Sonntag, 15. Juni 2025

Murmeltier-Trumpismus.

Schon vor der ersten Trump-Wahl im November 2016 gab es diese Todschlag-Skandale, bei denen man sich sicher war: Jetzt ist er erledigt. Er ist aus dem Rennen. Der kann nicht gewählt werden.

Im November 2015 (sic!) hatte er die Behinderung des New York Times-Reporters Serge Kovaleski auf offener Bühne auf mieseste Art nachgeäfft. Wer wählt jemanden zum Präsidenten, der über disabled people herzieht?

Das berüchtigte Access Hollywood tape stammt aus dem Oktober 2016. Ein Video, in dem der Präsidentschaftskandidat der Republikaner ausführlich prahlt, Frauen zu vergewaltigen: "I moved on her actually. You know she was down on Palm Beach. I moved on her, and I failed. I'll admit it. I did try and fuck her, she was married. [….] and I moved on her very heavily in fact I took her out furniture shopping. [….] I moved on her like a bitch. I couldn't get there and she was married. Then all-of-a-sudden I see her, she's now got the big phony tits and everything. [….] Look at you. You are a pussy. [….] I better use some Tic Tacs just in case I start kissing her. You know I'm automatically attracted to beautiful... I just start kissing them. It's like a magnet. Just kiss. I don't even wait. And when you're a star they let you do it. You can do anything. [….] Grab them by the pussy. You can do anything."

Das Erstaunen war also wirklich groß, als dieser Donald Trump zwar 2,5 Millionen weniger Stimmen als Hillary Clinton bekam, aber dennoch die Präsidentschaftswahl gewann, weil ihn die Christen auf dem Land überproportional gewählt hatten. Er ist der Held der Evangelikalen, wird aber auch bis heute von allen anderen christlichen Kirchen verehrt. 

Trumps Ehefrau, die abstoßend umoperierte Mailorder-bride Melania, die genau wie ihre Ehevorgängerinnen kontinuierlich von Trump betrogen wurde und miterlebte, wie er schon während ihrer Schwangerschaft mit haufenweise Prostituierten und Pornostars poppte, verteidigte ihn für das Grab‘em by the pussy-Tape. Schon vor zehn Jahren war sie ebenfalls als rassistische Birtherin bekannt. Heute wissen wir, daß sie ähnlich ungehobelt, proletig und geldgierig, wie ihr Mann ist. Sie behandelt die Angestellten im Weißen Haus grauenhaft, verabschiedete sich im Januar 2021 nicht einmal, zieht mit Fäkalsprache über ihre Pflichten her und lässt sich vollkommen ungeniert  bestechen, indem sie Trump-Krypto-Scam vertickt oder 28 Millionen Dollar „Beratungshonorar“ von Jeff Bezos für eine Fake Netflix-Doku einsteckt.

Während seiner ersten Amtszeit gab es viele dieser „Jetzt hat er es aber wirklich zu weit getrieben“-Momente. So ungeheuerliche Skandale, daß man allerseits erwartete, die Republikaner und seine Wählerbasis müssten sich nun aber wirklich von ihm abwenden. Die gebrochenen Versprechen (Obamacare, Mauer), zwei Impeachments, eine Millionen Corona-Tote, gekrönt mit der Empfehlung, aus dem Weißen Haus, man möge sich doch Desinfektionsmittel injizieren; der Crash der Wirtschaft, die Insurrektion, mehr als 30.000 Lügen im Amt, das internationale Ansehen der USA im freien Fall. Nach der verlorenen Wahl gegen Joe Biden wurde es sogar noch schlimmer: Nun war Trump völlig out of order. Die Momente der „Trump wird niemals wieder Präsident“-Gewissheit häuften sich. Die Strafprozesse, die verlorenen Zivilprozesse, die gestohlenen Akten aus dem Weißen Haus, die offene Verachtung für Demokratie und Verfassung, die Drohungen gegen Richter udnStaatsanwälte, das Missachten des demokratischen Wahlergebnisses, die Warnung von 40 der 44 engsten Mitarbeitern aus seiner ersten Amtszeit, Trump dürfe nie wieder Präsident werden, der drastische Rassismus und die immer häufiger auftretende offenkundige Senilität. 

Es war so offensichtlich: Der verurteilte Straftäter und Vergewaltiger war pleite und stand mit einem Bein im Knast. Nur mit der Präsidentschafts-Immunität würde er ein freier Mann bleiben und sich durch weltweite Einnahme von Bestechungsgeldern privat sanieren. So irre könnten die Amis ja nun wirklich nicht sein, den Alptraum zurück ins Amt zu holen.

Aber wieder retteten ihn die Christen. Evangelikale, Katholiken, Protestanten stimmten weit überproportional für den Rassisten.

Und wieder wird es nur schlimmer. Trump 2025 ist gefährlicher denn je, zertrümmert die US-Verfassung. Nun kommen die Schock-Auftritte wöchentlich, zu denen weltweit gemutmaßt wird, jetzt habe er aber endgültig dem Fass den Boden ausgeschlagen. Das ließe sich seine Partei nicht gefallen. Da müsse das Volk aufstehen. Aber nichts da. Im Kongress stimmen alle republikanischen Abgeordneten stets, wie ein Mann, für ihn und bejubeln ihn dafür, während er ihre Testikel abhacken lässt.

[….] Beinahe noch interessanter als Trump sind die Leute um ihn herum, ich nenne sie die Trumparounds. Jede Woche könnte ich einen Lieblings-Trumparound küren. Diese Woche ist es Mike Johnson, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses. Als sich das Duell zwischen Trump und dem kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom in himmlische Höhen geschaukelt hatte, sagte Johnson, man müsse Newsom „teeren und federn“. Das war eine der Lieblingsanwendungen des Ku-Klux-Klan, der brutalen Kapuzenbrüderschaft gegen die schwarzen Amerikaner. Mike Johnson gehörte früher sicher zu den Kindern, die von ihren Schulkameraden nach dem Erdkundeunterricht im Kartenraum eingeschlossen wurden. Aber vielleicht war auch alles ganz anders.  […]

(Hilmar Klute, SZ, 15.06.2025)

Zu seinem gestrigen 79. Geburtstag setzte er noch einen drauf und ließ zu seinen eigenen Ehren eine gigantische Militärparade abhalten, die an Peinlichkeit kaum zu übertreffen war.

[….] Es ist schwer, den Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Amtszeit von Donald Trump in einem Bild zusammenzufassen. Das liegt daran, dass dieser Unterschied wegen seiner schieren Größe in keinen Bildausschnitt passt. Da müssten nämlich hinein: knapp 7000 marschierende Soldaten, Dutzende Panzer, Haubitzen, Kampfjets, Bomber und Hubschrauber im Zentrum von Washington sowie ein salutierender US-Präsident oben auf der Tribüne. Die ganze Bilderstrecke dieser Militärparade steht aber für die Kernbotschaft von Trump, dem Zweiten: Fürchtet euch!

Man kennt solche Machtdemonstrationen mit schweren Waffen sonst eher aus Städten wie Moskau oder Pjöngjang. Ihr Zweck ist es, politische Gegner einzuschüchtern, im Äußeren und im Inneren. Diktatoren machen so etwas gerne, Demokraten in der Regel nicht, es sei denn, es gehört wie in Frankreich zur Folklore. Es gibt auch in den USA eine Tradition im Umgang mit solchen Paraden – nämlich die, dass so etwas hier traditionell eher nicht stattfindet.

Als Trump während seiner ersten Amtszeit die Idee von einer Militärparade in Washington aufbrachte, soll sein damaliger Verteidigungsminister James Mattis zu ihm gesagt haben, eher würde er Gift schlucken, als da mitzumachen. Trumps aktueller Pentagon-Chef Pete Hegseth hat ihm dieses Armee-Spektakel nun gewissermaßen zum Geburtstag geschenkt. Das ist der Unterschied: In Trumps erster Amtszeit hat sein Umfeld versucht, das Schlimmste zu verhindern. Diesmal hilft es ihm dabei, Amerika zu unterwerfen. [….]

(Boris Herrmann, SZ, 15.06.2025)

Die Parade war schwach besucht und so langweilig, daß Trump selbst gelegentlich wegnusselte. Natürlich prahlte Trump von 250.000 Besuchern, aber es dürften eher 25.000 gewesen sein, während USA-weit fünf Millionen Menschen bei den „No King“-Demonstrationen gegen Trumpauf die Straße gingen.

Angesichts dieser Peinlichkeit wittert eine SPIEGEL-Kolumnistin wieder einmal den Punkt, an dem doch endlich die Stimmung gegen Trump kippen müsste. 

[….] Womöglich möchte Trump, dieser Commander-in-Chief, endlich auch Kriege führen und wollte diese Absicht bei geselliger Gelegenheit – seinem Geburtstag – der Nation unterjubeln. Das Vokabular des Geburtstagskindes fiel streitlustig aus: »Eure Niederlage wird gewiss sein, euer Untergang wird endgültig sein, und euer Verderben wird total und vollständig sein.« Davon durfte sich quasi jeder angesprochen fühlen, der nicht auf Trumps Seite steht (es war bestimmt auch eine Warnung an Elon Musk). Vance wiederum richtete sich an die Soldaten und teilte ihnen mit, man würde sie nur in den Krieg schicken, »wenn es unbedingt sein müsse«.

Trump möchte sein Land uniformiert sehen, es soll nicht nur party-, sondern auch kriegstauglich erscheinen. Niemand soll nach diesem Tag daran zweifeln, dass die Armee seinen Befehlen folgt, sogar wenn diese wie ein schlechter Witz wirken. Und genauso erschienen sie. Aber die Rechnung wird wohl nicht aufgehen. Vielleicht wird diese Parade sogar zu einem Warnschuss für das Land, vielleicht lassen die Bilder von Samstag die Stimmung gegen Trump weiter kippen. [….]

(Ulrike Knöfel, 15.06.2025)

Wie schön wäre das.

Aber nachdem das Fass nun 50 mal übergelaufen ist, fehlt mir der Glaube, beim 51. Mal passiere etwas.