Sonntag, 24. Juli 2016

Marxens Milliarden – Teil II



Im Leitartikel des ganz neuen SPIEGELs beschreibt Christiane Hoffmann den „Zeitenbruch“, in dem sich die Welt gegenwärtig befinde.

Es gibt Zei­ten, in de­nen die Welt­ge­schich­te un­ter er­höh­ter Tem­pe­ra­tur zu ar­bei­ten scheint. Dann herrscht jene über­hitz­te At­mo­sphä­re von Ge­reizt­heit und Streit­lust, jene Nei­gung zu Hys­te­rie und Ver­wir­rung, wie sie Tho­mas Mann im „Zau­ber­berg“ be­schrie­ben hat, am Vor­abend des Ers­ten Welt­kriegs, mit dem eine alte Welt­ord­nung un­ter­ging und eine neue ent­stand. Es sind Zei­ten des Epochenwan­dels. [….]
(DER SPIEGEL 30/2016 s.8)

1989/90 war wieder so eine Umbruchszeit.
Aber auch die Weltfinanzkrise 2008/2009 in Kombination mit dem arabischen Frühling/Aufstieg des IS 2013 stellt wieder alles in Frage.

Der gegenwärtige Umbruch erfasst anders als 1990 auch die westlichen Länder, die sich wie die USA damals bequem zurücklehnend ihren Sieg genossen.

Es gibt Krieg in Osteuropa, die EU entwickelt noch vor zehn Jahren für unmöglich gehaltene Zentrifugalkräfte.
Russland und die Türkei, vor zehn Jahren auf dem demokratischen Weg in den Westen, gleiten in Autokratien ab.
In Kerneuropa und den USA wuchern Populismus, Nationalismus und brutale Fremdenfeindlichkeit.

Es ist etwas gründlich schief gelaufen.
Wir reiten und gerade so massiv in den Mist, daß jeder dringend gefordert ist sich für liberale Werte, Demokratie und Transparenz einzusetzen.
Einfach ausruhen und starr auf die eigenen gewohnten Privilegien beharren, ist das was wirklich nicht mehr geht.

Da der Urnenpöbel immer noch viel zu phlegmatisch ist und statt sich mal über die Lage in der Welt zu informieren, lieber Pokemon spielt, wäre es schön, wenn irgendwer voranginge, um für grundsätzliche Veränderungen unserer Politik und Gesellschaft zu werben.
Aber wer sollte das sein?

Die Gewerkschaften schrumpfen sich selbst in die Bedeutungslosigkeit, die Konservativen verharren in Schreckstarre vor der AfD, allgemein akzeptierte Wegweiser und Intellektuelle sind ausgestorben, Künstler äußern sich kaum noch politisch, Linke biedern sich ebenfalls bei den Xenophoben an, die Sozis verzweifeln an Zickzack-Sigi.
Das Schlimmste ist vermutlich die totale Indolenz der Jugend und der Studenten. Die junge Generation sehnt sich wie nie zuvor nach totaler Anpassung, kann sich noch nicht mal aufraffen überhaupt wählen zu gehen.
Von allen gesellschaftlichen Kräften verfügen die deutschen Kirchen immer noch über den mit Abstand höchsten Organisationgrad, die gewaltigsten Reichtümer und den größten Einfluss.

Aber auch bei ihnen das gleiche Bild.
Sie krallen sich an ihre Privilegien, schotten sich ab, versuchen gar nicht erst ihre Kumpanei-Parteien mit dem „C“ im Namen bei ausländerfeindlichen Sprüchen zu stoppen.
Gelebte christliche Werte bedeutet in der RKK, daß man gegenüber den Opfern des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker knausert und zu den eigenen Top-Geistlichen, die über die Jahrzehnte für den Schutz der Kinderficker sorgten, umso großzügiger ist.
Aber es gibt auch RKK-Gruppen mit sozialem Gewissen.

Die Bamberger Joseph-Stiftung kümmert sich um Bedürftige, die kein Obdach haben.

Der Erzbischof von Bamberg hat das Unternehmen 1948 gestiftet. Insbesondere Heimatvertriebene, Flüchtlinge und Ausgebombte, die in sein Bistum nahe der innerdeutschen und tschechischen Grenze strömten, sollten wieder ein Zuhause finden. […] Wir sind ein der katholischen Kirche zugeordnetes Wohnungsunternehmen. Zweck der Stiftung ist eine angemessene und sozial vertretbare Verbesserung der Wohnungsversorgung, insbesondere in der Erzdiözese Bamberg. Die Stiftung ist christlichen Grundwerten verpflichtet.
Der Stiftungszweck soll gezielt durch die Initiierung, Förderung, Entwicklung, Durchführung und Auswertung von Modellprojekten, Maßnahmen und Konzepten im Wohnungswesen, insbesondere mit sozialer und ökologischer Signalwirkung, umgesetzt werden. Die Bewahrung der Schöpfung für künftige Generationen und der demographische Wandel stehen dabei für uns im Mittelpunkt.

Die frommen Katholiken arbeiten auch heute noch eifrig an ihren Stiftungszielen.
Aufgrund ihrer rührenden Vorsorge nahmen sie sich zuletzt eines ganz besonders Bedürftigen an: Der Bamberger Alt-Erzbischof Karl Braun, 85, gilt selbst beim konservativen Katholisch.de* als stramm rechts.

*In seinen aktiven Bischofsjahren sah sich Braun dem Vorwurf ausgesetzt, er sei "erzkonservativ". Dieses Etikett mag seiner Geradlinigkeit, marianischen Frömmigkeit und Grundsatztreue geschuldet gewesen sein.

Seine Amtsnachfolger in Eichstätt (Mixa) und Bamberg (Schick) dürften ganz nach seinem Geschmack gewesen sein.

Der Bamberger Bedürftige (monatliches Ruhegehalt EUR 9.700,- netto) kann sich natürlich nicht selbst eine Wohnung leisten.
Muß er auch nicht.
Bischöfe residieren in Residenzen.
Ex-Erzbischof Braun besitzt ein Haus mit eigener Kapelle (und genügend Platz für drei bei ihm wohnende Ordensschwestern, die den Greis rund um die Uhr kostenlos versorgen) in Wildensorg.
Ganz bescheiden.
Der arme Mann muß eingepfercht auf 375 Quadratmetern Wohnfläche auskommen. Bezahlt hat die Bistums-eigene Stiftung, deren Vorstand Braun zuvor selbst eingesetzt hatte.

[…] Die karitative Joseph-Stiftung hat dem früheren Bamberger Erzbischof Karl Braun für 1,2 Millionen Euro einen Alterssitz hingestellt.
[…] Am 3. Juli 2001 erscheinen vor einem Bamberger Notar Erzbischof Braun und Reinhard Zingler. Braun, 70 Jahre alt, ist am Tag zuvor von Papst Johannes Paul II. vom Amt entbunden worden; Braun hat Herzprobleme. Der Emeritus braucht nun eine Wohnung; das Bischofshaus soll schließlich seinem Nachfolger zur Verfügung stehen. In Bamberg gibt es, wie in den meisten Bistümern, für solche Fälle in der Nähe des Doms Wohnungen für verdiente pensionierte Kleriker. Nicht alle verdienten Kleriker allerdings möchten unter den Blicken der anderen verdienten Kleriker wohnen - auch Braun nicht. […]
"Der Vorstand der Stiftung besteht aus einem oder mehreren Mitgliedern, die vom Erzbischof von Bamberg berufen oder abberufen werden", heißt es in der im Juli 2001 gültigen Satzung; gleiches gilt für den Aufsichtsrat. Der Erzbischof kann sich also den Vorstand und dessen Kontrolleure aussuchen, die Leute also, die über den Kauf entscheiden.
[…] Wildensorg ist nicht Limburg, der Bau im Fränkischen ist solide, aber nicht protzig. Drei Zimmer für die Schwestern, ein Aufzug, ein ausgestattetes Büro, das ist kein obszöner Luxus. Allerdings auch nicht billig. Die Stiftung beziffert die Baukosten mit 820 000 Euro - das stimmt, wenn man die Kosten nur für den Bau nimmt. Insgesamt aber, das geht aus den Unterlagen hervor, hat die Joseph-Stiftung fast 1,2 Millionen Euro ausgegeben, bis der Erzbischof einziehen kann. […]

Ich bin immer wieder gerührt, wenn ich von dem sozialen Engagement der Kirchen für Bedürftige höre.