Woche wieder behauptet hat , nicht irgendein politisches "Thema", das "gerade en vogue" ist.

Der Klimawandel ist so "en vogue" wie eine Krebsdiagnose. Oder wie ein Auto, in dem bei Tempo 180 plötzlich die Bremse nicht mehr richtig mitspielt: Keiner will ihn, aber wenn man ihn erst mal als Faktum akzeptiert hat, wird alles andere zweitrangig. Und das bleibt dann auch so. [….] Julia Klöckner verglich die Klimakrise mit den syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen des Jahres 2015. Was eine bittere Ironie birgt, denn gegen die Fluchtbewegungen, die diesem Planeten bevorstehen, wenn wir nicht schleunigst beidrehen, war die sogenannte Flüchtlingswelle von 2015 ein Rinnsal.

In Banda, im indischen Utta Pradesh, stieg die Temperatur diese Woche auf über 48 Grad Celsius , fünf Grad über die normale Temperatur für diese Jahreszeit. Das ist nur ein Vorgeschmack. [….]

(Prof. Christian Stöcker, 09.06.2019)

Die Ministerin aus der Pfalz geriert sich als wahre Jüngerin Donald Trumps und lügt vollkommen ungeniert.

 [….]  Aber wenn ich von Demokraten bei solch einem ernsten Thema eines erwarte, dann wenigstens: dass sie diese Debatte ehrlich führen – und nicht wider besseres Wissen Unwahrheiten verbreiten.

Wer glaubt, zumindest darauf sei Verlass, kennt Julia Klöckner nicht. Die CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Landwirtschaftsministerin verbreitete Ende September auf Twitter die absurde Meldung, Asylbewerber hätten im Vorjahr Zahnarztkosten in Höhe von 690 Millionen Euro verursacht. Diese Behauptung ist nicht wahr, Klöckner stützte sich auf eine Falschmeldung des „Spiegel“. Das Magazin korrigierte den Irrtum nach wenigen Stunden, nämlich sobald es ihm auffiel, und transparent, wie es sich gehört.

Nicht so Julia Klöckner. Die denkt bis heute nicht daran, ihren falschen Tweet richtigzustellen, einzuordnen oder halt einfach zu löschen. Obwohl sie genau weiß, dass sie seit mittlerweile zwei Wochen eine Unwahrheit verbreitet. [….] Bislang hatte ich keine dezidierte Meinung zu Klöckner. Ich erinnere vage, dass sie sich einmal sehr unglücklich zu Meinungsfreiheit und Hitlergrüßen äußerte. Und dass sie sich als Ministerin für ein Nestle-Werbevideo hergab. [….] Also befragte ich Google nach Lesenswertem über Klöckner und fiel prompt in ein rabbit hole: Das halbe Internet ist offenbar voller Menschen, die dieser Frau Falschbehauptungen unterstellen. Ob als Ministerin, Abgeordnete, Landespolitikerin. Als sei Unehrlichkeit ein roter Faden ihrer Karriere.

[….] Die SPD rügte Julia Klöckner bereits 2016 dafür, massiv Falschbehauptungen in die Welt zu setzen, und listete diese auf drei DinA4-Seiten unter dem Titel „Klöckners Unwahrheiten“ auf. Der FDPler Gero Hocker warf Klöckner vor, „dreist die Unwahrheit zu verbreiten“, nachdem sie von einem Antrag der Liberalen zur Streichung von Zuschüssen für eine Sozialkasse sprach. „Diese Aussage der Ministerin ist schlichtweg ausgedacht und damit erlogen“, schreibt Hocker. „Unserer Aufforderung, hierfür irgendeinen Beleg zu liefern, ist Julia Klöckner bis heute nicht nachgekommen – weil es schlichtweg keinen gibt.“

Belege schuldig bleiben und aussitzen, das kennt auch der taz-Autor Jost Maurin von ihr. 2020 behauptete sie in einer Talkshow, ein rumänischer Erntehelfer sei entgegen der öffentlichen Darstellung gar nicht an Covid-19 gestorben, sondern an einem Herzinfarkt. Die zuständige Behörde widersprach ihr prompt. Maurin fragte nach, woher Klöckner ihre Information habe. Sie schwieg. Auch für eine weitere Unwahrheit, eine Falschbehauptung über Pestizidpolitik, entschuldigte sie sich nicht. Ihr Ministerium räumte später lediglich ein, dass „eine ursprünglich getroffene Aussage so nicht zutreffend ist“.

2022 warf Klöckner der Ampelkoalition vor, jungen Menschen Pubertätsblocker zu empfehlen. Schnell kam heraus, dass die von ihr kritisierte Publikation aus der eigenen Regierungszeit stammt.

Die Liste derer, die Klöckner konkrete Vorwürfe machen und diese auch belegen, ist noch weitaus länger. Selbst Martin Rütter, der sonst dauerliebe Hundetrainer, beschuldigte Klöckner nach Kontakt mit ihrem Ministerium der Unehrlichkeit. Er sagte: „Also jetzt geht die Dreistigkeit wirklich in eine Dimension, wo du dich fragen musst, ist diese Frau in einem Zustand, dass die glaubt, dass alle völlig verblödet sind?“ [….]

(Tagesspiegel, 14.10.2023)

Mit der Übernahme des CDU-Bundesparteivorsitzes durch Friedrich Merz, kam endlich Klöckners Chance, sich als Mitglied der vier apokalyptischen Rechtsradikalen (Linnemann, Klöckner, Span, Merz) in das Herz des Chefs zu hetzen.

 „Für das, was Ihr wollt, müsst Ihr nicht AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die CDU“ twitterte sie vor der Bundestagswahl. Sie kübelte Lügen über die Grünen aus und machte sich eifrig an der Brandmauer zu den Nazis zu schaffen.

[….] Zudem sprach Klöckner davon, dass sie verstehen könne, dass Wähler mit ihrer Stimme ein Zeichen setzen wollten. "Zum Beispiel gegen grüne Gängelung beim Heizungsgesetz". Das sogenannte Heizungsgesetz hatten die Grünen mit SPD und FDP beschlossen. Klöckners CDU hatte 2020 mit der SPD selbst das ursprüngliche "Gebäudeenergiegesetz" verabschiedet, das diverse Einschränkungen zu Heizungen vorsah und 2023 von der neuen Regierung erweitert wurde. [….]

(NTV, 09.01.2025)

Lügen und Hetzen gehören zur Theologin Klöckner, wie das Amen in der Kirche.

Das gefällt dem mutmaßlichen nächsten Bundeskanzler und so beförderte er sie in das zweithöchste Staatsamt. Dort muss die AfD-Freundin Julia Klöckner die finanziellen Rechenschaftsberichte der CDU-Schatzmeisterin Julia Klöckner prüfen.

Daß die Kirchen es wagen, die nun formal zweitmächtigste Frau im Staate für ihre menschenfeindlichen Positionen zu kritisieren, kann Julia Trump nicht ertragen und wandelt auf Söders Spuren, der ebenfalls schon einen Maulkorb für Kirchenvertreter forderte, die es wagen, die CSU zu kritisieren.

(…) Die Hälfte der Deutschen sind schon aus der Kirche ausgetreten, die nun unter Einflussverlust und Personalmangel leidet. Derart ausgezehrt, lassen die Kirchen vermehrt Frauen und zu allem Übel auch noch Grüne- oder Sozi-Frauen in ihre Gremien. Das stopft zwar Personallöcher, führt aber unausweichlich zu Konflikten mit der erzkonservativen Bischofsbruderschaft, die ihre politische Agenda am liebsten auf dem Stand der 1950er lassen würde:

Für das Recht Kinder zu schlagen.

Schwule ins Gefängnis.

Straffreie Vergewaltigung in der Ehe.

Verbot von Scheidung.

Verbot von Verhütungsmitteln.

Verbot von Schwangerschaftsabbruch.

Verbot von Masturbation.

Verbot von vorehelichem Sex.

Der Mann bestimmt über die Frau.

Linkshänder schlagen.

Uneheliche Kinder ihren Müttern wegnehmen.

Berufsverbot für Atheisten.

Das gefiel nicht nur der CDUCSU, sondern befand sich im schönen Einklang mit Bibel und dem Katechismus.

Heute müssen die Bischöfe ihr Programm etwas anpassen, um nicht noch schneller Mitglieder zu verlieren. Daher üben sie gelegentlich zarte Kritik an der brutal ausländerfeindlichen Politik der Christen-Parteien.

Die sind aber zutiefst empört, weil sie das Bündnis zwischen Christentum und C-Parteien immer noch als moralfreie Zweckgemeinschaft begreifen.

Ja, man betonte bei jeder Gelegenheit das christliche Menschenbild, inszenierte sich als bester Kirchenfreund, ging in Gottesdienste. Aber doch nur wegen des politischen Vorteils und nicht etwa, weil einer der C-Herren den Unsinn von den Kanzeln tatsächlich glaubte. Nach der Kirche, ging es erst mal in den Puff. Natürlich haben Söder und Seehofer Kinder mit ihren Sidekicks gezeugt, weil sie Ehebrecher sind. Darüber breiteten die Kirchen den Mantel des Schweigens und konnten sich dafür sicher sein, im Freistaat stets auf vollen Kassen zu sitzen und in luxuriösen Palais‘ zu residieren.  (…)

(Wenn Konservative zickig werden, 12.02.2025)

Diesen Humanismus, Nächstenliebe und Familienwerte, kann Klöckner überhaupt nicht leiden. Sie will ungestört Ausländer drangsalieren und verbittet sich zu Führers Geburtstag am 20.04. theologischen Widerspruch.

[….] Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat am Osterwochenende abermals die Kirchen in Deutschland kritisiert. Diese würden sich zu oft zu politischen Themen äußern, statt Trost und Stabilität zu spenden. Dadurch würden sie zu austauschbaren Nichtregierungsorganisationen (NGOs), sagte die Katholikin, Christdemokratin und studierte Theologin [….] »Klar kann sich Kirche auch zu Tempo 130 äußern, aber dafür zahle ich jetzt nicht unbedingt Kirchensteuer«, sagte Klöckner. [….] Bereits vor Anfang April äußerte sich Klöckner ähnlich im Interview des Senders »Domradio« . »Ich halte es zum einen für nicht immer sinnvoll, wenn Kirchen glauben, eine weitere NGO zu sein und sich zu Tagespolitik äußern«, [….] Kritik an Klöckners Äußerungen kommt unter anderem vom Publizisten Heribert Prantl. »Ich denke, da irrt Frau Klöckner«, so Prantl in einer Reaktion im »Domradio«. »Die Kirche ist eine NGO – und zwar eine sehr große.« Außerdem seien das Evangelium, die Bergpredigt und die Propheten ebenfalls politisch. »Von den Propheten kann man sogar sagen, dass sie tagespolitisch waren«, so Prantl.

Solange die Kirchen Werbung für die Union gemacht hätten, sei diese damit auch einverstanden gewesen. [….]

(SPON, 20.04.2025)

Samstag, 19. April 2025

Faszination Inselverarmung – Teil II

Für seine Herkunft kann er natürlich nichts.

Heribert Prantl wurde 1953 in Oberpfalz als Sohn des frommen Stadtkämmerers geboren. Prantl Senior war Kirchenpfleger und ehrenamtlicher Vorsitzender des Kolpingwerks in Nittenau, den seine Hochzeitsreise zum Wallfahrtsort Altötting verschlug.

Jener ultrafromme Ort, den Prantls auch in den Folgejahren mit den Kindern immer wieder besuchten. Der kleine Heribert begeisterte sich für den Bund der Deutschen Katholischen Jugend. Die Religiotie saugte er mit der bayerischen Muttermilch auf.

Zufälligerweise erwies er sich aber zudem als äußerst intelligent, absolvierte im Rekordtempo ein Studium der Rechtswissenschaft, Geschichte und Philosophie. Mit 27 Jahren legte er das zweite Juristische Staatsexamen ab. Seine Promotion zum Dr. jur. erfolgte magna cum laude und erhielt den Wissenschaftspreis der Universität Regensburg und des Hauses Thurn und Taxis. Parallel absolvierte er als Stipendiat des Instituts zur Förderung publizistischen Nachwuchses der katholischen Kirche seine journalistische Ausbildung. Er wurde mit 26 Jahren Rechtsanwalt, später Richter am Amtsgericht, Richter am Landgericht, Pressesprecher des Landgerichts Regensburg und schließlich Staatsanwalt, bevor er ab 1988 Leitartikler bei der Süddeutschen Zeitung wurde.

Dort entwickelte er sich zu einer gewichtigen Stimme des deutschen Liberalismus und wurde mit Preisen nur so überhäuft.

    1983: Wissenschaftspreis der Universität Regensburg und des Hauses Thurn und Taxis für die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften

    1989: Franz-Karl-Maier-Preis der Pressestiftung Der Tagesspiegel in Berlin für „hervorragende und parteiunabhängige Kommentierung“

    1992: Pressepreis des Deutschen Anwaltvereins für sein „Plädoyer für die Stärkung des Grundgesetzes“

    1994: Geschwister-Scholl-Preis für sein Buch „Deutschland, leicht entflammbar“

    1996: Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik

    1999: Siebenpfeiffer-Preis für Freiheit und demokratische Rechte

    2001: Theodor-Wolff-Preis in der Kategorie „Essay“ für den Beitrag „Lob der Provinz“, Süddeutsche Zeitung am 1./2. April 2000

    2004: Rhetorikpreis für die „Rede des Jahres 2004“, verliehen von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen

    2006: Erich-Fromm-Preis, gemeinsam mit Hans Leyendecker

    2006: Arnold-Freymuth-Preis „für Verdienste um den demokratischen und sozialen Rechtsstaat“

    2007: Roman-Herzog-Medienpreis des Konvents für Deutschland für seine Analysen und Kommentare zum Föderalismus

    2007: Politikjournalist des Jahres durch das Medium Magazin

    2008: Goldener Prometheus für politischen Journalismus verliehen vom Medienmagazin V.i.S.d.P.

    2008: puk-Preis für Kulturjournalismus, verliehen vom Deutschen Kulturrat

    2008: Ketteler-Preis der KAB-Stiftung 'Zukunft der Arbeit und der sozialen Sicherung' (ZASS)

    2009: Medaille für Verdienste um die Bayerische Justiz

    2010: Cicero-Rednerpreis

    2011: Wilhelm-Hoegner-Preis der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag

    2012: Brüder-Grimm-Preis der Philipps-Universität Marburg

    2013: Publizistikpreis der Landeshauptstadt München

    2015: Hildegard Hamm-Brücher Preis für Demokratie

    2015: Bayerische Verfassungsmedaille in Silber

    2016: Ehrendoktor des Fachbereichs Theologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    2019: Katholischer Medienpreis / Sonderpreis der Jury für die Leitartikel zu den Hochfesten der Kirche

    2022: Verleihung des Memminger Freiheitspreises 1525

    2024: Große Staufermedaille in Gold

Der Mann sieht sein Gesicht gern im Fernsehen, ist natürlich eitel und prahlt in seinen Kolumnen mit seiner Bildung, indem er prätentiöse Einleitungen schreibt. Aber da er tatsächlich gebildet ist und tatsächlich so gut schreiben kann, verzeiht man ihm das amüsiert.

Heribert Prantl ist ein faszinierendes Beispiel für die Schmidt-Salomonische „Inselverarmung“.  Ein hochintelligenter und hochintegrer Mann, der sozial und ethisch immer auf der richtigen Seite steht. Im Laufe der Jahrzehnte habe ich viele seiner Texte ausgeschnitten, bzw abgespeichert, weil die so gut und scharfsinnig sind.

Außer es geht um Religion. Dann fängt er pawlowsch an zu schwurbeln, idealisiert seine naiven Kinderglauben, verschließt die Augen vor der Realität.

Besonders klar sah man das beim „Beschneidungsurteil“ von 2012, als er diametral entgegengesetzt zu seinen humanistischen und rechtlichen Überzeugungen, die Position der Kirchen annahm und sich gegen die Kinderrechte aussprach.

Das war für seine Verhältnisse katastrophal unterkomplex. In diese Kategorie fallen auch seine latenten Sympathien für Covidiotie, die er glücklicherweise nicht weiter vertiefte.

Heute arbeitet Prantl nicht mehr als SZ-Chefredakteur, sondern beliefert Deutschlands beste überregionale Zeitung nach eigenem Gutdünken mit Kolumnen, die fast immer sehr lesenswert sind. Außer, es naht ein christlicher Feiertag. Dann biegt er unweigerlich falsch ab. Dann schaltet er in den Religiotie-Modus und wird besonders peinlich, weil er viel zu schlau ist, um tumb Kirchenpositionen nachzuplappern. Nein, er gibt sich, seiner Bildung entsprechend, als kritischer Geist, bleibt aber generell unfähig, seine eigene Inselverdummung zu bemerken. Zum Karfreitag geht es selbstverständlich wieder los:

[….] Der Karfreitag ist ein Feiertag, an dem es nichts zu feiern gibt. Es ist ein Tag, an dem Ostern viel weiter weg ist als zwei oder drei Kalendertage. [….] In den Kirchen verklingt die Orgel, die Bibel wird zugeschlagen, die Lichter gehen aus; es herrscht Stille, Todesstille; den Gläubigen wird abverlangt, dass sie das aushalten. Es ist dies das Gedenken an einen Justizmord, begangen an einem Jesus von Nazareth vor zweitausend Jahren. [….]

Der Karfreitag bringt eine schmerzhafte Erkenntnis: Da ist keine überirdische Allmacht, die von oben eingreift, die das Schlimme und das Schlimmste verhindert – die klassische religiöse Hoffnung wird enttäuscht. Im Karfreitagsevangelium schreit der Jesus am Kreuz, dass Gott ihn verlassen hat: „Eloi, Eloi, lema sabachtani“, übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Dieser Schrei eines Einzelnen ist der Schrei der Vielen. Karfreitag ist also der Tag der Gottabwesenheit und der Gottlosigkeit. An diesem Tag wird der angeblich Allmächtige nicht verteidigt, an diesem Tag ist die Abwesenheit Gottes anwesend. [….] Dieser Tag mit seinen Schrecknissen, seinen Ungeheuerlichkeiten und der völligen Abwesenheit Gottes wird bisweilen als eine Art Vorspiel für das österliche Happy End betrachtet; das aber ist eine Herabsetzung und Entwertung des Karfreitags. [….] 

Der Glaube an Gott verlangt entweder ungeheure Naivität oder ein unglaubliches Ringen. Das Kreuz ist der Identifikationspunkt für Lebens- und Todeserfahrungen, die nicht auflösbar sind. Es ist der Ort für die Warum-Fragen, die unbedingt gestellt werden müssen, auch wenn sie keine letzte Antwort finden. Warum verrät einer seinen besten Freund? Warum wählen so viele Menschen ihre eigenen Zerstörer? Warum habe ich das bloß getan? Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Sollte man Fragen, die keine Lösung finden, besser gar nicht stellen? Im Gegenteil! Sie sind lebensnotwendig und darum österlich. Sie sind Leben. Nicht mehr zu fragen ist der Tod. [….] Auferstehung bedeutet, in den Glauben daran zu springen, dass es sie gibt. Sie ist nicht eine Wiederbelebung des Vergangenen; sie ist das Wunder neuer Hoffnung in den alten hoffnungslosen Situationen. Auferstehung ist, wenn man das Leben wieder spürt.  [….]

(H.P., 16.04.2025)

Es tut mir wirklich weh. Einem durchschnittlich Gebildeten, einem Dorfpfarrer oder einem der üblichen generell Desinteressierten, gestehe ich diese intellektuelle Unterkomplexität gern zu. Aber doch nicht einem Denker, wie Prantl. Wieso begreift er nicht, wie sich all die Theozidee-Verwirrung auflöst, wenn er endlich einsieht, daß Religion eine Fiktion ist und es keinen Gott gibt?

Ich habe ihn mal in einem ausführlichen Leserbrief freundlich auf seinen blinden Fleck hingewiesen und bekam auch prompt eine extrem unfreundliche Antwort, die ihm keinesfalls würdig war. Offensichtlich hatte ich da etwas getriggert.

Ich vermute, tief im Unterbewusstsein weiß er, daß er beim „Lieben Gott“ auf einem unredlichen Irrweg wandelt. Aber er kann sich irgendwie nicht davon lösen und dieses Gaga-Gebäude zum Einsturz bringen.

Ich halte das letztlich für ein psychologisches Problem. Oder vielleicht kann die Hirnforschung da weiter helfen.

 Solange nämlich Religioten das Sagen auf unserem Planeten haben - und das haben sie leider, Mensch sei’s geklagt, in vielen Teilen der Welt -, sind alle Versuche, das Zusammenleben der Menschen vernünftiger, freier, gerechter zu gestalten, notwendigerweise zum Scheitern verurteilt. (Denken Sie nur an die muslimischen Extremisten in Somalia, die 2011 dringend benötigte internationale Hilfe für die hungernde Bevölkerung nicht zuließen.) Versuchen wir also angesichts der Bedeutung dieses Phänomens eine kurze Definition des religiotischen Syndroms:
Religiotie ist eine selten diagnostizierte (wenn auch häufig auftretende) Form der geistigen Behinderung, die durch intensive Glaubensindoktrination vornehmlich im Kindesalter ausgelöst wird. Sie führt zu deutlich unterdurchschnittlichen kognitiven Leistungen sowie zu unangemessenen emotionalen Reaktionen, sobald es um glaubensrelevante Sachverhalte geht.

 Bemerkenswert ist, dass sich Religiotie nicht notwendigerweise in einem generell reduzierten IQ niederschlägt: Religioten sind zwar weltanschaulich zu stark behindert, um die offensichtlichen Absurditäten ihres Glaubens zu erkennen, auf technischem oder strategischem Gebiet können sie jedoch (siehe Osama bin Laden) hochintelligent sein. Wie es „Inselbegabungen“ gibt (geistig behinderte oder autistische Menschen mit überwältigenden mathematischen oder künstlerischen Fähigkeiten), so gibt es offensichtlich auch „Inselverarmungen“ (normal oder gar hochintelligente Menschen, die in weltanschaulicher Hinsicht völlig debil sind).

Religiotie sollte daher als „partielle Entwicklungsstörung“ verstanden werden – ein Begriff, den der Entwicklungspsychologe Franz Buggle schon vor Jahren vorgeschlagen hat, um die spezifischen Denkhemmungen religiöser Fundamentalisten zu erfassen.

(Keine Macht den Doofen, s.42f)

Zumal solchen Fälle nicht immer so enden. Ich erinnere an Helmut Schmidt, der als erwachsener intellektueller Mann „so wahr mir Gott helfe“ bei seiner Vereidigung zum Kanzler schwor und noch an die wichtige ordnende Kraft Gottes glaubte, als er schon im Rentenalter war, aber dann doch im Laufe seines weiteren Lernens und Lesens zu der Erkenntnis kam, daß es keinen Gott gibt und er sich selbst als Atheist bezeichnete.

Viele Intellektuelle der Generation wußten das schon seit ihrer Jugend; Marcel Reich-Ranicki zum Beispiel, oder Rudolf Augstein.

Geistig flexibel zu bleiben und diese kulturell aufoktroyierte Religiosität durch intellektuelle Kraft abzuwenden, erscheint mir als die größere Leistung.

Ich kann da gar nicht mitreden, weil meine beiden Eltern schon Atheisten waren, die mich zwar sehr tolerant auf meinen eigenen Wunsch hin zum Konfirmandenunterricht gehen ließen, aber es war für mich kein großer geistiger Kraftakt, das Pfaffengeschwurbel als Unsinn zu detektieren, da ich von zu Hause keinerlei religiöse Rituale kannte und mir keine Ehrfurcht anerzogen war.

Prantl hat es da insofern schwerer, aber er ist ja auch keine 13, wie ich damals.

Freitag, 28. März 2025

Nicht das Gute aus den Augen verlieren.

Also, die taz ist zwar immer noch völlig ZU RECHT für ihre genialen Titelseiten und Überschriften berühmt, aber heute finde ich Barbara Oertels Kommentar zum Kirchen-Exodus wenig subtil.

Aber der Reihe nach. Es gibt die ersten 2024er Zahlen zu der Mitgliederentwicklung bei der beiden großen deutschen Kirchen. Ich habe ja wenig zu lachen in dieser politischen Weltlage; da gehören die neuesten Austrittszahlen zu den wenigen positiven Highlights.

Highlights, auf die man sich wenigstens verlassen kann. Denn bei den beiden Kirchen geht es immer zuverlässig bergab.

SPON

Dieses Mal allerdings, also für das Jahr 2024, macht sich verhaltener Optimismus breit. Mehrere Bistümer melden keinen neuen Rekord. Die Kurve hat sich ein wenig abgeflacht. Innerhalb von zwölf Monaten gingen nämlich nur 1,1 Millionen Seelen flöten. Da gilt es sorgfältig zwischen Beschwichtigung und kontrollierter Panik abzuwägen. Es ist ein bißchen wie nach einer Bundestagswahl, wenn die großen Parteien jeweils acht Prozentpunkte verloren haben, aber in der Berliner Runde von Stabilisierung und Optimismus prahlen, weil sie laut einer Umfrage auch zehn Prozentpunkte hätten verlieren können und in Relation dazu, schließlich 20% besser abgeschnitten hätten.

[….] Einmal im Jahr melden die großen Kirchen die unvermeidliche Negativnachricht: Wir sind schon wieder weniger geworden. Zwar ist die Zahl der Kirchenaustritte insgesamt leicht rückläufig. Trotzdem haben die evangelische und die katholische Kirche im Jahr 2024, rechnet man Todesfälle mit ein, zusammen mehr als eine Million Mitglieder verloren.

Die Austritte allein bewegen sich mit insgesamt rund 670 000 im sechsstelligen Bereich. Wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die katholische Deutsche Bischofskonferenz (DBK) am Donnerstag gemeinsam mitteilten, gehörten Ende 2024 noch 37,8 Millionen Menschen einer der beiden großen Kirchen an. Ende 2023 waren es noch 38,9 Millionen.

Die katholische Kirche hat 321 611 Mitglieder verloren, im Jahr 2023 waren 402 694 Katholikinnen und Katholiken ausgetreten. Den bisherigen Höchstwert an Austritten verzeichnete die katholische Statistik für das Jahr 2022. Damals hatten mehr als 520 000 Menschen die katholische Kirche verlassen. Bitter für die katholische Kirche ist, dass die Gesamtzahl ihrer Mitglieder in Deutschland nun erstmals unter die 20-Millionen-Marke gesunken ist, auf rund 19,7. Und: Das Erzbistum Köln hat seinen Titel als mitgliederstärkste deutsche Diözese an das Bistum Münster verloren.

Auch die evangelische Kirche bleibt weiter auf Schrumpfkurs: Bis zum 31. Dezember 2024 waren 345 000 Protestanten ausgetreten. Im Jahr 2023 waren es 380 000. Hinzu kommen 335 000 verstorbene Kirchenmitglieder. [….]

(Annette Zoch, 27.03.2025)

Die BischöfInnen haben einen guten stabilen Humor, wenn sie angesichts ihrer offenkundigen, gerade in harten Zahlen dargelegten, gesellschaftlichen Irrelevanz, ihre gesellschaftliche Relevanz beschwören.

[….] Die Menschen hätten nach wie vor hohe Erwartungen an die Kirche, vor allem in den Bereichen Bildung, Erziehung, Caritas und soziale Verantwortung, sagt Bätzing: „Es gilt, Zukunftsfelder zu identifizieren, die nah an der Lebenswirklichkeit der Menschen sind – besonders an jungen Menschen und ihren Familien.“ [….] Kirchen würden weiterhin gebraucht, sagt auch die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs, insbesondere in diesen krisenhaften Zeiten. [….]

(Annette Zoch, 27.03.2025)

Hihi. Pflichtschuldig werden nun Überlegungen angestellt, woran es liegen mag.

Könnte es womöglich etwas mit der einmaligen Heuchelei, der antidemokratischen menschenrechtsfeindlichen Haltung und dem notorischen Drang zur sexuellen und psychischen Vergewaltigung von Kindern zu tun haben? Oder liegt es doch eher an der beispiellosen Geld- und Machtgier?

Hier kommt nun die eingangs erwähnte tazerin Oertel ins Spiel, die auch ahnt, Kinderfick**ei, sowie das hartnäckige Vertuschen und die Verhöhnung der Opfer, könnte womöglich latent Image-schädigend wirken.

[….] Ein bisschen Schwund ist immer, weiß der Volksmund, doch hier geht es mittlerweile um ganz andere Dimensionen. Beiden Kirchen laufen ihre Schäfchen in Scharen davon. [….]  Da, wo es mit dem Glauben nicht mehr so weit her ist, wird Glaubwürdigkeit immer wichtiger. Und auch die hat bei beiden Kirchen merklich gelitten. Genannt seien an dieser Stelle allen voran die zahlreichen Fälle sexuellen Missbrauchs. Von einer umfassenden Aufarbeitung kann bislang kaum die Rede sein, was die Betroffenen, aber nicht nur sie, als weitere Demütigung empfinden müssen. Ein wirkliches Bemühen, seinem/r Nächsten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sieht anders aus. [….]

(Barbara Oertel, 28.03.2025)

Aber der eigentliche Oertels-Klopfer kommt erst noch: Im Versiegen der staatlichen Mittel, hahaha, läge auch eine Chance, hihihi, man könne doch auf die vom Staat eingetriebenen Kirchensteuer-Milliarden, hohoho, verzichten, HÖHÖHÖ, und mit anderen Methoden, wie in den anderen Ländern, Einnahmen generieren, hehehe, sich selbst um das Eintrieben der Milliarden kümmern. Finanzielle Knappheit fördere die Kreativität – BRÜLL!

 Die Zehn Gebote, Jesus, den Katechismus, Gott – OK, all das mag verhandelbar sein in den Kirchen. Aber sie geben kein Geld her! Raffgier ist nun wirklich der wichtigste Daseinszweck der Religioten.

[….]  Die Gotteshäuser sind gefühlt wie real nicht gerade im finanziell niederschwelligen Bereich unterwegs.

Die Kirchensteuer hinterlässt bei Berufstätigen mit überschaubarem Einkommen durchaus ihre Spuren im ohnehin nicht prall gefüllten Portemonnaie. Auch, dass der Staat die Abgabe einzieht – ein Relikt vom Anfang des 19. Jahrhunderts – erschließt sich vielen schon längst nicht mehr. Zumal Vater Staat einen Teil des Obolus für sich einbehält. [….]. Warum nicht die Kirchen durch freiwillige Spenden alimentieren? Oder, wie beispielsweise bei Vereinen, Beiträge von den Mitgliedern direkt einziehen[….] Überhaupt: Klamme Kassen setzen ja manchmal ganz kreative Ideen frei. [….]

(Barbara Oertel, 28.03.2025)

Schade, auch Oertel kommt nicht auf den einzig naheliegenden Gedanken: Der Kirche zu ihrem schleichenden Tod zu gratulieren und den Trend endlich als positive Entwicklung zu begreifen. Stattdessen framt auch sie die Säkularisierung fälschlicherweise als etwas Negatives, das es zu bedauern gelte. Schade.