In jedem Dorf gibt es einen Dorfdeppen. Offenbar ist das ein
weltweites Phänomen. Mein Vater berichtete schon von dem „village idiot“, den
es in dem kleinen Ort Bobtown gab, in dem
er aufwuchs.
Nun gehört es zum evolutionären Prozess, daß es hellere und
nicht so helle Kerzen auf der Intelligenz-Torte gibt.
Die ganz Doofen werden es schwerer haben sich zu vermehren
und dadurch ihre Doofheit weniger stark weiterverbreiten.
Kurzum, ein Doofer schadet nicht, die Klugen werden mehr
genetische Nachkommen produzieren, weil die Doofen auch ausgegrenzt werden.
Seit der Erfindung des Internets und insbesondere der Social
Media, bleiben die Doofen aber nicht einfach schmollend und verlacht in ihrem
Dorf hocken, sondern fangen an sich zu vernetzen, Kontakt zu Ihresgleichen aus
dem Nachbardorf zu suchen. In Windeseile entstehen
Doofen-Filterblasen, in denen sie sich alle gleichermaßen
schlau fühlen.
Unglücklicherweise gibt es einen paradoxen Mechanismus der
sozialen Medien, nach dem besonders bizarre, ergo doofe Ansichten
überproportional verteilt werden. Einige lachen darüber, aber sie alle
multiplizieren beispielsweise die „wirre Welt der Impfgegner“.
Das durch Algorithmen erreichte Aufkonzentrieren der
Doofheit im Internet ist schon schlimm genug, weil wie in diesem Fall
ungeimpfte Virenschleudern auf den Straßen andere Menschen töten können.
Umso wichtiger ist die Funktion der klassischen Medien und
Politiker als Gatekeeper.
Sie müssen unbedingt dafür sorgen in der Flut der sekündlich
neuen Meldungen die Themen und Probleme herauszupicken, die eine reale
Bedrohung darstellen und um die Mensch sich kümmern muss.
Dazu zählen beispielsweise Klimawandel, Unterversorgung von
Pflegebedürftigen oder Altersarmut.
Nicht relevant sind hingegen Genderbekämpfung,
Chemtrailgefahren oder Autismus durch Impfen.
Der SPIEGEL muss nicht über die Scheidung Thomas Gottschalks
oder die neue Frisur eines Fußballers berichten.
Gemeingefährlich wird es aber dann, wenn ernst zu nehmende
Medien beginnen ausgerechnet die Theorien der Dorfdeppen aufzugreifen und
erregt zu ventilieren.
Ein Land verblödet, wenn Politiker und Medien beginnen
echten Schwachsinn wie den Creationismus als ernste Theorie zu
behandeln.
Daher ist es auch unverantwortlich, wenn beinahe jede Woche
Talkshows des öffentlich-rechtlichen Fernsehen AfD-Hetzer einladen und ihre
Märchen von der „Messermigration“ verbreiten lassen, während die Kriminalität
in Deutschland jedes Jahr sinkt.
Ein ausgesprochen verstörendes Beispiel dieses politischen
und medialen Versagens erlebten wir in Hamburg angesichts der absolut nicht skandalösen
Vorgänge an der Ida-Ehre-Schule.
Die AfD zündelte, produzierte einen Pseudoskandal
und als die ersten Funken erschienen sprang sofort das FUNKE-„Abendblatt“ auf
den Zug, ließ das Feuer zum Entzücken der AfD richtig auflodern.
Noch unrühmlicher als die konservative Zeitung war die
Schulbehörde, die ebenfalls bereitwillig über das von den Ultrarechten hingehaltene Stöckchen sprang.
Das passiert leider immer wieder – bevor auch nur eine
Minute recherchiert wird, greifen auch Medien mit richtigen Rechercheuren und
Journalisten abstruse Themen auf, die eigentlich nur das Thema von Dorfdeppen
in ihren ekeligen Filterblasen sind.
Also bitte erst mal nachdenken, bevor man hysterisch Öl ins
Feuer gießt.