Mittwoch, 14. November 2012

Kleine Freuden.



Nichts ist ideal.

Ich schimpfe auf die SPD, bin aber Parteimitglied.
Ich meckere am SPIEGEL rum, behalte aber mein Abo.
Ich verdamme die Religiösität der ZEIT, lese sie aber weiterhin.
Ich verachte viele Aspekte der Obama-Politik, wollte aber unbedingt, daß er wiedergewählt wird.
Ich bekomme jeden Morgen das „Hamburger Abendblatt“ von SPRINGER, obwohl ich fast alle Artikel ungelesen wegschmeiße.

Ich tue das alles, weil es entweder gar keine, oder nur viel schlechtere Alternativen gibt.

Es macht doch noch einen großen Unterschied, ob die SPD oder die CDU die Regierung stellt, auch wenn einige auf Sozialtransfers Fixierte wegen Hartz IV behaupten, das sei alles eine Soße.
Das ist eine These, die ich vehement ablehne.

Außer der Höhe des Hartz-IV-Satzes gibt es noch einige andere wichtige Dinge, für die auch die Integrität und der Anstand der handelnden Politiker entscheidend sind.
Schwarzgelb läßt sich dabei vorzugsweise kaufen und weiß eben nicht mehr was Anstand ist.

Es gibt Dinge, die vielleicht ökonomisch opportun sind, für die aber gilt „das tut man nicht!“
Dazu zählt der Export von dementen Omen und Open nach Osteuropa, Waffenverkauf in Krisengebiete und Shareholder-Value auf dem Rücken von Billigarbeitern.
Angela Merkel ist die Aufrüstungskanzlerin
„2011 hat die Bundesregierung so viele Rüstungsexporte wie noch nie zuvor genehmigt, im Gesamtwert von 10,8 Milliarden Euro. Angela Merkel ist die Aufrüstungskanzlerin. Seitdem sie regiert, ob nun mit FDP oder SPD, bricht sie alle Rekorde bei den Waffenexporten. Im Durchschnitt wurden in jedem ihrer Regierungsjahre Exportgenehmigungen im Wert von über 8 Milliarden Euro erteilt“, kritisiert Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, anlässlich des Kabinettsbeschlusses über den Rüstungsexportbericht 2011. „Dieses Geschäft mit dem Tod geschieht praktisch ohne jede parlamentarische Kontrolle, von der Möglichkeit eines Eingreifens des Souveräns ganz zu schweigen.“ Van Aken weiter:
„Deutschlands Beitrag zum Arabischen Frühling sind Waffen, Waffen, und noch mehr Waffen: Unter den Top 20 der Empfänger deutscher Rüstungsgüter sind gleich fünf Länder aus Nordafrika/Naher Osten: VAE (Platz 3), Irak (6), Algerien (8), Saudi-Arabien (12), Ägypten (18).

Es ist unchristlich, die Welt so hemmungslos aufzurüsten. Wer Waffen in Krisengebiete und an Diktaturen verkauft, macht sich mitschuldig an Unterdrückung, Menschenrechtsverletzungen und vielen Kriegstoten. Diese Regierung möge vor Scham im Boden versinken, wenn sie auch nur noch einmal von Abrüstung oder Menschenrechten spricht.
Wie wenig Beschränkungen es bei den Waffenexporten gibt, zeigt sich übrigens an der Zahl der Ablehnungen: Gerade mal 0,005 Prozent der Anträge (105 von 17.586) wurden nicht genehmigt.
DIE LINKE fordert, dass Deutschland nach japanischem Vorbild Waffenexporte generell unterlässt. Als erster Schritt dazu muss sofort jeder Export von Waffenfabriken und Kleinwaffen grundsätzlich verboten werden.“

(Jan van Aken, PM Linke Bundestagsfraktion 14.11.12)

Genehmigungen für Rüstungsexporte wachsen  explosionsartig
Der Anstieg der Rüstungsexportgenehmigungen durch die Bundesregierung  verdeutlicht einmal mehr, dass die sogenannte „Merkel-Doktrin“ offenbar ihre Wirkung entfaltet. […] Damit zeigt sich, dass die schwarz-gelbe Koalition den Export von  Rüstungsgütern offensichtlich als ganz normales Instrument zur Gestaltung  ihrer Außen- und Sicherheitspolitik betrachtet. Bedenken hinsichtlich einer  instabilen Sicherheitslage oder Verletzungen von Menschenrechten werden immer  weiter in den Hintergrund gedrängt.
Es wird höchste Zeit, dass die Rüstungsexportrichtlinien, die die Genehmigung von Rüstungsexporten an klare Vorgaben knüpfen, endlich wieder Beachtung finden. Schwarz-Gelb hat diese Richtlinien trotz verbaler Lippenbekenntnisse seit 2009 kontinuierlich missachtet und die  Öffentlichkeit getäuscht. Ob Panzergeschäfte mit Saudi-Arabien oder  Indonesien: Die Hemmschwelle für solche höchst fragwürdigen Geschäfte   wurde immer weiter herabgesenkt.
(SPD-PM Nr: 1256 vom 14.11.12)

Leitlinie der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung bleibt: Alles, was die Bundeswehr im Inland weniger bestellt, wird von Schwarz-Gelb sofort auf den globalen Waffenmarkt geworfen. Die Kanzlerin und ihr Kabinett genehmigen nicht nur fragwürdige Geschäfte. Schlimmer: Indem sie die Verträge großzügig mit Bürgschaften absichern, nehmen sie den Firmen auch noch das reguläre wirtschaftliche Risiko ab.
Es ist schon traurige Tradition: Die Bundesregierung hält die Informationen über ihre Rüstungsexportpolitik solange wie möglich zurück, da sie ihr selbst offensichtlich unangenehm ist. Frau Merkel versucht ihre lockere Genehmigungspraxis neuerdings mit diffusen sicherheitspolitischen Erwägungen zu rechtfertigen, dahinter stecken aber nur die Beharrungstendenzen der Rüstungsindustrie. "Mehr Klarheit, mehr Wahrheit" sollte die Devise sein. Wir brauchen endlich transparente Verfahren, die die Bundesregierung veranlassen, ihre Entscheidungen öffentlich zu begründen und parlamentarische Kontrolle zu ermöglichen. Und zwar nicht erst Monate nachdem diese Entscheidungen getroffen wurden. Nur so kann eine restriktive Exportpolitik, wie sie eigentlich in den Richtlinien der Bundesregierung angelegt ist, wirklich durchgesetzt werden.
(Katja Keul, Grüne PM 0994 vom 14.11.12)
Wer über Rudimente von Anstand verfügt, weiß daß eine einigermaßen moralisch agierende Bundesregierung nicht so handelt.

Jakob Augstein hat dazu anlässlich des Grünen Durchmarsches in Stuttgart (und BW) ein paar treffende Sätze formuliert.
Die Grünen sind für die Moderne zuständig, die CDU für das Ressentiment. Darum siegt die Öko-Partei in Stuttgart. Und die Union führt Wahlkampf auf dem Rücken von Asylbewerbern.
Die Nächte sind jetzt kalt. Aber die Berliner Polizei ist noch kälter: Sie hat den Asylbewerbern, die seit Tagen vor dem Brandenburger Tor ausharren, die Decken weggenommen. Nach Polizeiangaben verstoße der "Einsatz von Übernachtungs-Utensilien" gegen geltendes Recht. So geht eine CDU-geführte Behörde gegen die Ärmsten der Armen vor. Das passt. Gleichzeitig hat Merkels Innenminister Friedrich den Kampf gegen angeblichen Asylmissbrauch entdeckt. Er will Sinti und Roma daran hindern, nach Deutschland zu flüchten. Trotz allen Geredes von der modernisierten Union: CDU und CSU sind immer noch die Parteien des Ressentiments.
[…] Die Grüne Claudia Roth musste nicht übertreiben, als sie am Wochenende sagte: "Zur Union fällt mir Mappus ein, fallen mir Plagiate ein, fällt mir die Art und Weise ein, wie sie mit Griechenland in der Euro-Krise umgehen. Das ist alles andere als bürgerlich und anständig." Das ist das Problem der Union: Vom Plagiator Guttenberg über den Schnäppchenjäger Wulff bis zum Innenminister Friedrich, der seinen Wahlkampf auf dem Rücken von Sinti und Roma führen will, hat die Union vergessen, was sich gehört.
Stichwort Antiziganismus.

Rund 500.000 „Zigeuner“ sind von Deutschen bis 1945 in Konzentrationslagern umgebracht worden.
 Es waren Opfer zweiter Klasse, die genau wie Deserteure und Schwule vielfach bis heute keinerlei Entschuldigung oder Anerkennung erhalten haben. 
Es dauerte fast 70 Jahre bis sich Deutschland bequemte der halben Million umgebrachter Sinti und Roma ein Mahnmal zu errichten.
Erst 1982 sprach der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt den Sinti und Roma den Opferstatus zu, fast vierzig Jahre nach Kriegsende.  [….] Das Allensbacher Institut [ermittelte]: 68 Prozent aller Deutschen lehnen es ab, neben einer Zigeunerfamilie zu wohnen. Weil sie fürchten, bestohlen zu werden; weil sie glauben, dass von Zigeunern eine irgendwie ungute Schwingung ausgeht. Vielleicht auch, weil den Deutschen trotz Zigeunerbraten, Zigeunersoße und Zigeunerbaronen kein Volk so fremd vorkommt wie das der Sinti und Roma. 'Wir sind die Minderheit, die die größte Xenophobie auf sich zieht', sagt [der Vorsitzende des Landesverbands der Sinti und Roma in Baden-Württemberg]  Daniel Strauß, 'der gesellschaftliche Antiziganismus ist nach wie vor salonfähig.'
(SZ 24.05.12)
 Während die immer noch wenigen Juden in Deutschland (genaue Zahlen kennt man nicht, vermutlich leben aber wieder rund 200.000 Juden hier) öffentlich willkommen geheißen werden, empfinden die meisten Deutschen für die gerade mal 70.000 Sinti und Roma in Deutschland bestenfalls nur Desinteresse.
 CDU- und CSU-Politiker reißen sogar öffentlich ihr Maul auf und orakeln darüber, wie man diese Menschen schnellstmöglich wieder nach Ungarn oder Rumänien abschieben könnte.
 Bloß wieder raus aus Deutschland.
Es sind wirklich Opfer zweiter Klasse. 
Man stelle sich vor Herr Friedrich würde laut darüber nörgeln, daß schon wieder viel zu viele Israelis in Deutschland lebten und die sollten doch mal „in ihr Heimatland“ zurück gehen.
Dann wäre aber was los. 

Mit Sinti und Roma kann man es machen und kein Bischof, keine christliche Kanzlerin empört sich.

Und dann stellt sich aber doch heraus, daß es einen Unterschied macht, welche Partei man wählt. Seit die Bürger Schleswig-Holsteins im Mai dieses Jahres CDU und FDP auf die Oppositionsbank geschickt haben, geht es doch etwas anständiger zu im hohen Norden der Republik.
Die etwa 5000 Sinti und Roma Schleswig-Holsteins werden jetzt genau wie die dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe verfassungsrechtlich geschützt und gefördert. 

Rot, Grün und SSW sei Dank.
Es geht dabei um, wie Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) sagt, 'sieben kleine Worte, die eine große Wirkung haben würden'. Es sind sieben Worte, die in Artikel 5 der Landesverfassung von Schleswig-Holstein aufgenommen werden und garantieren sollen, dass auch 'die Minderheit der deutschen Sinti und Roma' Anspruch auf Schutz und Förderung hat. […]
Die Aufnahme in die Landesverfassung aber wäre ein einmaliger Schritt. 'Es bedeutet uns sehr viel', sagt Verbandschef Weiß. Es sei ein Symbol, das mehr Sicherheit geben werde. Seit dem 15. Jahrhunderts leben Angehörige der Minderheit im Norden, wurden aber immer wieder ausgegrenzt und verfolgt. In der NS-Zeit starben etwa 400 Angehörige der Minderheit aus dem Land in Vernichtungslagern.
Für die Verfassungsänderung wird im Landtag eine Zweidrittel-Mehrheit gebraucht, in früheren Legislaturperioden scheiterte das Vorhaben an der CDU. Sie begründete ihre Ablehnung stets damit, dass die Sinti und Roma - anders als Dänen und Friesen - keine landesspezifische Minderheit sei. Diesmal reichen die Stimmen von SPD, SSW, Grünen, FDP und Piraten.
 Das war der CDU dann doch heute zu peinlich als antiziganistische beleidigte Leberwurst aufzufallen und so stimmte sie lieber mit den anderen Parteien.

 Die Verfassungsänderung kam heute einstimmig zustande.
Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) sprach von einem historischen Beschluss. "Die Sinti und Roma leben seit mehr als sechs Jahrhunderten in Schleswig-Holstein und gehören zu diesem Land wie Deutsche, Dänen und Friesen." Es sei ein Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung, dass sich dies jetzt auch in der Landesverfassung widerspiegele, sagte Albig.
Auch die Minderheitenbeauftragte Renate Schnack (SPD) begrüßte die Geschlossenheit des Parlaments bei der Abstimmung. Sie verwies darauf, dass der heutige Beschluss des Landtages europaweit beachtet werde: "Die lange verwehrte Anerkennung der Sinti und Roma war ein Fleck auf der weißen Weste unseres Landes. Seit heute kann Schleswig-Holstein wieder zu Recht für sich in Anspruch nehmen, eine faire und international vorbildliche Minderheitenpolitik zu führen."
(NDR 14.11.12)