Sonntag, 17. Januar 2016

Sigi Pop



Das war ein hartes Jahr für den Jung-Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel, als er sich und die SPD 2003 mit einer krachenden Niederlage (−14,5 %-Punkte gegenüber 1998) in die Opposition schoss und ausgerechnet der Serienverlierer Christian Wulff sogar fast die absolute Mehrheit holte (+12,4 Prozentpunkte).
Wahlen zu gewinnen ist nicht Gabriels Stärke.

Natürlich wäre es ungerecht ihm allein die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Schröders absolute Mehrheit von 1998 war eine Ausnahme, wie sie in Flächenländern für die SPD so gut wie nie mehr vorkommt.
Außerdem war Gabriel die katastrophale Bundesstimmung für Rot/Grün im Jahr 2003 nicht zuzuschreiben.
Dennoch ist es nicht gerade ein Ausweis für gute Arbeit, wenn man sein Amt auf eine SPD-Fraktion gestützt ausübt, die 12 Prozentpunkte stärker als die CDU ist und nach vier Jahren 15 Prozentpunkte hinter der CDU landet.

Mitleid hatte die Partei schon mit dem Niedersachsen, der schon mit 43 Jahren ein EX-Ministerpräsident war.
Als Trost schuf man ihm das legendäre Amt des Beauftragten für Popkultur und Popdiskurs der SPD (kurz Siggi Pop), welches er bis zu seiner Ernennung zum Bundesumweltminister 2005 innehatte.

Inzwischen ist Sigmar Gabriel so bekannt, daß man seine Spitznamen nicht mehr an „Iggy Pop“ ableiten muß. Außer den braunen Hohlbratzen in Dresden wissen die Deutschen, daß er mit „kurzem i“ geschrieben wird.
Aus Siggi Pop wurde nach vielen weiteren Häutungen inzwischen wieder „Sigi Pop“.
Diesmal benötigt er ob seines bekannteren Vornamens nur noch ein „g“ und das „Pop“ steht nicht mehr für „Popkultur und Popdiskurs in der SPD“, sondern schlicht und ergreifend für Populismus.

Wir erleben das gerade mal wieder in seinem Interview mit der Funke-Mediengruppe; dort fordert er energisch „Kontingente“ bei der Flüchtlingsaufnahme, will die EU-Außengrenzen abriegeln und überholt somit die Kanzlerin von rechts.
Sein bevorzugtes Ausweichmuster, welches die SPD auf 21,5% geschrumpft hat.

Kostprobe des Populismus-Gabriels?

Wir müssen natürlich zuallererst die Fluchtursachen bekämpfen, etwa den Krieg in Syrien.

Klingt gut, aber bekanntlich tut die Bundesregierung das Gegenteil dessen. Sie heizt energisch die Fluchtursachen weiter an.

Offene Außengrenzen und offene Grenzen innerhalb Europas sind auf Dauer unmöglich. […]
Einfach durchwinken, keine vernünftige Registrierung und kein Datenabgleich in Europa – das führt eben dazu, dass sich selbst Kriminelle und Terroristen wie der Paris-Attentäter unerkannt durch Europa bewegen können.

Das Argument ist hanebüchen.
In den 1970er Jahren schottete sich Deutschland hermetisch ab, führte Rasterfahndung ein, kontrollierte und durchsuchte jeden Menschen an der Grenze. Wie wir inzwischen wissen hinderte das die RAF-Terroristen nicht im Geringsten daran sich frei in Europa und dem Nahen Osten zu bewegen.
Und dabei handelte es sich nur um wenige Dutzend Menschen.

Das Zweite ist, die Außengrenzen der EU wirksam zu schützen. Denn die Voraussetzung für offene Grenzen innerhalb Europas ist eine gesicherte Außengrenze. Drittens müssen wir feste Kontingente für die Aufnahme von Flüchtlingen einführen, um die Kontrolle zu behalten, wie viele Menschen kommen und wann sie kommen.

Auch hier verkauft uns Gabriel für dumm.

Von den vor vier Monaten ausgehandelten 160.000 innerhalb der EU zu verteilenden Flüchtlingen, hat man bis zum heutigen Tage 272 weiterverteilt.
Es gibt weder Kooperation, noch Zusammenarbeit in der EU, es wurden keine „Hotspots“ fertiggestellt und die Verteilung der Kontingente ist eine reine Lachnummer.

Als ob es technisch möglich wäre Millionen griechische Inseln mit modernen Grenzanlagen auszustatten und Gesamteuropa komplett zu überwachen!

Grenzen schließen!, dröhnt der nächste Schlachtruf, verbunden mit dem Versprechen, dass dann alles besser werde. Dann müsste man nicht mehr groß abschieben, weil ja eh alle abprallen.
Aber selbst wenn Deutschland dies täte: Schnell würden die Bürger merken, dass nichts gut wird. Weil dann Europa zerbricht, weil dann noch mehr Menschen im Mittelmeer ertrinken und trotzdem weiter Flüchtlinge ins Land kommen. Die Grenze lässt sich nicht schließen. Dafür bräuchte es 2000 Kilometer Mauer, und mehr. Menschen, die um ihr Leben laufen, werden ihren Weg finden.
Jedes einfache (Er-)Lösungsversprechen gebiert neue Enttäuschung und treibt die Enttäuschten zu rechten Parteien. Auf Dauer würde dies das Land stärker belasten als alle Hilfe für die Schutzsuchenden.

Offensichtlich will er das gescheiterte Dublin-Verfahren wieder einführen, welches die reichen und leistungsfähigen Länder Holland, Deutschland, Dänemark und Co von Flüchtlingen frei hält und die ganze Last der Probleme den armen Schluckern Rumänien und Griechenland aufdrückt.

[….] Wirklich naiv und leichtgläubig sind jene, die Deutschland und Europa zu einer Festung ausbauen wollen. Es ist diese Schrebergartenmentalität von Politikern wie Wolfgang Bosbach, die Deutschlands Interessen in Wahrheit schadet. Sie nähren die Illusion, es gäbe einfache Antworten auf die derzeitigen Krisen, die Deutschland erreichen. Dabei merken sie nicht, dass sie letztlich eine kurzsichtige Politik betreiben, die uns und vor allem künftigen Generationen dauerhaft weit mehr schaden wird - tausendfach mehr.  Wenn Deutschland als reichstes Land der EU eine Abschottungspolitik betreibt, werden die Probleme in andere Länder verlagert, die damit erst recht nicht klarkommen. Dann werden wir erleben, wie es rundherum zu brennen beginnt.
[….] Deutschland ist ein Land, dessen Kraft und Stärke sich aus der Globalisierung speist. Deutschlands Firmen sind auf Stabilität in den Nachbarregionen angewiesen, auf sichere Handelswege, prosperierende Handelspartner. [….] Wenn wir es zulassen, dass sich die bösen Schwestern Armut und Terror in Weltregionen wie Asien, Afrika und dem Nahen Osten weiter ausbreiten können, wird das dramatische Folgen für uns alle haben. Dann wird uns die Massenflucht nach Europa, die wir jetzt erleben, harmlos vorkommen. Die Probleme werden sich potenzieren, unbeherrschbar werden. [….][….][….]

Was Gabriel hier vorträgt ist vermutlich populär.
Es ist sicher populistisch.
Ob es der SPD demoskopisch hilft, halte ich für außerordentlich fragwürdig.
Gabriels Forderungen sind aber vor allem völlig unrealistisch, kontraproduktiv und faktenwidrig.