Mittwoch, 4. Oktober 2023

Endgame

Lindsey Graham und Ted Cruz, zwei der mächtigsten und bekanntesten US-Republikaner hatten es 2016 völlig richtig erkannt und teilten in markigen Worten aus: Sollte ihre Partei Donald Trump als Präsidentschaftskandidat nominieren, beschließe sie damit ihren eigenen Untergang und habe es für diese Dummheit auch nicht besser verdient, als unterzugehen. 



Die beiden dicken US-Senatoren waren dabei im doppelten Sinne wortstark. Einerseits wurden sie aufgrund ihrer Bekanntheit weltweit gehört und andererseits verfügen sie über enorme Phonstärke, so daß sie eine ganze Halle mühelos niederbrüllen können.





Unglücklicherweise war es 2016 schon lange zu spät, um Vernunft in der GOP walten zu lassen. Unter tätiger Hilfe zweier verantwortungsloser, destruktiver, amoralischer, machtgieriger Partei-Rechtsaußen namens Graham und Cruz, war die Partei schon so weit in die irrationale Teaparty-Hölle gerutscht, daß die rassistisch-verschwörungstheoretische Republikaner-Basis dennoch Trump auf den Schild hob.

Der orange Lügen-Clown war nun derjenige, der erst die GOP-Megadonor-Wahlkampfmilliarden einsammelte und schließlich auch an den Fleischtöpfen der Macht saß. Zum Glück für die lautstarken Trump-Gegner der ersten Stunde, hatten Cruz und Graham längst ihr Rückgrat entfernen lassen und waren trainierte Lügner, so daß sie routiniert ihr Fähnchen nach dem Wind hängen konnten, zu den Trump-Golfclubs pilgerten, um IQ45 tief in den Hintern zu kriechen.

Trump machte es ihnen leicht, da er extrem empfänglich für Schmeicheleien ist und jeden mag, der bereit ist, ihm coram publico den Allerwertesten zu küssen.

So wurden die beiden US-Senatoren aus dem Südstaaten die besten Freunde Trumps. Lobreisten ihn bei jeder Gelegenheit und ritten nun gemeinsam Nation und Partei in den Untergang. 30.000 Lügen, verlorene Zwischenwahlen, verlorene Nachwahlen, verlorener Senat, internationaler Paria-Status, ökonomischer Niedergang, massiver Jobverlust, eine Million Corona-Tote, Impeachmentverfahren, vergeigte Präsidentschaftswahl von 2020, haufenweise Zivil- und Strafverfahren gegen Trump – nichts konnte Cruz‘ und Grahams Lippen fürderhin von den nackten orangen Arschbacken des größten Con-Mans der US-Politgeschichte trennen.

Damit stehen die beiden Senatoren allerdings für fast alle GOP-Parlamentarier.

Es gibt viel Raunen über heimlich, hinter verschlossenen Türen geäußerte Abscheu gegenüber ihres Parteiführers, aber mit Trump konnten sie ihre erzkonservativen Richter durchdrücken, Billionen-Steuererleichterungen für die Superreichen ermöglichen, radikal Frauen- und Schwulenfeindliche Gesetze verabschieden und ihre eigenen Wahlkampfkassen füllen. Die wenigen GOPer, zumeist Hinterbänkler, die es doch wagen, einen gerade Rücken zu behalten und Trump nicht jede Lüge durchgehen zu lassen, wurden von der fanatisierten Basis, die hochaggressiv und allergisch gegen jede Form des Anstands reagiert, von ihren Posten entfernt. Selbst wenn es sich um erzkonservative Legenden wie Liz Cheney handelte, die in den vier Jahre der Trumppräsidentschaft fast nie gegen ihn stimmte.

Die GOP brachte nun, statt des bisherigen Typs des rückgratlosen, menschenhassenden, heuchelnden, käuflichen Abgeordneten, zunehmend eine getrumpte Version in die Parlamente: Geistig vollkommen unterbelichtete Verschwörungstheoretiker, die nur noch von Bösartigkeit und Destruktivität angetrieben werden: Gaetz, Hawley, Boebert, Cawthorne, MTG, Jordan.

Als Donald Trump am 06.01.2021 eine blutigen Putsch versuchte, einen Mord-Mob auf das Kapitol hetzte und, wie wir inzwischen von Cassidy Hutchinson wissen, selbst begeistert „Hang Mike Pence“ mitgrölte, während die Parlamentarier um ihre Leben liefen (fünf Menschen hatte Trumps Mob getötet), beschlichen drei der mächtigsten Republikaner doch Zweifel. Mitch McConnell, GOP-Chef des Senats, Kevin McCarthy, GOP-Chef des House und auch Lindsey Graham distanzierten sich in der Stunden des Not um ihr Leben von Donald Trump, waren bereit, im zweiten Impeachmentverfahren seinen Kopf rollen zu lassen. Aber selbst als buchstäblich die Grundfeste der US-Demokratie, das worauf Trump seine heiligen Amtseid schwor, von ihm vernichtet werden sollte, hielten andere US-Senatoren (zB Cruz und Hawley) eisern zu ihm.

Nach wenigen Wochen fraßen Mitch, Kevin und Lindsey ihre eigenen Worte, pilgerten brav alle nacheinander nach Mar A Lago, um öffentlich Kotau zu machen, ihrem orangen Meister devot zu huldigen. Aufrecht blieben nur Cheney und Kinzinger, die inzwischen beide aus dem Kongress entfernt wurde.

Der 06.01.2021 war die letzte, die wirklich allerletzte Möglichkeit der GOP, sich von ihrem debilen Unglückbringer zu trennen und damit ihrer Partei wieder eine Perspektive zu geben.

Stattdessen entschied sich Kevin McCarthy für die Mordor-Option. Lockte bei den Zwischenwahlen 2022 noch mehr geistig völlig umnachtete Zerstörer ins Parlament.

Von ihnen wurde Speaker McCarthy, der nach Biden und Harris drittmächtigste Mann der US-Politik, gestern Nacht gefressen.

[…..] Wut, Trotz und Sorge herrschen am Tag danach in Washington vor. Zum ersten Mal in der Geschichte der USA hat das Abgeordnetenhaus keinen Vorsitzenden, nachdem acht Abgeordnete der Republikaner gestern dafür gestimmt hatten, Kevin McCarthy abzusetzen. Newton Gingrich, ein konservativer Vordenker, forderte, den Anführer des Aufstandes aus der Partei auszuschließen.

Matt Gaetz sei ein Anti-Republikaner, der die konservative Bewegung aktiv zerstöre, so kommentierte Gingrich in der "Washington Post". So weit gingen andere nicht. Aber: Die acht müssten dafür zur Verantwortung gezogen werden, dass sie ihre eigenen Interessen über die des Landes gestellt hätten, meinte etwa Mike Lawler, ein Republikaner aus New York.  [….]

(Katrin Brand, ARD, 04.10.2023)

Die GOP stellt sich nun offen feindselig gegen die USA.

[……] Die Abwahl des Sprechers des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, durch seine eigenen Leute – die einem Putsch gleichkam – ist Symptom dafür. Das gesamte System ist dysfunktional geworden.

Die »checks and balances«, also die gegenseitige Kontrolle der unterschiedlichen Teile des Systems, funktionieren nur noch mäßig bis gar nicht. Damit ist auch eine Grundidee des modernen, liberalen Parlamentarismus, die Fähigkeit zum Kompromiss, in Gefahr. Die rechten Hardliner der Republikaner um Matt Gaetz haben die Abwahl des eigenen Chefs vor allem damit begründet, dass er mit den Demokraten von Joe Biden einen Handel zum Haushalt geschlossen habe. Das ist grotesk. Denn eine Demokratie, in der der Ausgleich der unterschiedlichen Interessen als Verrat angesehen wird, hört auf, eine Demokratie zu sein.

Dabei geht es nicht nur um Figuren wie Gaetz, sondern auch um seine Wählerinnen und Wähler. Wer wählt einen Abgeordneten, ganz gleich, ob links oder rechts, der nach Washington geht, ohne Kompromisse mit anderen gewählten Politikern zu schließen? Welche Hybris oder Dummheit steckt hinter der Annahme, dass allein die eigene Meinung selig machend ist?  […..]

(Roland Nelles, 04.10.2023)

McCarthy, der Gaetz und MTG bis zur völlig Selbstverleugnung die Hintern abküsste – das hatte er immerhin bis zur Perfektion in Mar A Lago üben können – ist Opfer seiner eigenen Brut. Nach 14 verlorenen Wahlgängen im Januar dieses Jahres, ließ er immer noch keine Spur von Rückgrat erkennen, kroch immer tiefer hinein in die Mastdarmwindungen des GOP-Crazies.

[….] Jeder Politiker mit einem Rest von Würde und Rückgrat hätte angesichts der Bedingungen der Fundamentalisten auf das Amt verzichtet. McCarthy aber wollte diesen Posten unbedingt und machte dabei den Fehler, den schon manche nicht ganz so rechte Republikaner begangen haben: Er unterschätzte den unendlichen, zerstörerischen Hass, die Unerbittlichkeit des harten Trump-Flügels dieser einst so legendär pragmatischen Partei.  Was sich in Washington soeben vollzogen hat, ist eine Geiselnahme. Acht Mitglieder der Republikaner haben die gesamte Partei in eine Sinnkrise gestürzt, angeführt von Matt Gaetz, einem Politiker aus Florida, der vor allem Freude daran hat, eine Spur der Zerstörung zu hinterlassen. Ihm assistieren in diesem Unterfangen einige teils geltungssüchtige, teils gedankenlose Politikerinnen und Politiker. Um die Ungeheuerlichkeit des Vorgangs zu verstehen, muss man sich noch einmal dies vor Augen führen: Die Republikaner haben eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus. Kevin McCarthy war ein äußerst konservativer Sprecher, und er bewegte sich weiter und weiter nach rechts, wann immer die Radikalen es forderten. Er war die ideale Marionette geworden, und doch war das dem extremistischen Flügel nie genug. Dieser vom ehemaligen Präsidenten Donald Trump inspirierten Gruppe geht es nicht um Lösungen. Es geht um Chaos und Krawall. [….]

(Christian Zaschke, SZ, 04.10.2023)


Und jetzt?
Die GOP ist irre genug, um Sauron selbst zum Parlamentschef zu machen.

[….] The only candidate for Speaker I am currently supporting is President Donald J. Trump.

He will end the war in Ukraine.

He will secure the border.

He will end the politically weaponized government.

He will make America energy independent again.

He will pass my bill to stop transgender surgeries on kids and keep men out of women’s sports.

He will support our military and police.

And so much more!

He has a proven 4 year record as President of the United States of America.

He received a record number of Republican votes of any Republican Presidential candidate!

We can make him Speaker and then elect him President!

He will MAKE AMERICA GREAT AGAIN!!! [….]

(MTG, 04.10.2023)