Wie wird
man eigentlich Bundespräsident?
Mal
abgesehen von der technischen Frage, also der Mehrheitsfindung in der
Bundesversammlung, ist man als oberster Deutscher vorzugsweise ehemaliger
Parteipolitiker, verfügt über einen guten Draht ins Kanzleramt, eckte in seinen
bisherigen Funktionen möglichst nie an, gibt sich immer sehr religiös und gilt
allgemein als harmlos.
Frank-Walter
Steinmeier gilt als Idealbesetzung. Er war und ist beliebtester Politiker
Deutschlands – so wie eigentlich alle Außenminister, wenn sie nicht durch
extreme Unfähigkeit auffallen wie Guido Westerwelle.
Mehr
Establishment als Steinmeier geht eigentlich gar nicht.
(…..) Seit zwei
Jahrzehnten sitzt er an entscheidenden Hebeln der Macht und führt das fort, was
wir fast immer im Amt des Bundespräsidenten hatten:
1.
Alt
2.
Mann
3.
Weißhaarig
4.
Ausgesprochen fromm und christlich.
Ich hatte so sehr gehofft, daß mal kein klerikaler
Geront ins Schloß Bellevue einzieht, der einmal mehr die Abgehobenheit des
politischen Betriebs repräsentiert.
1.
Mit Steinmeier, der schon als nächster Präsident der Synode der Evangelischen Kirche
gehandelt wurde, zieht schon wieder ein hardcore-Religiot ins höchste Amt der
Bundesrepublik ein.
2.
Im Juli 2016 erhielt er den
„Ökumenischen Preis der Katholischen Akademie Bayern“ für die "Kraft seiner christlicher Überzeugung."
3.
Steinmeier focht engagiert für die diskriminierende „Pro-Reli“-Initiative
gegen seine eigene Berliner Partei.
4.
Steinmeier predigte am 12.November 2014 beim Eröffnungsgottesdienst der Synode der
Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.“
5.
Laudator und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD),
Heinrich Bedford-Strohm überreichte im September 2016 den Toleranzpreis der Evangelischen Akademie Tutzing
an Steinmeier.
7.
Steinmeier forderte beispielsweise 2012 vehement und verfassungswidrig die Einmischung der Kirchen in die Politik.
Zu fromm für meinen Geschmack.
Ich halte es für nahezu ausgeschlossen, daß er eine
Art von Aufbruchsstimmung generieren könnte, die auch bisher Politikferne für
unsere Demokratie begeistern wird. (….)
Zeitsprung. Elf Monate später scheint sich meine
Prognose mustergültig erfüllt zu haben.
Der gegenwärtige Bundespräsident kommt in der
öffentlichen Wahrnehmung gar nicht vor, initiierte keine Debatten und sah teilnahmslos
der Radikalisierung im Wahlkampf, der Hetze der AfD zu.
Dem Geschrei des braunen Mobs vorzugweise in
Ostdeutschland stellte er nicht entschieden entgegen; er stützte auch nicht die
Politiker und Initiativen, die das taten.
Der „BuPrä“ geriert sich als typischer Christ.
Christen arrangieren sich mit den Verhältnissen, sehen eine höhere Macht am
Werke, glauben an einen versteckten Sinn von Grausamkeiten. Ein echter Humanist
hingegen würde sich viel mehr gegen Ungerechtigkeit engagieren, würde
aufbegehren und in dem Wissen, daß wir nur dieses eine endliche Leben haben,
alles tun, um es zu optimieren, statt still zu beten.
War Steinmeier eigentlich im Amt? Oder verfiel er in
einen neunmonatigen Winterschlaf?
[….] Nach der Bundestagswahl ist es jetzt höchste
Zeit, dass dieser Präsident zu kämpfen beginnt. Gefragt ist der Mut, hässliche
Wahrheiten auszusprechen.
[….] Nach dem
vielversprechenden Auftakt droht die Präsidentschaft des Frank-Walter
Steinmeier in diffuser Blässe zu verschwimmen. Dabei ist das Staatsoberhaupt,
das am Dienstag zum Tag der Deutschen Einheit sprechen wird, weder ein
Unsympath, noch fehlt es ihm an Ambition. [….] "Mut zur Demokratie" - mit diesem Motto hat der
Bundespräsident seine Antrittsbesuche in den Bundesländern überschrieben. Es
taugt aber nicht recht, um die Welle von Verachtung auch nur zu beschreiben,
die übers Land geht, die Entfremdung zwischen Ost und West, den Fremdenhass,
den Rückzug in Extremismus oder Islamismus und immer neue, gezielte Tabubrüche,
um den Nationalsozialismus zu relativieren. [….] Es fehlt nicht an "Mut zur Demokratie" in Deutschland, es
fehlt ein Bundespräsident mit dem Mut, hässliche Wahrheiten verständlich
auszusprechen und sich dafür notfalls beschimpfen zu lassen. [….] Man wüsste vom Bundespräsidenten zum
Beispiel gern, wo er eigentlich in der Flüchtlingsfrage steht. Oder wie er sich
erklärt, dass das völkische Denken so populär ist, gerade in
postsozialistischen Gesellschaften. Hilfreich wäre auch Wegweisendes zur Frage,
warum im reichen, protestantisch geprägten Baden-Württemberg mehr als zwölf
Prozent die AfD gewählt haben. Liegt das womöglich gar nicht an
Flüchtlingsangst, sondern an der Sorge, den Ärmsten der Welt vom eigenen
Wohlstand abgeben zu müssen? Vielleicht könnte mal jemand den autochthonen
Sachsen erklären, dass nicht-weiße Menschen mindestens so selbstverständlich zur
Bundesrepublik gehören wie sie selbst. Dieser Jemand sollte der Bundespräsident
sein, jedenfalls wenn er nicht als Pantoffeltier in Erinnerung bleiben will. Es
wird Zeit. [….]
Die Bedeutung der Bundespräsidentenwahlen wird generell
überschätzt. Weder hatten wir bisher besonderes
Glück mit den Personen, noch deuteten die Amtsinhaber auf künftige
Bundesregierungen hin, wie man auch am 24.09. mustergültig sah.
Herzogs
berühmte Ruckrede, gehalten vor genau 20 Jahren, ist in Wahrheit ein
journalistischer Popanz.
Sie wurde von der veröffentlichten
Meinung gefeiert, blieb aber völlig ohne Effekt in der öffentlichen Meinung.
Ich gehe jede Wette ein, daß kein Pegidiot auf der
Straße den Begriff „Ruckrede“ kennt.
Es ist geradezu lächerlich wie seitdem jeder
Bundespräsident mit der jährlichen „Berliner Rede“ versucht den großen Effekt
zu erzielen; wie jeder Journalist nach den folgenden 19 ruckelnden Reden die
Worte auf ihre Bedeutsamkeit abklopfte.
Das liegt in der Natur der
Establishment-Bundespräsidenten und der minimalen Macht des Amtes.
Es ist auch von den Bundestagsparteien keineswegs
gewünscht, daß der Bundespräsident die Demokratie in Deutschland wirklich
wachruckelt.
Daher wurden gute und prädestinierte Kandidaten, wie meine große Favoritin
gar nicht erst in Erwägung gezogen.
Nach neun Monaten im Schlafwagen, in denen Steinmeier
die AfD phlegmatisch geschehen ließ, nie eingriff, wenn zukünftige Bundestagsabgeordnete
mit echtem NS-Vokabular den braunen Mob auf den Straßen anheizten, von „Entsorgung
in Anatolien“ und „Stolz auf die Vernichtungszüge der Wehrmacht“ faselten,
sprach er heute also zum Tag der deutschen Einheit.
Unfassbar, aber wahr – nach 20 Jahren bemühen die
politischen Kommentatoren immer noch den ausgelutschten alten Herzog-Begriff,
der damals falsch war und heute erst recht falsch ist.
[….] Tag der
Deutschen Einheit - Steinmeiers Ruck-Rede
Lange galt Bundespräsident Steinmeier als abgetaucht. Bleibendes hat man
kaum vernommen, seit er im Amt ist. Am Tag der Deutschen Einheit fand er aber
Worte zu Themen wie Heimat und Flüchtlinge, die nachhallen könnten. [….]
Der heutige Feiertag ist ein
Selbstbeweihräucherungstag von Politikern und Journalisten, der für alle
anderen entweder zum Ausschlafen taugt, oder da er dieses Jahr auf einen
Dienstag fällt gern als vier-Tage-Wochenende für einen Kurzurlaub genutzt wird.
Niemand hört oder liest die Reden, die heute beim
zentralen Mainzer Festakt gehalten wurden.
Ich kann leider auch nicht guten Gewissens empfehlen
die Rede zu lesen.
Es ist eben Steinmeier und kein Begnadeter Rhetor wie
Helmut Schmidt oder eine geniale Analytikerin wie Herta Müller.
Er betont den Minimalkonsens der Politik und zeigt,
daß er nicht in der Lage ist out of the box zu denken. Potzblitz, er stellt
eine Spaltung der Gesellschaft fest. Nicht nur in Ost und West, sondern auch
reich und arm. Diese Zustandsbeschreibung kenne ich seit 20 Jahren. Als sehr
frommer Mann garniert er das mit vielen freundlichen Appellen.
Dazu hagelt es so viele Allgemeinplätzchen, daß man
förmlich vor sich sieht, wie Steinmeiers Redenschreiber dieses Konglomerat aus
Redundanzbausteinen zusammensetzten. Einen Effekt wird die Rede sicher nicht
haben.
[…]""Tag
der Deutschen Einheit?"" werden Sie fragen: ""Wieso
eigentlich nur einmal im Jahr? Deutsche Einheit ist doch jeden Tag""
– 365 Tage im Jahr und das seit 27 Jahren. […]
Liebe Jugendliche, Ihnen gehört die Zukunft dieses Landes! [Bitte 5 Euro
ins Phrasenschwein!]
Fragen Sie – gerade in diesem Jahr – nach dem Staatsmann, nach dem
deutschen Europäer hier aus Rheinland-Pfalz, der die historische Gunst der
Stunde ergriffen und das Einigungswerk politisch ermöglicht hat: Helmut Kohl,
der vor drei Monaten verstorben ist.
Das ist das Deutschland, in das Sie geboren wurden – ein Deutschland, das
einen weiten Weg zurückgelegt hat. [Bitte 5 Euro ins Phrasenschwein!]
[…] Meine Damen
und Herren, unser Weg muss ein Weg in Frieden und Freundschaft mit den
europäischen Nachbarn bleiben, und nie wieder ein Rückweg in den Nationalismus
sein! [Bitte 5 Euro ins Phrasenschwein!]
[…] Heute, am 3.
Oktober stellen wir fest: Ja, die deutsche Einheit ist politischer Alltag
geworden. Die große Mauer quer durch unser Land ist weg. Aber am 24. September
wurde deutlich: Es sind andere Mauern entstanden, weniger sichtbare, ohne
Stacheldraht und Todesstreifen – aber Mauern, die unserem gemeinsamen
""Wir"" im Wege stehen. [Bitte 5 Euro ins
Phrasenschwein!]
[…] Nicht alle,
die sich abwenden, sind deshalb gleich Feinde der Demokratie. [Bitte 5 Euro
ins Phrasenschwein!]
Wir sind ein vielfältiges Land. […][Bitte 5 Euro ins Phrasenschwein!]
Argumente statt Empörung brauchen wir auch und gerade bei dem Thema, das
unser Land in den letzten zwei Jahren so bewegt hat wie kein anderes – Flucht
und Migration. […][Bitte 5 Euro ins Phrasenschwein!]
Die Not von Menschen darf uns niemals gleichgültig sein. Und unser
Grundgesetz garantiert den Schutz vor politischer Verfolgung, aus guten, in
Deutschland auch historischen Gründen, an die wir uns erinnern müssen. […]
Wir müssen uns ehrlich machen […][Bitte 5 Euro ins Phrasenschwein!]
Ich bin sicher, wenn Politik sich
dieser Aufgabe annimmt, gibt es eine Chance, die Mauern der Unversöhnlichkeit
abzutragen, die in unserem Land gewachsen sind.
[…] Wenn einer sagt ""Ich versteh mein
Land nicht mehr"", dann gibt es etwas zu tun in Deutschland […] Denn verstehen und verstanden werden – das
will jeder – und das braucht jeder, um sein Leben selbstbewusst zu führen.
Verstehen und verstanden werden – das ist Heimat.
[…]Diese
Sehnsucht nach Heimat dürfen wir nicht denen überlassen, die Heimat
konstruieren als ein ""Wir gegen Die""; […] [Bitte
5 Euro ins Phrasenschwein!] Die Sehnsucht
nach Heimat – nach Sicherheit, nach Entschleunigung, nach Zusammenhalt und
Anerkennung –, die dürfen wir nicht den Nationalisten überlassen. [Bitte 5
Euro ins Phrasenschwein!]
[…] Natürlich
wurden auch Fehler gemacht in den Jahren nach 1990 – und es gibt keinen Grund,
darüber zu schweigen. […][Bitte 5 Euro ins Phrasenschwein!]
Wer in Deutschland Heimat sucht,
kommt in eine Gemeinschaft, die geprägt ist von der Ordnung des Grundgesetzes
und von gemeinsamen Überzeugungen. […] [Bitte 5
Euro ins Phrasenschwein!]
was mich so zuversichtlich macht,
sind die Millionen anderen, die anpacken, die sich für das Gelingen und den
Gemeinsinn in unserem Land täglich einsetzen.
Die – ohne, dass sie’s müssten – nach den kranken Nachbarn schauen, die im
Altersheim vorlesen oder Flüchtlingen beim Ankommen helfen. Die
Alleinerziehenden vielleicht einen freien Nachmittag schenken […]