Es gibt doch tatsächlich so Verblödete, die behaupten,
wenn die SPD aus der Groko ausstiege und die Grünen ihren Platz einnähmen, wäre
das besser für „die kleinen Leute“, weil die Grünen mehr Rückgrat zeigten.
Das ist in vielerlei Hinsicht Unsinn. Erstens zeigten die
Grünen bei den Jamaika-Gesprächen Ende 2017 so wenig Rückgrat, daß sie sogar
als erstes freiwillig die Klimapolitik, also ihr ureigenes Thema opferten und sich
so geschmeidig an die xenophobe CSU anpassten, daß eher noch die FDP ausstieg.
Zweitens gibt es gar keine Mehrheit von Grün und Schwarz.
Drittens wären die Grünen als derzeit schwächste Bundestagsfraktion
mit läppischen 8,9% niemals so verrückt bei aktuellen Umfrageergebnissen um die
20% eine Koalition einzugehen.
Viertens gäbe es aber genau deswegen keine Neuwahlen.
Merkel wird einfach Bundeskanzlerin bleiben bis 2021, weil
eine andere Kanzlermehrheit ausgeschlossen ist.
Kein anderes CDUCSU-Mitglied kann vor 2021 zum Kanzler
gewählt werden.
(….)Sie könnten im gegenwärtigen Bundestag unter keinen Umständen eine
Kanzlermehrheit erringen.
Auch wenn die SPD gelegentlich sehr sehr dumme Dinge tut; sie kann nicht so
verrückt sein einem zukünftigen CDU-Konkurrenten den gewaltigen Vorteil eines
Amtsbonus zuzuschieben. Zumal auf den amtierenden deutschen Kanzler 2020 eine
gewaltige Gelegenheit zukommt international zu glänzen und Sympathiepunkte
abseits der schnöden Innenpolitik zu sammeln.
[….] Im zweiten Halbjahr 2020
übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Gleichzeitig bildet
Deutschland bis Ende 2021 mit Portugal und Slowenien die sogenannte
Trio-Präsidentschaft. Diese Länder formulieren gemeinsame Ziele und erarbeiten
ein konkretes Programm, mit dem sich der Rat während der drei Präsidentschaften
befassen wird. [….]
(Baköv)
Merz oder AKK würden die Rolle nur zu gerne im Jahr 2020 ausfüllen und
genau deswegen wird die SPD ihnen das ohne Neuwahlen nie als Geschenk
präsentieren. Neuwahlen sind aber auch für die CDU/CSU ein enormes Risiko. Alle
Umfragen sehen sie deutlich unter dem Ergebnis von 2017 und da war immerhin
eine sehr beliebte Merkel Kanzlerkandidatin.
Alle vier genannten Möchtegern-Merkel-Nachfolger in der Union stehen
demoskopisch ohnehin viel schlechter da als die ewige Kanzlerin; aber wie mies
wäre erst ihr Image als „Mutti-Möderin“? Als Ehrgeizlinge, die ohne Not die
international adorierte Kanzlerin wegmobben? (….)
Selbst wenn die
SPD wäre so irre wäre freiwillig aus der Groko zu gehen, ist eine
Jamaika-Kanzlermehrheit so gut wie ausgeschlossen, da die 8,9%-Grünen AKK oder
Merz nie so einen Vorteil verschafften, wenn sie selbst ins Kanzleramt
einziehen könnten.
Die Groko wird
also bis 2021 bleiben. Unter anderem auch deswegen, weil Merkel so gern
Kanzlerin ist und sich erinnert, wie sie selbst im Jahr 2002 nach zwei Jahren
als CDU-Vorsitzende noch so schwach war, daß sie sich von Stoiber wegmobben
ließ, daß sie selbst 2005 noch von den alten Männerseilschaften ihrer Partei
als „Zonenwachtel“ verspottet wurde. Erst nach neun Jahren als
Parteivorsitzende, bei ihrer Wiederwahl zur Kanzlerin 2009 hatte sie sich
innerhalb ihrer Partei Respekt erworben.
Kramp-Karrenbauers
Autoritätsprobleme nach elf Monaten machen Merkel sicher nicht nervös. Da macht
sie noch gemütlich die 16 Jahre voll.
Wenn ich mir
etwas wünschen dürfte, wird Olaf Scholz in einigen Wochen mit deutlichem
Vorsprung neuer SPD-Vorsitzender, stabilisiert angesichts der torkelnden AKK
seine Partei in den Umfragen, so daß es bei den regulären Bundestagswahlen 2021
am besten zu einer SPD-Grünen Koalition unter Bundeskanzler Scholz reicht. Oder
aber in einer Dreierkonstellation mit der LINKEN, die ohne Lafontaine und
Wagenknecht hoffentlich weniger AfD-artig blinkt und verlässlicher wird.
Ich gebe zu;
aus heutiger Perspektive ist dieses Szenario nicht sehr wahrscheinlich.
Es liegt aber
durchaus im Bereich des Möglichen, daß eine GR2-Koalition unter Bundeskanzlerin
Baerbock oder Bundeskanzler Habeck eine Kanzlermehrheit zusammenbekommt. Dann
bliebe möglicherweise Olaf Scholz Finanzminister und Vizekanzler.
Auch mit so
einer Regierung wäre ich glücklich, weil mir am wichtigsten ist die C-Minister
in die Opposition zu schicken.
Wie
unwahrscheinlich ist aber GR2 im Jahr 2021?
Ich meine, das
ist eine durchaus vorstellbare Option.
Angela Merkel
ist zwar immer noch sehr beliebt, wird aber als CDU-Zugpferd nicht mehr taugen,
da sie 2021 nicht mehr antritt und schon seit einem Jahr keinen Finger mehr für
ihre Partei krumm macht.
Alles geht
schief und nun setzt sie ihre ganze Hoffnung auf das Projekt „deutsche Militäreinsätze
im Nahen Osten und Zentralafrika.“
Dabei wird sie Myriaden Gelegenheiten für Blamage und
Kardinalfehler haben.
Aber selbst wenn sie unwahrscheinlicherweise mit dieser
Bundeswehr solche Einsätze hinbekommt, bleibt es in Deutschland sehr unpopuläre
Politik.
Deutsche Soldaten, die in Zinksärgen aus Mail zurückkommen,
werden AKK nicht zur erhofften Popularität verhelfen.
Wenn sie die nächsten beiden Jahre so weiter debakuliert und
die Wähler 2021 vor der Frage stehen „Bundeskanzler Scholz oder Bundeskanzlerin
AKK?“ sollte man die SPD noch nicht abschreiben.
Auch die Grünen haben bis dahin noch viel Zeit Fehler zu
machen.
Nach Fukushima und dem Theater um Stuttgart 21 schickten sie
sich schon einmal an bundesweit stärkste Partei zu werden.
Bis
an die 30% wurden im ersten Halbjahr 2011 für die Grünen bundesweit
ermittelt.
Forsa: CDU - SPD - GRÜNE - FDP -LINKE |
Man kann noch nicht fest mit einem Kanzler Habeck 2021
rechnen.
[…..] Das Rennen ums Kanzleramt ist wieder völlig offen. Denn die Konservativen
zerlegen sich, die Wirtschaft schwächelt, das politische System zerfranst.
Weil inzwischen sieben Parteien im Bundestag sitzen, könnten in einem
Dreierbündnis wie der Ampel- oder der Linkskoalition künftig sogar
gut 20 Prozent genügen, um den Kanzler zu stellen. Ja, der SPD geht es
schlecht. Aber in diesem Klima sollten 20 Prozent selbst für sie noch drin
sein.
Ab Dienstag dürfen die SPD-Mitglieder
abstimmen, welches der zwei Finalteams sie als Vorsitzende haben möchten.
Olaf Scholz und seine Partnerin Klara Geywitz haben Chancen auf den
Sieg. […..] Scholz hingegen ist dieser
Tage umtriebiger denn je. Er bringt die Bankenunion voran, boxt die Grundrente
durch. Für ihn, den männlichen Merkel, der Volk und Parteifreunde schon
so oft narkotisiert hat, ist der Offensivdrang bemerkenswert. […..]
Ausgerechnet die SPD, in der selten etwas geklärt ist, steht also
kurz davor, als erste Partei mit gelöster Führungsfrage auf die nächste
Wahl zu steuern. Damit hat sie der Konkurrenz etwas voraus, vor allem
der CDU. […..]
(Veit Medick, SPIEGEL-Leitartikel, 15.11.20199