Susann Link besprach gestern in ihrem Presseclub wieder einmal das unangenehme Thema „Wie kann ein Land nur so dermaßen dämlich stümpern und von seiner Idioten-Regierung in die Grütze gefahren werden?“
Na, schön, das waren jetzt meine Worte. Der eigentliche Titel lautete „Job-Krise Made in Germany - welche Arbeitsplätze haben Zukunft.“ Als Gäste waren neben meiner geschätzten SZ-Wirtschaftschefin Lisa Nienhaus, gleich drei konservative Knochen geladen:
Julia Löhr, Wirtschaftskorrespondentin der Frankfurter Allgemeine Zeitung, der ehemalige von der Leyen-Redenschreiber Peter Müller, heute Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen und Julian Olk vom Handelsblatt. Mit Ausnahme von Nienhaus, alles Vertreter der Redaktionen, die für Merz und Reiche trommeln. Also wahrlich kein Quartett nach meinem Geschmack. Ich sah mir die Sendung natürlich trotzdem an, weil Link das üblicherweise hervorragend macht und ich wissen wollte, wie die vermeidlichen CDU-Fans eigentlich diesen aberwitzigen Söderschen-Verbrenner-Wahn rechtfertigen. Wie man den Merz/Reiche-Kurs zurück in die 1980er, mit Uralt-Methoden auf Kosten des Klimas, Politik zu machen, verteidigen kann.
Den 97. Autogipfel einzuberufen, auf dem die Totalversager-Manager nach dem Staat rufen und ihnen Zucker in den Hintern geblasen wird.
Aber zu meiner Überraschung passierte das gar nicht. Im Gegenteil; es herrschte Einigkeit in der Bestandsanalyse:
Deutsche Konzerne haben über Jahrzehnte von mehreren Faktoren profitiert:
· Um autarke Energieversorgung müssen wir uns nicht kümmern, wir haben immerwährend billiges Gas von Putin.
· Um autarke Verteidigungsfähigkeit müssen wir uns nicht kümmern, die USA beschützen uns kostenlos.
· Um Innovationen müssen wir uns nicht kümmern, weil wir ja viel bessere Autos als andere Länder bauen.
· Um die schwache Binnennachfrage müssen wir uns nicht kümmern, weil wir Export-Fantastilliarden im Mega-Markt China abkassieren.
Es herrschte Einigkeit in der Fehleranalyse:
· Die Auto-Manager haben am Mark vorbei produziert, sich nicht dafür interessiert, was deutsche Käufer wünschen.
· Die Auto-Manager haben wichtige Trends, vollelektrische Antriebe, Batterien, Software, total verschlafen.
· Die Auto-Manager haben allein 30 Milliarden Euro bei ihrem kriminellen Dieselskandal aus dem Fenster geworfen.
· Die Auto-Manager haben im Rausch der sprudelnden Gewinne extrem über ihre Verhältnisse gelebt, die überteuerten Autos mit sinnlosem Schnickschnack vollgestopft. VW spendierte seinem Chef Winterkorn für 60.000 Euro eine Heizung für seinen privaten Koi-Teich.
Kein vernunftbegabter Menschen kann das populistische Söder-Geschwafel, der mit seinem antigrünen 10-Punkteplan für den VerbrennerWahlkampf macht, gutheißen. Die konservativen Wirtschaftsfreunde wissen natürlich auch, daß Unternehmer stabile Rahmenbedingungen, Freiheit von Regulierungswut und Planungssicherheit brauchen. Wenn schwarze, gelbe und braune Politiker den Wählern suggerieren, sie müssten sich doch nicht an E-Autos gewöhnen und sich um Wall-Boxen kümmern, sondern könnten entgegen des Restes der Welt und entgegen aller globalen und europäischen Verpflichtungen, doch ewig weiter Benziner fahren, helfen sie damit nicht der deutschen Autoindustrie, sondern versetzen ihr den Todesstoß. Das Verbrennerzeitalter ist, genau wie die Atomkraft vorbei. Deal with it.
Wer das nicht begreift, sich gegen die Globalisierung stellt und sich gleichzeitig etwas darauf einbildet, eine Exportnation zu sein, muss untergehen.
Autokonzerne verteilen die Milliarden lieber an überreiche Shareholder, statt an ihre eigene Zukunft zu denken. Mindestens 60 Milliarden Euro versenkte Daimler-Benz bei seinem Größenwahnprojekt der Unterjochung von Chrysler und Mitsubishi.
Auch die 30 Milliarden, die bei Dieselmanipulationen draufgingen, fehlen natürlich bei der Entwicklung neuer Ideen. Die Verbraucher möchten ein zuverlässiges E-Auto, das unter 25.000 Euro kostet. Deutsche Konzerne können das nicht. Wollten das auch nicht, weil ihnen die Gewinnmargen dann zu niedrig sind. Blöd nur, daß andere Hersteller in Asien, aber auch Stellantis, längst die Lücke ausfüllen.
Und warum, zum Teufel, müssen neue Autos so abgrundtief
häßlich sein? Ich habe mein letztes Auto vor 25 Jahren gekauft. Lebensnotwendig
war die Neuanschaffung damals nicht, aber ich finde es (immer noch)
designerisch sehr gelungen und mochte es sofort. Ich fahre es unter anderem
jetzt immer noch, weil ich alle denkbaren Alternativen so furchtbar häßlich
finde, daß sich in mir alles dagegen sträubt, so viel Geld auszugeben. So lange
es nicht unbedingt sein muss.
[….] Hilfe, wieso werden die Autos immer hässlicher? [….] Am Mittwoch ist die Porsche AG aus dem Dax geflogen. Der kriselnde Autohersteller gehört also nicht mehr zu den 40 wertvollsten Börsenunternehmen in Deutschland. Übrigens: Wollte nicht ein gewisser Wendelin Wiedeking als Porsche-Chef Mitte der Nullerjahre den VW-Konzern schlucken? Das alles ist verrückt genug – und auch ein Hinweis darauf, wie groß die Krise der einst ruhmreichen, jetzt bisweilen desorientiert bis depressiv wirkenden deutschen Autoindustrie ist. Abgrundtief. [….] Offenbar zieht VW die „Notbremse beim Design seiner Elektroautos“, meint t-online: „Statt futuristischer Linien soll es künftig wieder mehr klassische VW-Optik geben.“ [….] Jetzt noch mal in Ruhe unter uns „Early Adopters“: Der, sagen wir mal, ID.3 ist also zu futuristisch und zu extravagant gestaltet? Bisher dachte man eigentlich, dass dieses Auto aussieht wie die unglückliche Liaison zwischen einer Badewanne auf Rädern und einem durch und durch antiextravaganten Formgemisch der Beliebigkeit, das auch hinter jedem, wirklich jedem anderen Auto stecken könnte. [….] Das war zu futuristisch? War es nicht im Gegenteil zu banal, zu gestrig und zu unentschlossen? [….] Seit geraumer Zeit ist die deutsche Autoindustrie im Land von Bauhaus, Ulmer Schule und Braun-Design – weltweit einst führend in der Ästhetik der Technik – dabei, für immer mehr Geld immer größere, immer dümmere und leider auch immer hässlichere Blechblähbeulen zu fabrizieren. [….] Autos voller Eleganz und Anmut sind Autos von gestern. [….] Wie wäre es damit: Einfach mal ein radikal modernes und radikal schönes, schlichtes und elegantes Auto bauen, nicht zu groß und nicht zu teuer. Aber das ist vermutlich eine futuristische und extravagante Idee. [….]
Diesen Idioten-Managern darf man nicht hinterherrennen, sondern muss ihnen klare Vorgaben machen. Auch gegen ihren Willen, müssen sie manchmal zu ihrem Glück gezwungen werden! Was war das für ein Geschrei vom Ende der deutschen Autoindustrie, wenn man auf bleifreies Benzin verzichte und sie zwinge die doofen Katalysatoren einzubauen! Aber die Wirtschaftsbosse lagen allesamt falsch, die Politiker richtig.
Mercedes, VW und BMW brauchen heute Klartext aus Berlin und keine Speichellecker.
Umso peinlicher, daß nicht einmal die Grüne Fraktionsvorsitzende davor gefeit ist, den Managerversagern nach dem Mund zu reden und dabei den Klimaschutz mit Füßen tritt.
[…] Am Dienstag beginnt die Automesse IAA in München – und Deutschland
debattiert, ob die Autowirtschaft sich wirklich in die Zukunft bewegen muss.
Zwischendurch zeigte sich selbst die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion,
Katharina Dröge, offen für eine Verschiebung des Verbrenner-Aus.
Bislang ist vorgesehen, dass in der Europäischen Union ab 2035 keine Autos mehr zugelassen werden dürfen, die klimaschädliche Emissionen verursachen. Einige EU-Mitgliedstaaten waren schwer zu überzeugen. Deutschland etwa – damals unter der Ampelregierung – bestand auf einer unsinnigen Ausnahmeklausel für Pkw, die ausschließlich CO2-neutrale E-Fuels tanken können.
Am Ende aber kam die Regelung durch und bedeutete praktisch: Neue Verbrenner gibt es ab 2035 nicht mehr. Ein klimapolitischer Großerfolg, auch wenn ihn sich Klimaschützer*innen zu Recht noch ein paar Jahre früher gewünscht hätten.
Den Fortschritt wieder umzukehren, hat etwa CSU-Chef Markus Söder gerade in der Bild am Sonntag gefordert. Die Europäische Volkspartei (EVP), der CDU und CSU angehören, will das ohnehin schon lange. Am Sonntagabend wies dann Grünen-Fraktionschefin Dröge in der ARD darauf hin, der Grünen-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg, Ex-Bundesagrarminister Cem Özdemir, habe gesagt: „Ob ein Jahr früher oder später, das ist nicht die Frage. Und ich finde: Das ist auch nicht die Frage.“ [….]