Das war was, als Spaßparteichef Guido Westerwelle im Jahr 2009 den erst 30-Jährigen Christian Lindner zum Bundesgeneralsekretär machte. Immerhin hatte die FDP gerade erst fast 15% bei der Bundestagswahl geholt, stellte fünf Minister in der schwarzgelben Koalition und war nun Regierungspartei der viertgrößten Wirtschaftsmacht der Welt. Klein Lindi schien zwar eben erst dem geliehenen Mercedes und der Kuh-Krawatte entwachsen, war aber schon als 16-Jähriger der Partei der Besserverdienenden beigetreten, von 1996 bis 1998 Landesvorsitzender der Liberalen Schüler NRW, ab 2001 Landtagsabgeordneter in NRW, sowie ab 2004, 25-Jährig, FDP-Landesgeneralsekretär.
Mit 18 Jahren arbeitete der Schrecken der Schwiegermütter als selbsternannter „Unternehmensberater“, kaufte mit 19 Jahren seinen ersten Porsche, stieg in den privaten Stromhandel ein und gründete die Internetfirma Moomax GmbH.
Unternehmerisch gab er den Trump ohne reichen Papi. Alles was er anfasste, ging Pleite, es fehlte nur der Milliardär-Papi, der ihn raushaute.
Im Jahr 2000 setzte er Millionen mit seiner Totgeburt-Firma MOOMAX in den Sand und brummte die Schulden einfach der KfW-Bank auf.
Daher das zweite Standbein Politik, in der er das Großsprechertum der Guidomobil-Ikone Westerwelle schon als Teenager perfekt adaptiert hatte: „Probleme sind nur dornige Chancen“ und er wolle im Gespräch überzeugen „durch Kompetenz, die nicht akademisch domestiziert ist“. Welcher gestandene Unternehmer würde nicht liebend gerne seine Firma in die Hände eines Schülers in Leih-Limousine mit solchen Sprüchen legen? Absolut eigenartig, daß Lindi nicht zum zweiten Roland Berger aufstieg.
Solche Typen kommen natürlich an, in der Partei der hepatitisgelben Besserverdiener. Akademische Bildung ist dort ohnehin nicht notwendig, da es nur um Populismus und Rudimente von Wirtschaftspolitik geht.
Der Markt regelt alles, Steuern senken, Transferleistungen abschaffen, freies Unternehmertum, Trickle Down und das tun, was die 100 reichsten Männer der Republik von einem wünschen. Sozial- oder Klimapolitik ist nur was für Memmen.
Lindner musste sich nie ändern. Als Teenager mit Kuhkrawatte, als Generalsekretär-Twen und als über 40-Jähriger Bundesparteichef setzte er konstant auf die Westwellesche Voodoo-economics: Steuern senken, Verschuldung senken und gleichzeitig den Etat sanieren.
Der kleine Schönheitsfehler ist nur: In der echten Realität funktioniert es nicht, mehr wegzugeben und gleichzeitig mehr übrig zu behalten.
Die oppositionelle Politik der Forderungen und Versprechen, ohne zu erklären, wo das Geld herkommen soll, funktioniert in der Regierungsverantwortung natürlich nicht. Da gibt es immer brutale Kollisionen mit der Wirklichkeit.
Aber für den Fall entwickelte Lindner die Strategie des Schnell-Wegrennens. So wie er sich aus dem Staub machte, als seine Firmen pleitegingen, macht er sich auch stets aus dem Staub, wenn die FDP regierte oder kurz vorm Regieren stand. Offenbar ist er klug genug, um zu verstehen, daß die FDP-Voodoonomics für den Wahlkampf taugen, aber in der praktischen Politik nutzlos und kontraproduktiv sind.
(….) Lindner wollte die Sondierungen [2017 zu Jamaika] von vorn herein gegen die Wand fahren lassen; suchte nur nach einem Vorwand.
[….] So wirkte es in der Tat. Christian Lindner hatte ein vorgeschriebenes Statement parat, es gab Sharetags im Internet, die quasi zeitgleich mit dem Abbruch der Gespräche verbreitet wurden. Aber es ist jetzt auch egal, ob die FDP am Sonntagabend oder schon vor drei Wochen entschieden hat, Jamaika scheitern zu lassen. [….]
(Robert Habeck in der FAZ, 20.11.17)
32% der Bundesbürger geben laut ARD-Umfrage Christian Lindner die Schuld. Noch mehr sind es laut SPON-Umfrage. Mehrheit sieht FDP-Entscheidung kritisch. Eine eigentümliche Koalition aus CSU, Grünen und CDU, die mit wütend bebenden Fingern auf die FDP zeigt. Das sei eine gut vorbereitete Spontanität, mit der die FDP sich vom Acker gemacht habe, merkte CDU-Vizin Klöckner an. Linders Flucht vor der Verantwortung wächst sich zu seinem Hauptcharaktermerkmal aus. Schon im Jahr 2000 nach seiner Moomax-Pleite lief Lindner weg und stand nicht für sein finanzielles Desaster gerade.
[….] Unter dem Motto „Leistung muss sich wieder lohnen“ hatte der blutjunge Lindner nach seinem Landtagseinzug 2000 mit seinem Bekannten Hartmut Knüppel am 29.Mai 2000 die Internet-Firma „Moomax“ gegründet. Das Internet boomte und der schlaue Lindner wollte ein großes Stück vom Kuchen. Er brachte 30.000 Euro Eigenkapital auf und holte sich weitere 1,2 Millionen Euro von der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau. Der Erfolg war rekordverdächtig. In nur 18 Monaten hatte Lindi das gesamte Kapital verbrannt.
[….] Das ganz dolle Team "von Informatikern, Drehbuchautoren, Psychologen, Linguisten, Journalisten und Betriebswirten" wird sich jetzt wohl was anderes suchen müssen, weil der Markt für Avatare, offen gesagt, ziemlich tot ist. [….]
Knüppel und Lindner wurden gefeuert. Der Staat blieb auf den 1,2 Millionen Linder-Miesen sitzen, für seine Eselei blecht nun der Steuerzahler und Lindner machte Karriere in der Marktwirtschaftspartei FDP. [….] Lindner gründete noch die zunächst als knüppel lindner communications gmbh firmierende Unternehmensberatung Königsmacher GmbH, die er auch sofort in den Sand setzte.
[….] Was Parteichef Andreas Pinkwart als "Achterbahnfahrt der New Economy" beschrieb, ist für Lindner peinlich. Seine Internet-Firma Moomax GmbH ging nach 17 Monaten mit dem Neuen Markt unter. Dabei verflüchtigten sich weit über eine Million Euro öffentlicher Fördergelder. Andere Lindner-Firmen, wie die Unternehmensberatung "die Königsmacher GmbH", kamen erst gar nicht gut genug in Gang, um so viel Geld verbrennen zu können.
Immerhin brachte es der Porsche-fahrende Zivildienstleistende durch seine politischen Verbindungen bis zum Luftwaffen-Hauptmann der Reserve!
[….] Die Beförderung zum Hauptmann erfolgte im September 2011 durch den Verteidigungsminister de Maiziere persönlich. Freunde muß man haben. Politisch war Lindner bekanntlich ähnlich erfolgreich! Unter seiner inhaltlichen Führung als FDP-Generalsekretär surrte die FDP von 15% auf 4% zurück. [….]
(Des Wahnsinns fette Beute, 08.04.2012)
2011, als die schwarzgelbe Bundesregierung strauchelte, die er 2009 mitorganisiert hatte, lief er weg, warf sein Generalsekretäramt hin.
Als die FDP bei der Nordrheinwestfälischen Landtagswahl am 14.05.2017 in Lindners Heimatbundesland sagenhafte 12,6% errang und sich zur allgemeinen Überraschung eine komplette Ablösung von RotGrün ergab, lief Lindner wieder weg, wollte als Landtagsfraktionsvorsitzender keinesfalls ein Ministeramt übernehmen oder der Regierung angehören.
Landtagswahl in Niedersachsen am 15.10.17, die SPD schneidet überraschend gut ab, aber ganz knapp reicht es nicht für Rotgrün. Um die verhasste Groko zu vermeiden, möchte die amtierende rotgrüne Minderheitsregierung eine Ampel mit der FDP bilden. Lindners Jungs laufen wieder weg, entziehen sich der Verantwortung, wollen um keinen Preis in eine Regierung eintreten.
Und nun, am 19.11.17 kurz vor Mitternacht, man hatte sich fast mit Union und Grünen geeignet, steht Lindner wortlos auf und läuft weg. Der Hepatitisgelben mutieren von der Partei der Besserverdienenden über den Status der Null-Themenpartei zur Eskapismuspartei.
Lindner geht es um - Lindner
FDP-Chef Christian Lindner hat sich aus der Verantwortung gestohlen und leichtfertig mit Grundsätzen deutscher Politik gebrochen. […..]
(Antje Sirleschtov, Tagesspiegel, 20.11.17)
(FDP, die Eskapisten, 20.11.2017)
Weglaufen macht Sinn, wenn man nicht regieren kann. Es ist wenig überraschend, daß einer konzeptlosen Altherren-Klientelpartei, deren Beitrag zu den Koalitionsverhandlungen eine einzige Njet-Orgie war (kein Tempolimit, kein Bürgergeld, keine Maskenpflicht, keine Impfpflicht, kein Ende der Privatversicherungsprivilegien, keine Vermögenssteuer, keine höhere Erbschaftssteuer, kein höherer Spitzensteuersatz), das Regieren nicht bekommt.
Saarland 2009: FDP gewinnt 9,2%, geht ein Jamaika-Bündnis ein, scheitert in der Regierungsarbeit so katastrophal, daß CDU-MP Kramp-Karrenbauer, die Koalition vor dem nächsten Wahltermin aufkündigt. Bei den Neuwahlen 2012 pulverisiert sich die FDP auf 1,2%.
Bund 2009: FDP gewinnt 14,6%, geht ein schwarzgelbes Bündnis ein, scheitert in der Regierungsarbeit so katastrophal, daß Chef Westerwelle abtritt, General Linder hinwirft. Bei den nächsten Wahlen 2013 pulverisiert sich die FDP auf 4,8%.
Schleswig-Holstein 2017: FDP gewinnt starke 11,5%, geht ein Jamaika-Bündnis ein, scheitert in der Regierungsarbeit so katastrophal, daß sie bei den nächsten Landtagswahlen 2022 pulverisiert bei nur noch 6,4% aufschlägt und nicht mehr gebraucht wird.
NRW 2017: FDP gewinnt starke 12,6%, geht ein schwarzgelbes Bündnis ein, scheitert in der Regierungsarbeit so katastrophal, daß sie bei den nächsten Landtagswahlen 2022 pulverisiert bei nur noch 5,9% aufschlägt und die alte Koalition Geschichte ist.
Es ist deutlich ein Muster: Die FDP hat außer lauten Sprüchen nichts zu bieten. Für die Opposition und Wahlsiege reicht das. Wenn sie sich aber in praktischer Politik als Regierungspartei beweisen soll, geht es ganz schnell drastisch hinab, weil der Urnenpöbel nun doch bemerkt, was für windige Hallodris die Hepatitisgelben sind. Christian Lindner war daher auch kein Fand der Ampel. Er ahnte; wenn erst einmal der Focus der Öffentlichkeit auf dem Handeln ihrer Minister liegt, geht es bei den nächsten Wahlen wieder drastisch bergab. Regieren bekommt der FDP ganz und gar nicht.
[…] Am Montagmittag, nach der Wahl, meldet sich Johannes Vogel. Auf die Frage, wie es so geht, sagt der FDP-Parteivize am Telefon: "Politisch gab's geilere Tage." Dass seine Partei 100 000 Wähler an die Grünen verloren hat, beschäftigt ihn, genau wie die Frage, warum die FDP zuletzt so schlecht abschnitt, egal in welcher Regierungskonstellation. […]
(Constanze von Bullion und Henrike Roßbach, 17.05.2022)
Viele Beobachter, auch ich, wunderten sich, als die FDP 2021 bei der Bundestagswahl zweitstärkste Kraft bei den Erstwählern wurde. Was finden 18-Jährige an Lindner und seinen Seifenblasensprüchen, die so offensichtlich substanzlos sind?
Die Antwort ist, daß die ganz Jungen mangels Erfahrung alle Parteien für gleich glaubwürdig halten. Sie wissen noch nicht, daß Lindner nur ein politisches Soufflee ist, welches sich in der Hitze des Wahlkampfs fürchterlich aufbläst, dem aber sofort alle Luft einweicht, wenn man einmal anpikst.
Lindner kennt das Drama schon aus der Bundesregierungszeit von 2009 bis 2013. Mal sehen, wann er wieder die Beine in die Hand nimmt und sich aus dem Staub macht.
[….] Die Beteiligung an der Bundesregierung, so argumentierten Parteistrategen, werde den Liberalen genug öffentliche Aufmerksamkeit bescheren. Und Wählerinnen wie Wähler würden solide Regierungsarbeit honorieren - in der Finanzpolitik, vor allem aber bei der gesellschaftspolitischen Modernisierung des Landes. So lautete der Plan, von dem sich Parteichef Christian Lindner auch bei der Wahl der Ressorts in Berlin leiten ließ. Drei Landtagswahlen später aber ist die FDP krachend in einer Realität aufgeschlagen, in der sie wieder gefährlich nahe an der Fünf-Prozent-Hürde liegt (Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen) oder nicht mal ins Parlament einzieht (Saarland). [….]