Dienstag, 18. Februar 2025

Lügen im Wandel der Zeit

In den 1980ern hatte der Flick-Konzern ein Milliarden-schweres Steuergeschenk bekommen, indem er die CDU und FDP schmierte. Dazu verschob Flick über die "Staatsbürgerlichen Vereinigung 1954 e.V." Millionen D-Mark Bestechungsgeld als „Parteispende“ an CDU-Parteichef Kohl. Es hatte sich gelohnt; denn dafür wurden Flick Steuerzahlungen von 986 Millionen DM erlassen, die er nach dem Verkauf eines 1,9-Milliarden DM Paketes Daimler-Aktien an die Deutsche Bank hätte zahlen müssen.

Damals, wie heute, lagen Schwarze und Gelbe ultrarechten Milliardären mit Nazi-Vergangenheit stets willig zu Füßen.

Es gab dazu sowohl im Landtag von Mainz (wo Kohl 1969-1976 Ministerpräsident war), als auch im Bundestag, Untersuchungsausschüsse, die Kohl befragten. Kohl log bei seinen Antworten; gab vor, die Funktion der "Staatsbürgerlichen Vereinigung 1954 e.V." gar nicht gekannt zu haben. Eine Lüge eines Parteichefs war ein derartiger Skandal, daß der (damals) Grüne Bundestagsabgeordnete Otto Schily den Kanzler wegen uneidlicher Falschaussage verklagte. Die Wellen schlugen hoch; die Parteispendenlügner Kohl (Bundeskanzler) und Schäuble (Kanzleramtsminister) schickten den wortgewaltigen Generalsekretär Geißler an die TV-Front, der die legendäre Erklärung ausbreitete, Kohl habe bei seiner Lüge einen Blackout erlitten.

Kanzler und Kanzleramtsminister schäumten vor Wut.

In den 1980er Jahren verachtete ich Helmut Kohl für seine tumbe anti-intellektuelle Art. In meinen Augen war er ein peinlicher Saumagen-fressender bräsiger Provinzler, der auf der Weltbühne nichts verloren hatte. Andererseits lebte er schon  immer im vergleichsweise bescheidenen Oggersheimer Bungalow, machte jedes Jahr den gleichen kleinen Urlaub am Wolfgangsee. Große kriminelle Energie traute ich ihm auch nicht zu. Da änderte sich tatsächlich erst 1999, als man im Zuge der hessischen und bundesdeutschen CDU-Spendenaffäre von den schwarzen Kohl-Kassen erfuhr, die mit perfidesten Lügen („jüdische Vermächtnisse“) getarnt wurden. Kohl hatte zudem auch persönlich die Hand aufgehalten. Die Republik wurde erschüttert, Kohl fiel in Ungnade, verlor seinen CDU-Ehrenvorsitz und auch sein Nachfolger im Amt des Parteivorsitzenden, Wolfgang Schäuble, musste Amt und Ambitionen an Angela Merkel abgeben.

Durch den Zufall ihrer ostdeutschen Herkunft, hatte sie nie Kontakt mit dem toxischen Andenpakt und stand für einen moralischen Neuanfang. Offiziell. Tatsächlich setzte sie als Kanzlerin den Mann, der vor der versammelten Presse vom Rednerpult des Bundestages aus, das Volk über Koffer voller „Spendengeld“, die er angenommen hatte, belog, als Minister ein. Unter ihren C-Ministern wurden die Lügen normalisiert. Insbesondere Ursula von der Leyen, Thomas de Maizière und eben jener Wolfgang Schäuble, logen nicht nur nachweislich, sondern auch immer häufiger. Es setzte ein Gewöhnungsprozess ein, weil so oft über de Maizières ausgedachte Zahlen und Leyens Schwindeleien berichtet wurde, daß der Souverän abstumpfte. Vorher kannte man das nur aus dem bayerischen Amigo-Sumpf: Die Bajuwaren nahmen es mit geradezu anerkennenden 'A Hund is er fei scho' hin, wenn die Bestechungen und Sexorgien ihrer verehrten CSU-Herren bekannt wurden. Anders im Rest der Republik: In den 1980ern führte es noch zu Empörungsbeben, wenn Rita Süßmuth sich außerhalb der Dienstzeit mal drei Meter in ihrer Dienstlimousine bewegte. Durch die moralische Laissez-Faire-Führung des Merkel-Kanzleramtes, welches Doktortitel-Betrügereien stoisch hinnahm und Lügen-Mann de Maizière mit immer neuen Ministerposten beehrte, stumpfte die Moral vollkommen ab. Lügnerin Von der Leyen stieg zur EU-Chefin auf, Lügner Schäuble wurde Deutschlands beliebtester Minister. Das deutsche Wahlvolk kann sich, ebenso wie das Amerikanische, nicht aus der Verantwortung stehlen. Pauschale Politiker-Empörung „die lügen doch eh alle!“ steht dem Souverän nicht zu, wenn er ausgerechnet den Lügnern immer zu Mehrheiten verhilft und die Ehrlichen – Peer Steinbrück zum Beispiel – am Wahltag bestraft.

In den 1980er war ich überzeugt: Wähler wollen nicht bewußt angelogen werden, weil sie ernst genommen werden möchten. Eine aufgedeckte absichtliche öffentliche Lüge sollte die Politkarriere beenden. Der hessische Ministerpräsident Koch (1999 bis 2010) bewies durch seine Wiederwahlen 2003 und 2008, daß auch wirklich dreiste Lügen vom Urnenpöbel verziehen werden. Man hielt den „Hessen-Hitler“ (Titanic) mehrheitlich für einen kompetenten Wirtschaftspolitiker, der das notwendige rechte Korrektiv innerhalb der CDU zu Angela Merkel darstellte. Sein radikal xenophober Kurs kam gut an; was machten da seine Flunkereien zu den Parteifinanzen? Wie so oft bei CDU-Männern vom ganz rechten Rand, wird Verachtung von Minderheiten und Dehnung des legalen Rahmens, automatisch und fälschlicherweise mit ökonomischer Kompetenz gleichgesetzt. Wie Merz, versilberte auch Koch, nach seinem Scheitern an Angela Merkel, seine politischen Kontakte in der Wirtschaft. Wie Merz, scheiterte auch Koch an seiner eigenen Unfähigkeit im Kampf mit der harten Realität. Als Ministerpräsident hatte Koch den Bau der neuen Landebahn Nordwest und anderer Bauprojekte des Frankfurter Flughafens an den Baukonzern Bilfinger Berger vergeben, der ihm sechs Monate nach seinem Austritt aus der Politik, für rund 2,5 Millionen Euro Jahresgehalt zum Vorstandsvorsitzenden berief. Das Gehalt bezog er bis Ende 2016, musste aber schon Mitte 2014 den Vorstand wieder verlassen, weil er durch drastische Managementfehler den Konzern fast in den Ruin geführt hatte.

Auch das eine Parallele zu Fritze Merz, der in seinen letzten beiden Blackrock-Jahren zwar noch bezahlt wurde, aber intern wegen seiner Unfähigkeit, längst kaltgestellt war. Mit Merz sind wir auch im Jahr 2025 angekommen. 

Inzwischen tolerieren Wähler nicht nur Politiker-Lügen, wie zu Kochs aktiven Zeiten, sondern sie wollen belogen werden. Sie feiern die Dauerlügner. Wer, wie Robert Habeck und Olaf Scholz, dem Urnenpöbel harte Wahrheiten zumutet, wird an der Wahlurne abgestraft.

Alice Weidel, Markus Söder und Friedrich Merz hingegen, die täglich von Factcheckern überführt werden und zum Scheitern verurteilte Gaga-Politik propagieren, die selbst von Wirtschaftsverbänden entsetzt abgelehnt wird, erklimmen immer neue Höhen der Demoskopie. Dauerlügen und permanente Millionenspenden-Affären, werden mit Rekordwahlergebnissen belohnt.

34.000 Lügen Trumps wurden in seiner ersten Amtszeit dokumentiert. Daraufhin dachten sich im Jahr 2024 mehr als 77 Millionen US-Wähler „ein toller Mann; der soll wieder Präsident werden!“. Das deutsche Wahlvolk ist leider ähnlich brandolinisiert.