Freitag, 8. August 2025

Undenkbar, unerklärbar, unfassbar

Seit Jahren denke ich immer öfter; schreibe es auch gelegentlich in diesem Blog: Wenn meine Mutter, Polit-Junkie, Außenpolitik-Spezialistin, die ihre USA so sehr liebte, daß sie körperliche Qualen litt, als George W. Bush durch seine sagenhafte Borniertheit das Land in den außenpolitischen Abgrund führte und die überglücklich war, als „ihr Amerika“ im Herbst 2008 gewann, indem es das Traumpaar Michelle und Barack Obama ins Weiße Haus schickte, heute plötzlich wieder zum Leben erweckt würde.

Wenn der liebe Gott sie zurück zu mir schickte.

Wenn ihr Tod während der Obama-Präsidentschaft, wie bei Bobby Ewing damals, nur ein blöder Traum war.

Dann würde sie mich sicher als erstes fragen, was außenpolitisch so los war, wie sich Obama noch so gemacht hätte und wer jetzt US-Präsident ist.

Wie soll ich dann die Wahl von 2016 erklären? Die Impeachments? Die Insurrection und die Wiederwahl des orangen Zerstörers 2024?

Michael J. Fox reiste in „Zurück in die Zukunft“ von 1985 ins Jahr 1955, wo man ihn interessiert fragte, wer in 30 Jahren Präsident sei. „Ronald Reagan? Der Western-Schauspieler?“ Das klang dann aber doch zu unglaubwürdig, um wahr zu sein.

Aber den stammelnden Wortsalat-Lügenbaron mit den vollgeschissenen Windeln, der in seinen vielen Vergewaltigungsprozessen einschläft, sich die Fratze mit oranger Clownsschminke vollschmiert, ein totes Frettchen auf seinen Kopf klebt und damit prahlt, wie er Mädchen an die Muschi grabscht? Wie soll ich meiner Mutter das erklären, ohne daß sie die Männer im Weißen Kittel ruft, um mich einweisen zu lassen?

Ihr „Du willst mich wohl auf den Arm nehmen?!“ kann ich förmlich hören.

Wir könnte sie mir auch glauben, wenn ich erzähle, daß Trumps wichtigster Berater ein südafrikanischer Drogensüchtiger war, der 14 Kinder in vitro zeugte und in Washington zackig „Sig Heil“-gestikulierend den Hitlergruß zeigt? Daß Trumpmerica aus nahezu allen wichtigen internationalen Abkommen und Organisationen aussteigt; die WHO, genau wie USAid oder das Pariser Klimaschutzabkommen in die Tonne tritt.

Aber auch die Schulbehörde einstampfen lässt, Abtreibung kriminalisiert und einen erbitterten Kampf gegen die US-Universitäten führt?

Wie meine Mutter glotzen würde, wenn ich ihr sage, der US-Gesundheitsminister ist ein irrer Heroin-Junkie, der seine erheblichen kognitiven Probleme mit den verkalkten Überresten eines abgestorbenen Schweinebandwurms in seinem Gehirn erklärt und alles dafür tut, um Kinderlähmung und Masern in den USA zu verbreiten.

[….] Die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen gegen Atemwegserkrankungen soll in den USA künftig keine öffentliche Förderung mehr erhalten. Das kündigte das Gesundheitsministerium von Minister Robert F. Kennedy Jr. am Dienstag an. Der als Impfskeptiker bekannte Politiker will demnach knapp 500 Millionen US-Dollar an bereits zugesagten Bundesmitteln für die Entwicklung neuer mRNA-Impfstoffe gegen Krankheiten wie Covid-19 und Grippe streichen. In einem am Dienstag in sozialen Medien veröffentlichten Video begründete Kennedy seine Entscheidung mit mehreren Falschaussagen. So behauptete er fälschlicherweise, dass mRNA-Impfstoffe nicht gegen Atemwegserkrankungen schützen würden, dass sie Viren zur Evolution trieben und eine einzige Mutation eines Virus dazu führen würde, dass die Impfstoffe ineffektiv würden. Nichts davon trifft zu.

Kennedy agiert seit Längerem gegen mRNA-Impfstoffe. Erst im Mai machte er einen Vertrag über 600 Millionen US-Dollar mit der Firma Moderna rückgängig, die mit dem Geld einen mRNA-Impfstoff gegen die in den USA grassierende Vogelgrippe entwickeln sollte.   […..]

(Christina Berndt, 06.08.2025)

Sie würde mir doch kein Wort glauben, wenn ich erzähle, daß tausende Bücher aus den US-Schulen, sowie über hundert Wörter von den Regierungswebsites verbannt wurden; darunter:

·        advocate

·        anti-racism

·        bias

·        biased

·        Black

·        breastfeed + people

·        clean energy

·        climate crisis

·        climate science

·        disabilities

·        disability

·        discriminated

·        ethnicity

·        female

·        females

·        feminism

·        gender

·        Gulf of Mexico

·        hate speech

·        immigrants

·        inclusion

·        injustice

·        LGBT

·        mental health

·        minorities

·        pronoun

·        sexual preferences

·        transgender

·        transsexual

·        trauma

·        traumatic

·        victim

·        women

·        women and underrepresented

Ich kann doch nicht ansatzweise glaubhaft machen, daß die US-Umweltbehörde EPA Treibhausgase nicht mehr als gesundheitsschädlich eingestuft.

Wie lächerlich mache ich mich, wenn ich das Folgende referiere?

[….] Bloß weg mit den unbequemen Wahrheiten

US-Präsident Trump versucht, den Klimawandel mit aller Macht zu ignorieren. Dafür lässt seine Regierung nun wohl sogar einen Nasa-Satelliten zerstören. Ein deutsches Projekt will wichtige Daten retten.   [….] Nun hat Washington die Weltraumbehörde Nasa angewiesen, ihre zwei großen Satellitenmissionen zum Überwachen klimaschädlicher Treibhausgase abzubrechen.

Die beiden sogenannten »Orbiting Carbon Observatories« messen aus dem All die Konzentration von Kohlendioxid (CO₂) und das Pflanzenwachstum rund um den Globus. Ihre Messgeräte sind teils an der Internationalen Raumstation angebracht, teils an einem eigenen Satelliten, der zerstört würde, wenn die Nasa die Mission aufgäbe.

Die Technik beider Missionen ist laut den Berichten auf dem neuesten Stand und würde den beteiligten Wissenschaftlern zufolge voraussichtlich noch viele Jahre lang funktionieren. Eine Prüfung der Nasa im Jahr 2023 ergab, dass die Messdaten von außergewöhnlich hoher Qualität waren und empfahl, die Missionen für mindestens drei Jahre fortzusetzen.

Dass die Trump-Regierung sie trotzdem plötzlich aufgeben will, legt den Schluss nahe: Washington will verhindern, dass die Informationen zur CO₂-Konzentration und dem Wachstum von Pflanzen weiter erhoben und veröffentlicht werden. [….]

(SPON, 08.08.2025)

Könnte sie mir glauben, daß Trump die US-Chefstatistikerin Erika McEntarferfeuern lässt, weil sie kompetent ist und die Wahrheit über die Arbeitslosenzahlen ausspricht? Töte den Boten – ernsthaft in den USA 2025?

Natürlich müsste ich meiner Mutter auch irgendwie verklickern, daß der oberste Verfassungshüter der USA aktiv die Verfassung, Gewaltenteilung und das Recht abschafft.

[….] Die US-Verfassung gilt als eines der wichtigsten Dokumente der Demokratiegeschichte. Als erste moderne Demokratieverfassung prägt sie bis heute das Verständnis von Gewaltenteilung, Grundrechten und Rechtsstaatlichkeit. Sie ist nahezu unantastbar: Änderungen erfordern eine Zweidrittelmehrheit im Kongress und die Zustimmung von drei Vierteln der Bundesstaaten.

Doch was, wenn dieses Dokument plötzlich manipuliert erscheint – und das unter einem Präsidenten, der den Rechtsstaat regelmäßig offen infrage stellt?

Genau das ist nun geschehen. Die US-Verfassung wurde digital verändert. Ausgerechnet in einer politischen Phase, in der Trump und seine Vertrauten offen gegen eben dieses Grundrecht Stimmung machen.

Anfang August fehlte auf der offiziellen Website der Library of Congress plötzlich der Absatz der US-Verfassung, der das Recht auf gerichtliche Überprüfung einer Inhaftierung garantiert: das sogenannte Habeas-Corpus-Prinzip. Der Passus schützt vor willkürlicher Inhaftierung und zählt zu den ältesten rechtsstaatlichen Prinzipien der USA.

Konkret fehlte laut "Rolling Stone" folgender Satz aus Artikel 1, Abschnitt 9: "Das Privileg des Habeas-Corpus-Befehls darf nicht aufgehoben werden, außer in Fällen von Rebellion oder Invasion, wenn die öffentliche Sicherheit dies erforderlich macht."  [….]

(Watson, 07.08.2025)

Das ist so komplett irre, daß ich es selbst nicht glauben kann.

Wie soll meine Mutter mir den US-Präsidenten glauben, der voller Stolz Recht und höchste Richter missachtet? Missliebige Richter verhaften lässt und einen Lynch-affinen Mordmob gegen Staatsanwälte losjagt?

[…] Elena Kagan ist bekannt dafür, dass sie mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg hält. […] Jetzt hat sich die streitbare Oberste Richterin zum politischen Geschehen im Land geäußert, und zwar überraschend deutlich. Auch wenn sie keine Namen nannte, war doch klar, dass sie den Präsidenten und seine Helfer in Regierung und rechten Internetforen meinte.

Bei einer Juristenkonferenz im kalifornischen Monterey beklagte Kagan vor zwei Wochen, dass nichts weniger als die Unabhängigkeit der Justiz in den USA in Gefahr sei. Durch hasserfüllte Kommentare im Internet zu unliebsamen Gerichtsentscheidungen, durch handfeste Gewaltdrohungen gegen Richter und durch die Missachtung von Urteilen durch die Regierung. Tatsächlich wurden einem Bericht der Washington Post zufolge zwischen März und Mai nicht weniger als 197 Richter in den Vereinigten Staaten persönlich bedroht – mehr als doppelt so viele wie im gesamten halben Jahr davor.

Wenn Richter sich nicht mehr sicher fühlen

Im Land geschähen „beängstigende Dinge“, sagte Richterin Kagan. „Richter müssen aber in der Lage sein, das zu tun, was ihre Pflicht ist: Recht zu sprechen nach bestem Wissen und Gewissen“ – ohne Angst um Leib und Leben. Kagans mahnende Worte waren nicht die ersten vom Obersten Gericht. Auch der Chef des Supreme Court, der konservative Oberste Richter John Roberts, hat bereits vor zunehmenden Nachstellungen gegenüber Richtern gewarnt. Doch war es der bisher deutlichste Verweis für die Trump-Regierung. Der ranghöchste Demokrat im Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses, Jamie Raskin, griff Kagans Warnungen jetzt auf: „Die richterliche Unabhängigkeit ist in Gefahr, wenn Richter sich nicht mehr sicher fühlen.

Tatsächlich sind es nicht nur Drohungen – so beängstigend und in manchen Fällen auch gefährlich sie sind –, die die Arbeit von Richtern in den USA behindern. Fast sofort nach ihrem Amtsantritt hat die Trump-Regierung eine beispiellose Einschüchterungskampagne gegen die unabhängige Justiz des Landes begonnen, angefangen mit Posts des Präsidenten in seinem eigenen Social-Media-Kanal gegenüber Richtern, über offizielle Beschwerdeschriften des Justizministeriums gegen einzelne US-Richter, bis hin zu Klagen gegen ganze Gerichte.

Im Mai sprach Trumps enger Berater Stephen Miller sogar von „juristischer Tyrannei“ nach einem für die Regierung negativen Gerichtsurteil. Laurie Levenson, Rechtsethikerin an der eher konservativen Loyola Law School in Los Angeles, nennt das Vorgehen der Regierung einen „Blitzkrieg gegen das Justizsystem und die Richter“.

Tatsächlich laufen wegen der zahlreichen umstrittenen Anordnungen des Präsidenten mehr als 300 Klagen. Und in den meisten Fällen, so eine Übersicht der Stanford University, ergehen richterliche Entscheidungen bisher gegen die Regierung. Doch das alles ficht Donald Trump und seine Administration nicht an. Im Gegenteil.

Die Regierung missachtet Urteile – und das wohl kalkuliert

Erst vergangene Woche hat Justizministerin Pam Bondi offiziell Untersuchungen wegen angeblichen Fehlverhaltens des Bundesrichters James Boasberg eingeleitet. Das ist der Richter, der im März die Massenausweisung von 261 Venezolanern und Salvadorianern aus den USA und deren Verlegung in ein berüchtigtes Gefängnis in El Salvador per einstweiliger Verfügung verhindern wollte. […] Im Gegensatz zu ihren Vorgängern, die stets auf die Unabhängigkeit des Justizministeriums vom Weißen Haus geachtet haben, erweist sich die Republikanerin Bondi als willfährige Helferin Trumps bei seinem Feldzug gegen die US-Justiz, von der er sich stets – aber besonders nach seiner ersten Amtszeit – zu Unrecht verfolgt sieht. […]

(Reymer Klüver, 06.08.2025)