Montag, 4. November 2013

Die Snowden-Causa


Das ist schon lustig; normalerweise changiert Christian Ströbeles Ansehen in der Unionsfraktion irgendwo zwischen „linksradikaler RAF-Sympathisant“ und „vertrottelter Öko-Geront.“
Ernst genommen wird er jedenfalls nicht auf der rechten Seite des Parlaments.
Vermutlich sehen das sogar einige seiner grünen Fraktionskollegen ähnlich, aber als der Mann mit dem einzigen Direktmandat ist er natürlich sakrosankt.

Sein Coup, mit zwei Journalisten nach Moskau zu reisen um dort Snowdens Gesprächsbereitschaft und den Wunsch nach Deutschland zu kommen, auszuloten, war allerdings so beeindruckend, daß selbst einige CDU’ler Respekt bekunden.
Hätte Deutschland eine normale Regierung, wäre auch längst ein offizieller Emissär zu Snowden geschickt worden. Bedauerlicherweise haben wir aber nur die Politsimulantengang mit Friedrich, Westerwelle und Co. Daher gab es selbstverständlich keinerlei Initiative aus Berlin.

Die jetzt im Raum stehende Idee Ed Snowden Asyl in Deutschland zu gewähren, unterstütze ich ausdrücklich. Die Gründe dafür zu erklären, erübrigt sich in diesem Blog, da ohnehin fast alle Medien breit darüber berichten. So lautet etwa die aktuelle SPIEGEL-Titelgeschichte „Asyl für Snowden“ und greift damit eine Idee des SZ-Innenpolitik-Chefs Heribert Prantl auf.

Ich zitiere heute extra nur eine Stimme.

Gewähren Sie Asyl, Frau Bundeskanzlerin!
Politiker und Prominente fordern im SPIEGEL Asyl für Edward Snowden. Tatsächlich liegt das Schicksal dieses modernen Helden jetzt in Merkels Hand. Denn in Europa wäre nur Deutschland stark genug, dem Zorn der USA zu widerstehen.
Asyl für Edward Snowden? Die Frage stellte sich schon im Sommer, und damals hat die Bundeskanzlerin abgelehnt. Sie versteckte sich hinter einer Floskel: "Das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt sind nach ihrer Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für politisches Asyl oder eine Aufenthaltsgewährung aus anderen Gründen nicht vorlagen."
Das war schon damals falsch.
Aber heute lässt sich das gar nicht mehr halten. Wir wissen jetzt, dass es den Amerikanern bei unserer Überwachung nicht um Sicherheit geht, sondern um Macht. Angela Merkel sollte also dem Mann Schutz und Asyl gewähren, der uns die Augen für das wahre Verhältnis von Sicherheit und Macht im digitalen Zeitalter geöffnet hat. Asyl für Snowden, das wäre ein mächtiges Signal dafür, dass wir unsere Rechte nicht der amerikanischen Herrschaft unterordnen - und überhaupt nicht der digitalen Herrschaft, denn das läuft heute auf dasselbe hinaus.
Wir stehen in Snowdens Schuld. Er hat uns die Augen geöffnet. Wir können jetzt die Wirklichkeit besser erkennen. […]
Deutschland sollte Edward Snowden Asyl gewähren - und durchaus nicht nur als symbolische Handlung. Denn eines Tages wird dieser Edward Snowden Nachahmer haben. Der ungeheure Überwachungsapparat der USA wird sie hervorbringen. Wenn wir Snowden schützen, wissen sie, dass sie auf unsere Hilfe zählen können. Darin liegt für die US-Dienste, die unsere Freiheit bedrohen, die schlimmste Gefahr.

Natürlich wird es nie dazu kommen, daß Snowden in Deutschland vor den US-Häschern geschützt wird. Wenn Putin ihn im Sommer 2014, wie angekündigt des Landes verweisen wird, werden wir aus bequemer Entfernung einfach zugucken, wie er untergeht.

Es spricht nämlich eine Sache gegen Asyl in Deutschland: Das ginge nur, wenn Deutschland eine Bundesregierung und einen Regierungschef mit Rückgrat hätte.
Und wir haben eben bloß Merkel. Causa Finita.

Interessant ist die Wortwahl der Regierungschefin mit dem politischen Amöbenkurs:

Das transatlantische Verhältnis habe eine „überragende Bedeutung!“
Nun erkennen wir auch weswegen sich Merkel den extrem frommen ZDF-Mann Seibert als Regierungssprecher hält. Er findet offenbar diese Verschleierungsbegriffe, die politisch und juristisch keinerlei Bedeutung haben, keine Konsequenzen nach sich ziehen und eine allgemeiner Tranquilizer-Funktion haben.
Mit „überragender Bedeutung“ scheint in diesem Fall aber zunächst einmal ein Freifahrtschein für jede Internationale Sauerei der Amis gemeint zu sein: Guantanamo, illegale Angriffe auf souveräne Staaten, Nichtanerkennung internationaler Konventionen. Blockade von Klimaschutz und Abrüstung. Milliardenfacher Mißbrauch an den Persönlichkeitsrechten.

Die Enthüllungen über die US-Spionage zeigen: Die USA sind ein Regime der Angst. Die Überwachung des Handys der Kanzlerin sowie von Oppositionspolitikern sind nur die Spitze des Eisbergs. Ein »Weiter So!« in den deutsch-amerikanischen Beziehungen ist inakzeptabel. Es geht um die Sicherheitsinteressen Deutschlands, nicht um eine Privatsache von Merkel & Co.
Der eigentliche Skandal ist die Überwachung von Millionen Bundesbürgern, die selbst die Fantasie Orwells übertrifft und totalitäre Systeme vor Neid erblassen lässt. Die Aktivitäten der National Security Agency (NSA) sowie der Satellitendienste in Europa strafen auch die Illusion von der freien Welt des Internets Lügen: Konzerne wie Facebook, Yahoo und Google kooperieren mit den Geheimdiensten bzw. werden angezapft.
Wir verdanken die Enthüllungen dem Mut des jungen Mannes und einstigen CIA-Mitarbeiters Edward Snowden. Er ist der wichtigste Zeuge gegen diesen Angriff auf unsere Freiheit. Gerüchte, er befinde sich an Bord des bolivianischen Regierungsfliegers, veranlassten die EU-Mitgliedstaaten Frankreich, Spanien, Italien und Portugal auf Geheiß der USA, dem Präsidenten Evo Morales im Juli die Überflugrechte auf dem Rückweg von Moskau zu verweigern. Mit anderen Worten: Es wurde mit dem Abschuss der Präsidentenmaschine gedroht. Das ist eine unvorstellbare Aggression und Verletzung des Völkerrechts bzw. der Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen und zeigt die Angst der USA vor der Wahrheit. Die Vereinten Nationen verurteilten die erzwungene Landung von Morales in Wien. Die Botschaft des US-Präsidenten an Snowden lautete: Du bist außerhalb Russlands nicht sicher.
Snowden wird aber offenbar auch von Angela Merkel gefürchtet. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages im Auftrag der Linksfraktion zeigt: Deutschland könnte ohne Probleme Snowden sicheres Geleit und Asyl gewähren, insbesondere um vor einem NSA-Untersuchungsausschuss auszusagen. Die Bundesregierung hat jedoch kein Interesse an einem solchen Ausschuss geschweige denn einem Auftritt Snowdens. Sie müsste sich folgende Fragen gefallen lassen: Was wusste der Bundesnachrichtendienst (BND) und was wusste die Kanzlerin wann? Genau das muss aufgeklärt werden. Und der Bundestag sollte die US-Regierung auffordern, die Strafverfolgung Edward Snowdens sowie des Whistleblowers Chelsea (Bradley) Manning umgehend einzustellen. Das wäre eine Sternstunde des Parlaments.
Deutschland muss das Verhältnis zu den USA neu ordnen: [……]

Tja, da ist offensichtlich jemand sauer.
Merkel kann mit dem Begriff von der „überragenden Bedeutung“ alles zukleistern. Sie meint damit offensichtlich, was der Begriff an sich gar nicht hergibt: Nämlich devotes Buckeln und jeden Rechtsbruch, jede Kriegstreiberei, jede noch so dreiste Lüge stoisch und stumm abzusegnen. Bloß keine Fragen stellen.
Dabei wäre es sicher sprachlich korrekter unter „überragender Bedeutung“ zu verstehen,
daß man sich um solche Beziehungen auch entsprechend intensiv bemüht und dementsprechend Fehlentwicklungen genau und aufmerksam detektiert.
Merkel wird – wieder einmal – ihrem Amtseid nicht gerecht und schadet Deutschland.
Aber dafür liebt sie der Urnenpöbel.

In der Sitzung des CDU-Präsidiums am Montag, so berichten es Teilnehmer, mahnte Angela Merkel, die Asyl-Debatte um Snowden müsse eine andere Facette bekommen - nämlich, was die Aufnahme für das Verhältnis zu den Amerikanern bedeuten könnte.
Vor diesem Hintergrund sei die Botschaft eindeutig gewesen, heißt es: Snowden kommt nicht nach Deutschland. Und eben diese Botschaft ließ Merkel ihren Regierungssprecher Steffen Seibert später unters Volk bringen, diplomatisch verpackt, aber doch klar und deutlich. Eindringlich warnte Seibert vor einem Zerwürfnis mit den USA: "Das transatlantische Bündnis bleibt für uns Deutsche von überragender Bedeutung."
Die Kanzlerin sehe sich dem Schutz der Daten und der Privatsphäre der Bürger vor unerlaubten Zugriffen verpflichtet, so Seibert weiter. "Bei alledem geht es aber auch immer um unsere Sicherheits- und unsere Bündnisinteressen." Kaum ein Land, erinnerte er indirekt an die Hilfe der Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg, habe wie Deutschland von der Freundschaft zu den USA profitiert.
Eine Einschätzung, die auch von anderen in der Regierung und außerhalb geteilt wird. Der derzeit geschäftsführende Außenminister Guido Westerwelle (FDP) appelliert: "Bei allem Ärger, eine gute Partnerschaft mit den USA ist unersetzbar. Auf beiden Seiten des Atlantiks müssen wir jetzt darauf achten, das Verhältnis nicht dauerhaft zu beschädigen." [….]

Tja, wenn Obama das gewußt hätte, als er am 19.06.2013 in Berlin war, hätte er vielleicht auch beherzt nach dem Tafelsilber gegriffen oder an Angela Merkels Schreibtisch uriniert.
Unter Merkel lassen sich Deutschlands Bürger bereitwillig demütigen und veräppeln.