Viele
Mitglieder der „großen“ Parteien sind genau wie bei den Kirchen im Grunde
genommen nur noch Karteileichen.
Man
bleibt in dem Verein, weil man zu phlegmatisch ist auszutreten, weil man aus
jahrzehntelanger Praxis Treue gelernt hat oder aber weil man, wie in meinem
Fall seine Partei immer noch klar als das kleinste Übel identifiziert.
Schöner
wäre es natürlich, wenn man gerne, mit voller Überzeugung, oder gar mit Stolz
für seinen Verein einträte.
Weil mir
persönlicher Stolz so wesensfremd ist, habe ich womöglich ein Bedürfnis die
Leistungen eines Assoziierten wohlwollend anzuerkennen; wenn ein Freund etwas
Besonderes geleistet hat zum Beispiel.
Seine
eigenen Taten innerlich zu bejubeln, kommt mir hingegen falsch vor. Das ist
Masturbation vor dem Spiegel.
Und
schon gar nicht gelingt es mir stolz auf etwas zu sein, das rein zufällig
existiert.
Vorhin grübelte
ich wie eigentlich das Antonym zu „Patriotismus“ lautet.
Ich bin nämlich
so gar kein Patriot und kann für patriotische oder gar nationale Gefühle
(gegenüber Deutschland ODER Amerika) einfach kein Verständnis aufbringen.
Auch das Wort
„Stolz“ liegt mir nicht. Insbesondere könnte ich keinen Stolz auf eine Nation
empfinden, da ich Stolz immer mit einer eigenen Leistung verbinde.
Was aber ist
weniger ein eigener Verdienst als der Zufall wo man geboren wurde?
Wie nennt man
aber nun Menschen, die keine Patrioten sind?
Im Zweifelsfall
googlen. Eine Internetsuche spuckt folgende Begriffe aus:
Vaterlandsverräter,
Fahnenflucht, Verrat, Unzufriedenheit, Untreue, Falschheit, Wankelmut,
Unbeständigkeit, Perfidie, Nestbeschmutzer, „Jemand der sich ganz schnell verpissen
sollte. Er mag sein Land nämlich nicht“, Landesverräter,
Idiot, Zecke,..
Nun bin ich
noch unpatriotischer, nachdem ich sehe welche Konnotationen aktiviert werden, wenn man Menschen nach dem Gegenteil
von Patriotismus fragt.
Das Abstoßende
am Patriotismus ist also nicht nur das penetrante
Sich-mit-fremden-Federn-schmücken, sondern die mehr oder weniger latent damit
einhergehende Abwertung anderer Nationen, bzw der Nicht-Patrioten im eigenen
Land.
Es stimmt eben,
daß die Grenzen vom Patriotismus zum Nationalismus fließend
sind und Letzterer ist einer der destruktivsten Ismen, den die Menschheit
hervorgebracht hat.
Immer wenn die
Patriotismuskarte gespielt wird, folgt etwas Ekelhaftes. (…….)
Es kommt
selten vor, aber als Parteimitglied kann man durchaus stolze Momente
erleben.
Es war
ein erhabenes Gefühl Willy Brandt in Warschau auf die Knie fallen zu sehen, ihn
den Friedensnobelpreis empfangen zu sehen, oder Egon Bahr die fanatische
Feindschaft zu den Ostblockstaaten aufbrechen zu lassen.
Groß war
auch der Moment als 1993 die SPD-Finanzexpertin Heide Simonis zur ersten
Ministerpräsidentin in Deutschland gewählt wurde. Bis dahin der klassische
Männerjob, den nur Landesväter
übernahmen.
Stolze
Momente gab es für mich selbstverständlich auch in der Kanzlerschaft Gerhard
Schröders. Daß er überhaupt nach 16 endlosen Jahren Helmut Kohl aus dem Amt
jagte, daß er sich endlich der Zwangsarbeiterentschädigung annahm, die erste
Form der Homoehe gegen den erbitterten Widerstand Merkels einführte und insbesondere
seine klare Opposition zum Irakkrieg George W. Bushs.
Begeistert
war ich zudem davon wie enge Bande er zu Paris und Moskau knüpfte und so eine
mächtige Triangel mit zwei UN-Vetomächten gegen die Kriegstreiber GB/USA schuf.
Großartige
Politik!
Ein
weltgeschichtliches Highlight war natürlich auch der deutsche Vizekanzler der
Jahre 2002/2003. Ja, auch da empfand ich wohl eine Art Stolz, Fischer dabei zu
beobachten, wie er in der Weltpolitik bella figura machte.
Während die
CDU-Chefin schleimspurziehend auf den Knien nach Washington rutschte und mit
ihrem bellizistischen Beraterling Friedberg Pflüger erklärte, daß Deutschland
unter ihrer Führung an GWBs Seite in den Irak zöge, verkündete der ebenfalls
Irakkriegsbegeisterte Wolfgang Schäuble, daß selbst ein Schröder es nicht wagen
könne Deutschland so total zu isolieren, um an Ende im UN-Sicherheitsrat allein
mit Syrien gegen 13 andere Nationen zu stehen.
Was für eine
Fehleinschätzung.
In den Monaten
vor dem März 2003 verließ Joschka Fischer kaum noch den Regierungsairbus und
klapperte alle anderen 14 Mitgliedsstaaten des UN Security Councils ab. Er
versuchte alles, drohte, warnte, lockte.
Die
christlichste aller christlichen Regierungen im Weißen Haus, weigerte sich mit
der gewählten deutschen Regierung zu sprechen und empfing stattdessen Angela
Merkel und Roland Koch als ihre wahren Freunde.
Schäuble und
andere CDU-Außenpolitiker wie Pflüger haben sich bis heute nicht davon
distanziert, daß sie das US-Junktim an Saddam – entweder du rückst die
Massenvernichtungswaffen raus, oder es gibt Krieg – unterstützten!
Das war mal
eine tolle Alternative für jemanden, der schlicht und ergreifend die Wahrheit
sagte, daß er nämlich keine Massenvernichtungswaffen hatte!
(„Nun kann sich
ein Mann wie Schäuble wohl nicht vorstellen, daß auch mal jemand die Wahrheit
sagt“ – Volker Pispers)
Zur
Wehrkundetagung in München Januar 2003 kursierte ein George W.
Bush-Unterstützerbrief der zehn europäischen USA-Unterstützer, als
Außenminister Fischer Donald Rumsfeld entgegen schleuderte „Excuse me Sir I am
not convinced“.
Da bebte sie
wieder, die in einen Hosenanzug gezwängte uckermärkische Empörung.
Merkel,
Christian Schmidt und Pflüger, die ebenfalls im Auditorium anwesend waren,
erhoben sich und schleimten Rumsfeld mit Tränen in den Augen an, daß
Deutschland selbstverständlich die USA militärisch unterstützen würde, wenn die
CDU die Wahl (2002) gewonnen hätte.
(Ich habe die
Übertragung auf Phoenix damals live gesehen).
Fischers Erfolg
war erstaunlich, denn er zog nicht nur die beiden Vetoländer Russland und Frankreich
auf die deutsche Seite, sondern betrieb mit Dominique de Villepin und Igor Iwanow sogar de facto den
Hauptwiderstand gegen Washington.
Sie setzten Amerika mit Memoranden so stark unter Druck,
daß Merkels und Schäubles Voraussagen gegenstandslos wurden und GWB schließlich
eine geballte Mehrheit der Welt gegenüberstand.
Washington
versuchte alles, ging sogar so weit, daß Amerika zu einer der größten Blamagen
aller Zeiten hingerissen wurde.
Unter dem
persönlichen Vorsitz Joschka Fischers, trat der US-Außenminister Powell am
05.02.2003 im Sicherheitsrat auf und bereitete seiner Nation eine kaum wieder
gut zu machende Schmach, indem er log, daß sich die Balken bogen.
Nach
sieben Jahren Sigmar Gabriel lechze ich quasi nach einem kleinen Anflug des
Stolzes.
Aber die
Chancen so etwas zu erleben stehen derzeit schlecht.
Es ist
sogar noch schlimmer; immer wieder habe ich Grund mich für Nahles, Gabriel, Oppermann und Co zu schämen.
Oh
Darwin, war das peinlich, wie Gabriel in der
vorletzten Heute-Show vorgeführt wurde. Thema Subventionen für die steinreiche Automobilindustrie.
Es
handelte sich dabei nur um einen Ausschnitt aus seiner PK, in dem er gefragt
wurde, was er eigentlich einer Erzieherin, die 2000 Euro brutto verdiene, sage,
mit deren Steuergeldern nun der Kauf von 60.000-Euro-Autos mitfinanziert würde.
Gabriel pampte, diese Erzieherin könne mit einem Mann verheiratet
sein, der bei einem Autozulieferer wie Bosch arbeite.
Der Mann
redet viel, muß viel reden, da kann man nicht alles auf die Goldwaage legen,
aber inzwischen ist sein Image so ruiniert, daß sich niemand mehr über so einen
Satz wundert.
Stolz
auf meine Partei wäre ich vor allem, wenn sie in der Flüchtlingsdebatte klar
Position gegen AfD und die C-Parteien bezöge.
Aber
auch da habe ich nichts zu erwarten.
Es geht
genau in die andere Richtung.
Seit 2008 hat Hamburg
keine Afghanen abgeschoben: Eine „Senatorenregelung“ des damaligen
Innensenators Christoph Ahlhaus (CDU) gewährte ihnen pauschalen Schutz. Jetzt
hat Innensenator Andy Grote (SPD) diese Sonderregel aufgehoben. [….]
Die
Bundesregierung, der immerhin ein Sozi-Vizekanzler und ein Sozi-Außenminister
angehören, arbeitet zur Menschenabwehr mit Terror- und Folterregimen
zusammen.
Sogar in
die neue IS-Hochburg Libyen will Deutschland verzweifelte
Kriegsflüchtlinge schicken.
Und vollends
zynisch wird die
GroKo im Umgang mit dem zerstörten Talibanland Afghanistan,
das auch unter Mithilfe der deutschen Bundeswehr ruiniert wurde.
So sieht sie aus, die
deutsche Flüchtlingspolitik. Ist ja auch praktisch, Fluchtursachen müssen so
nicht mehr bekämpft werden, sondern werden einfach wegdefiniert, und das selbst
in Afghanistan. Ein Land, in dem der Bürgerkrieg schlimmer tobt als je zuvor.
Aber was soll’s, Afghanistan sei sicher, sagt der Bundesinnenminister; na gut,
vielleicht nicht überall; aber irgendwohin wird man die Flüchtlinge ja schon schicken
können.
Da kann
mal als SPD-Mitglied froh sein sich nicht zu übergeben.
Aber das
Wort „Stolz“ kann aus dem Wortschatz gestrichen werden.